1911
Datum | Ereignis | Quelle |
Vorstand des Ortsvereins des Verbandes der Buchdrucker und Schriftgießer: Ewald Wiedemann, Zossen-Nächst-Neuendorf; Robert Schulze, Wasserstraße 7 | Korrespondent, 03.01.1911, S. 6 | |
15. Januar | „Zossen. Bei gutem Besuche fand am 15. Januar unsre Generalversammlung statt. An Stelle des vor kurzem zurückgetretenen Vorsitzenden Wiedemann wurde der bisherige Schriftführer Kollege Möller gewählt. Die übrigen Kollegen blieben weiter im Amte, besonders deshalb, um in den ernsten Situationen dieses wichtigen Jahrs ihre Erfahrung in den Dienst der Kollegen zu stellen. Neu hinzugewählt wurde der langjährige Obmann der Vertrauensleute Kollege Küken. Der Kassenbericht ergab einen reichlichen Bestand. In weiteren Ausgaben soll vorläufig die größte Sparsamkeit Platz greifen, aus welchem Grund auch das Bezirksstiftungsfest ausfallen soll.“ | Korrespondent, 31.01.1911, S. 5 |
21. Januar | „Zossen. Nachdem in einer Vorstands- und Vertrauensmännersitzung bereits die einleitenden Vorarbeiten für die Anträge zur diesjährigen Tarifrevision erledigt worden waren, fand am 21. Januar eine außerordentliche Bezirksversammlung statt, die zu den Anträgen Stellung nehmen sollte. Trotzdem eine größere Anzahl der Kollegen in Berlin wohnt, waren nach Ausweis der Präsenzliste immer noch vier Fünftel der Mitglieder anwesend, gewiß ein Zeichen großen Interesses an den Verhandlungen. Nach einem einleitenden Referat unsres Gauvorstehers Hannack (Stettin) wurden die vorbereiteten Anträge eingehend diskutiert, zum Teil aus der Versammlung heraus ergänzt und sodann einstimmig angenommen. Hoffen wir, daß das große und einmütige Interesse, welches sich während der Diskussion zeigte, auch ferner bestehen bleibt. Die Aufstellung der Kandidaten zur Generalversammlung wurde wegen vorgerückter Zeit auch die nächste im Februar stattfindende Bezirksversammlung verschoben.“ | Korrespondent, 07.02.1911, S. 5 |
Vom Vorstand des Verbandes der Tabakarbeiter Deutschlands sind ernannt für Zossen: 1. Bevollmächtigter Wilhelm Busack; 2. Bevollmächtigter Oskar Noack; Max Seifert und Otto Schulz Kontrolleure. Alle Zuschriften gehen an den 2. Bevollmächtigten, Marktstraße 5. I. |
Der Tabak-Arbeiter, 22.01.1911, S. 7 | |
8. Februar | Volksversammlung bei Kurzner. Thema: „Die Wahrheitsliebe der Diener Gottes und der hiesige christliche Volksverein“. Referent: E. Unger-Berlin „Zossen. Eine imposante von über 400 Personen besuchte Volksversammlung im Kurznerschen Lokal hörte einen interessanten Vortrag des Genossen Unger über: Die Wahrheitsliebe der Diener Gottes und der christliche Volksverein. In der Diskussion klärten die Genossen Saupe und Walter die Anwesenden über den hier kürzlich gegründeten christlichen Volksverein auf. Dabei beschäftigten sich die Redner auch mit dem Superintendenten und Protegé des Vereins, Herrn Schmidt, der sich in dieser Eigenschaft die Bekämpfung der Sozialdemokratie zur Aufgabe gestellt hat. Er sowohl wie die übrigen Geistlichen waren zu der Versammlung geladen aber nicht erschienen. Herr Schmidt hat, wie der Versammlung mitgeteilt wurde, sein Fernbleiben dadurch entschuldigt, daß er einmal einem Juden nicht gegenüber treten werde und auch aus anderen Gründen nicht erscheinen könne. Diese Mitteilung rief um so größere Verwunderung unter den Versammelten hervor, als der Referent einmal kein Jude ist und außerdem der Herr und Meister des Herrn Schmidt, Jesus, bekanntlich selbst jüdische r Abstammung war. Eine Resolution, die sich gegen das Verhalten des Herrn Schmidt richtet und die Versammelten zum Austritt aus der Landeskirche auffordert, fand hierauf Annahme. Zum Schluß meldeten 30 Personen ihren Austritt aus der Landeskirche an“. |
Vorwärts, 31.01.1911, S. 13 Vorwärts, 08.02.1911, S. 14 |
17. Februar | „Zossen. Noch glänzender wie die am 8. Fenruar stattgefundene Volksversammlung, in der das Thema: „Die Wahrheitsliebe der Diener Gottes und der christliche Volksverein“ zur Verhandlung stand, gestaltete sich die am 17. Februar tagende Versammlung. Wegen vorgerückter Nachtzeit mußte die am 8. Februar stattgefundene Volksversammlung vertagt werden. Es waren diesmal wohl über 500 Personen, die den Ausführungen des Genossen Unger lauschten. In der Diskussion sprachen noch im Sinne des Referenten die Genossen Reichert, Rönnebeck, Budeus und Walter, welche als Protest gegen das Gebaren des hiesigen Superintendenten Schmidt zum Austritt aus der Landeskirche aufforderten. Gegener meldeten sich trotz mehrmaliger Aufforderung nicht zum Wort. Am Schluß richtete der Versammlungsleiter, Genosse Lies, an die Versammelten die Aufforderung, sich der gewerkschaftlichen wie der politischen Organisation anzuschließen. Das Fazit der Versammlung war, daß eine Anzahl Personen den Austritt aus der Landeskirche erklärten. Auch war eine stattliche Zahl Neuaufnahmen in den Wahlverein zu verzeichnen.“ | Vorwärts, 23.02.1911, S. 9 |
„Zossen. Wie wohl überall, so sind auch hier die alten eingefleischten Gewerkvereinler nicht die idealsten Kollegen. Wurde doch sogar von ihnen versucht, einen Funktionär unseres Verbandes außer Arbeit zu bringen. Wenn dies nicht gelang, so lag das gewiß nicht an ihnen. Trotzdem gibt es hier einige alte Kollegen, die lieber mit den Hirschen zusammen in gesperrten Lokalen bei Schnaps und Bier sitzen statt in unsere Versammlungen zu kommen. Wenn die Kollegen sich nur etwas mehr um das Verbandsleben kümmern wollten, könnte hier manches besser sein. Aber mit Gleichgültigkeit kommen wir nicht vorwärts.“ | Holzarbeiter-Zeitung, 11.03.1911, S. 77 | |
9. April | Broschürenverteilung der SPD für Zossen, Nächst Neuendorf Glienick und Groß-Schulzendorf | Vorwärts, 06.04.1911, S. 9 |
9. April | „Zossen. Am Sonntag, den 9. April, 9 ½ Uhr vormittags, tagte hier unsere Mitgliederversammlung, die sich mit folgender Tagesordnung beschäftigte: Aufnahmen neuer Mitglieder, Abrechnung, Kartellbericht, Stellungnahme zur Maifeier, Verbandsangelegenheiten, Verschiedenes. Zur Aufnahme hatte sich der Lehrling Erich Richter gemeldet. Er wurde willkommen geheißen und ermahnt, die Verbandsinteressen voll und ganz zu vertreten, um ein treuer Mitkämpfer für unsere gerechten Aufgaben zu werden. Die Abrechnung wurde geprüft und für richtig befunden und dem Kassierer Entlastung erteilt. Aus der Abrechnung ist zu ersehen, daß die Einnahme (inkl. Kassenbestand) 78,19 M. betrug, die Ausgaben 58,13 M. Die Mitgliederzahl betrug am 31. März 12. Der Kartellbericht, den Kollege Krause gab, wurde noch von den Kollegen Busack und Freiwaldt ergänzt. Besonders hervorzuheben, daß sich das Gewerkschaftskartell mit der Frage beschäftigt, einen Konsumverein ins Leben zu rufen. Das sei notwendig, denn die Lebensmittelpreise seien hier so enorm hoch, daß man es mit Freuden begrüßen würde, mit einem Arbeiterkonsumverein der Konkurrenz die Spitz bieten zu können. Bei Besprechung über die Maifeier erklärten sich alle Kollegen bereit, an diesem Tage die Arbeit ruhen zu lassen. Es wurde eine Kremserpartie beschlossen und eine Kommission dazu gewählt, die alles vorbereiten soll. Darauf wurde die Lohnerhöhung bei der Firma Otto Rackow bekannt gegeben. Diese Firma machte auf 8 Sorten einen Lohnzuschlag von 25 bis 75 Pf. pro Mille. Kollegen, unsere Aufgabe wird es sein müssen, auf allen Fabriken den Minimallohn von 9 M. zu erkämpfen! Dies wird um so eher gelingen, als wir hier sämtlich organisiert sind. Gehen wir also frisch an die Arbeit und der Sieg wird unser sein! Wir müssen noch die gleichgültigen Kollegen aufzuklären und mitzureißen suchen, auf daß sie in erster Linie zur Überzeugung kommen, daß die Versammlung dem Bett vorzuziehen ist; denn Gleichgültigkeit führt nie zum Ziel. So wurde auch das Nichterscheinen der Kollegen Rakow, Wederheid und Schulz auf das Schärfste gerügt. Nachdem noch der Schnapsboykott gelobt wurde, erfolgte Schluß der lebhaften Versammlung.“ | Der Tabak-Arbeiter, 23.04.1911, S. 5 |
„Zossen (Brandenburg). Die Firma O. Rakow erhöhte die Löhne bei 8 Sorten um 25 bis 75 Pf. pro Mille; unsere Kollegen 9in Zossen werden nichts unversucht lassen, um auch in den drei andern Betrieben, Th. Boße, F. Gaebert, C. Nürrenbach, Lohnerhöhungen durchzusetzen: Hoffentlich wird dies bald geschehen und erreicht werden, daß in Zossen für die Folge unter 9 M pro Mille keine Zigarren mehr angefertigt werden.“ |
Der Tabak-Arbeiter, 30.04.1911, S. 4 |
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7. Mai | „Schöneiche bei Zossen. Zum ersten Male ist es der Sozialdemokratie gelungen, auch am hiesigen Orte in einer Volksversammlung mit der Einwohnerschaft Fühlung zu nehmen. Etwa 150 Personen hatten sich am Sonntag im Lokale von Ewald Morbeck eingefunden, um einem Referat des Genossen Störmer-Berlin über die Lasten der werktätigen Bevölkerung zuzuhören. Der Beifall, der dem Referenten gezollt wurde, bewies, daß er den Versammelten aus dem Herzen gesprochen hatte. In der Diskussion sprachen noch Irmschak-Mittenwalde, Ribbecke-Klein-Besten und Mischke-Zossen. Alle Redner übten an den politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen herbe Kritik.“ | Vorwärts, 11.05.1911, S. 14 |
10. Juni | „Bezirk Zossen. Eines recht guten Besuchs erfreute sich die am 10. Juni abgehaltene außerordentliche Mitgliederversammlung, in welcher nach Erledigung einiger interner Angelegenheiten Kollege Braun (Berlin) das Wort zur Berichterstattung über die Generalversammlung erhielt. In eindreiviertelstündigem Vortrag entrollte der Referent ein Bild über die Verhandlungen in Hannover und reicher Beifall belohnte den Redner am Schlusse seiner Ausführungen. Eine kurze Diskussion schloß sich dem Vortrag an. Weiter wurde beschlossen, das Johannisfest als Druckereisommerfest Mitte Juli zu feiern.“ | Korrespondent, 24.06.1911, S. 6 |
11. Juni | „Schöneiche bei Zossen. Endlich ist es auch hier gelungen, ein Versammlungslokal zu erhalten. Es konnte daher am letzten Sonntag eine imposante öffentliche Versammlung abgehalten werden. Da der Abgeordnete des Kreises, Gen. Zubeil, am Erscheinen verhindert war, übernahm es Gen. Gehrke-Steglitz, die Sünden der Reichsregierung und der Reichstagsmehrheit zu bezeichnen. Die von etwa 300 Personen besuchte Versammlung zollte dem Referenten am Schluß seiner Rede großen Beifall. An der Diskussion beteiligten sich die Genossen Wendorf, Saupe, Walther, Greulich, Domke und ein Genosse in Groß-Besten. Der Vorsitzende gab bekannt, daß in nächster Zeit wieder eine Versammlung tage, in welcher Gen. Zubeil bestimmt erscheinen werde. Vor und nach der Versammlung trugen die Arbeiter-Gesangvereine aus Mittenwalde und Zossen einige stimmungsvolle Lieder vor. |
Vorwärts, 16.06.1911, S. 10 |
23. Juni | Gautag des Odergaus des Verbandes der Buchdrucker und Schriftgießer Deutschlands. Vertreter von Zossen sind: Möller, Schulze „Der Antrag: „Zossen vom Odergau abzutrennen“ wurde von Möller (Zossen) begründet. Der ganze Bezirk setze sich fast nur aus den Mitgliedern der Berliner buch- und Kunstdruckerei zusammen. Der frühere große Wechsel bestehe immer noch und viele Berliner sträubten sich gegen eine Annahme einer Kondition in Zossen, weil sie befürchteten, ihre Rechte in Berlin zu verlieren. Er glaube, daß die Mehrheit des Berliner Gauvorstandes der Einverleibung zustimmen werde. Eifler (Gauvorstand.-- K.L.) meinte, Berlin liege gar nichts an Zossen und der Hauptvorstand sage entschieden nein zu der Abtrennung. Bei solchem Entgegenkommen sei keine Grenze abzusehen, wo die Berliner Einflußsphäre und die Einverleibungsgelüste der Provinz aufhören würden. Es würde dies leicht zum Verfalle des Odergaus führen können. Ein strengeres Vorgehen bei leichtfertigem Aufgeben der Kondition würde vielleicht die Verhältnisse in Zossen bessern und den Wechsel Beschränken. Unter Umständen lasse sich die Sache bei einer Neueinteilung der Gaue regeln. Er bitte, auf den Antrag zu verzichten. Nachdem noch Möller und Schulze (Zossen) für den Antrag gesprochen hatten, wurde bei der Abstimmung der Antrag abgelehnt. Zossen bleibt also beim Odergau.“ |
Korrespondent, 29.06.1911, S. 3 |
„Zossen. In der letzten Gemeindevertretersitzung wurde nach dem Bericht über den Stand der Kämmerei-, Feld- und Armenkasse ein Antrag des Magistrats angenommen, nach welchem zur Ableitung der Regenwässer der Mittenwalder Chaussee, der Töpchinerstraße und der Weinberge eine Rohrleitung gelegt werden soll. In dieselbe sollen gleichzeitig die geklärten Abwässer des Kreiskrankenhauses geleitet und nach der Notte geführt werden. Der Kreis gibt dazu eine Beihilfe von 1000 Mark. Die städtischen Obstnutzungen wurden an den Meistbietenden vergeben. Nach Ansicht eines Gemeindevertreters sind die Angebote für das Obst als außergewöhnlich hoch zu betrachten. Es sei daher nicht zu verwundern, daß in Zossen das Pfund Kirschen viel teurer ist wie in Berlin. Für den Kreis Teltow errichtet in Zossen eine Obstverwertungsgesellschaft mbH Baulichkeiten. Der Bürgermeister ersucht die in Frage kommenden Produzenten, dieses Unternehmen zu unterstützen, damit es lebensfähig werde. Für Pflasterung der Töpchinerstraße vom Kreiskrankienhaus bis zur Mittenwalder Chaussee wurden 750 Mk. Bewilligt.“ | Vorwärts, 09.07.1911, S. 14 | |
6. Juli | „Zossen. „Der Aufmarsch der Parteien zu den Reichstagswahlen“ war das Thema, über das Genosse Böske in der letzten Generalversammlung des Wahlkreises referierte. Nach dem Jahresbericht, den der Genosse Saupe gab, war die Vereinstätigkeit eine sehr rege. Es fanden in der Berichtszeit 18 Vereinsversammlungen und 7 Volksversammlungen statt. Mitglieder hatte der Verein am Schlusse 167, davon 28 weibliche. Trotzdem in der Berichtszeit 134 Mitglieder neu aufgenommen wurden, hat sich der Stand nur um 25 vermehrt, ein Zeichen der ungemein großen Fluktuation am Ort. In den Vorstand wurden folgende Genossen gewählt: 1. Vorsitzender Saupe; 2. Vorsitzender Hering; Kassierer Trebbin; als Beisitzerin Frau Kitzler. Zu Bezirksführern Seifert, Franz Müller, Stein, Trebbin und Mattuschek. Zur Stadtverordnetenkommission Rackow und Tschersich, zur Lokalkommission Max Becker. Als Revisoren Hechler und Spring. Die Wahl eines Schriftführers wurde zurückgestellt. Die bei der letzten Stadtverordnetenwahl errungenen Mandate sind durch den Verzug der beiden Genossen wieder erledigt. Die Genossen müssen daher alle Kräfte einsetzen, die Mandate bei den diesen Herbst stattfindenden Ersatz- und Ergänzungswahlen wieder zu erringen. Bei der Aufstellung der Kandidaten entwickelte sich eine sehr lebhafte Diskussion. Wegen fortgeschrittener Zeit wurde die Aufstellung für eine außerordentliche Generalversammlung zurückgestellt. Vor Eintritt in die Tagesordnung meldeten sich 8 Genossen und 2 Genossinnen zur Aufnahme.“ |
Vorwärts, 12.07.1911, S. 14 |
20. Juli | „Zossen. Die Fortsetzung der vor zwei Wochen vertagten Generalversammlung hatte folgendes Resultat: Zu den im November stattfindenden Stadtverordetenwahlen wurden als Ersatzmänner für die von hier verzogenen Genossen Ridzowski und Wißmann, welche 2 Mandate der 3. Abteilung innehatten, die Genossen Saupe und Tschersich, als Kandidaten zu den Ergänzungswahlen die Genossen Trebbin und Karl Lemke aufgestellt. Als Schriftführer wurde Genosse Wegener, als Delegierte zur Kreisgeneralversammlung die Genossen Franz Müller und Witt, für die Verbandsgeneralversammlung die Genossen Albrecht und Freiwaldt und in den Jugendausschuß die Genossen Albrecht und Trömel gewählt. Genossen! Die Wählerlisten liegen diese Woche noch aus. Versäume keiner, sich zu überzeugen, ob er darin aufgeführt ist. Gesuche um Eintragung nehmen entgegen und führen aus die Genossen Saupe, Rackow und Tschersich.“ |
Vorwärts, 26.07.1911, S. 10 |
28. Juli | „Zossen. Ein bedauernswerter Unglücksfall ereignete sich am Sonnabend Abend in der Schulzeschen Badeanstalt. Der 21jährige Tischler Johannes Bräuer wollte beim Baden ein Gerüst erklettern, rutschte dabei aus und fiel mit der linken Brustseite so unglücklich auf eine eiserne Zaunspitze, daß ihm dieselbe in den Körper eindrang und die Lunge durchbohrte. Nachdem ein schnell hinzugerufener Arzt einen Notverband angelegt hatte, wurde der Verletzte in bedenklichem Zustande ins hiesige Kreiskrankenhaus eingeliefert. Bei dieser Gelegenheit muß bemerkt werden, daß sich hier am Orte wohl ein vom Kreise Teltow stationierter Krankentransportwagen befindet, daß aber ein Schwerverletzter nicht sachgemäß gebettet und verladen werden kann, da dem Wagen eine kundige Begleitung fehlt. Nur unter fürchterlichen Qualen wird der Verletzte auf den Wagen gebracht. Auch die Badeverhältnisse am hiesigen Ort fordern zu einer Kritik heraus. So hat z. B. die Aufsicht bei dem städtischen Freibad ein alter invalider Asthmatiker, welcher nicht in der Lage ist, bei einem Unglücksfalle sachgemäß einzugreifen. Es ist denn auch fast als ein Wunder zu bezeichnen, daß vor längerer Zeit ein Zigarrenmacher von anderen Badenden vom Ertrinken gerettet werden konnte, nachdem vorher vergeblich versucht worden war, denselben mit einer Harke herauszuziehen, und voriges Jahr gelang es zufällig in der Nähe befindlichen Bootsleuten, ein Kind mit Bootshaken aus dem Wasser zu holen. Irgendwelche Rettungsmittel sind nicht vorhanden. Die Schulzesche Badeanstalt befindet sich ebenfalls in einem ziemlich zerfallenem Zustande, und man muß sich fragen, ob denn die Polizei überhaupt eine Kontrolle ausübt. Aber dazu wird sie schwerlich Zeit haben, da jeder Handwerksbursche, welcher das Weichbild Zossens betritt, streng ins Auge genommen wird, damit er nur ja beim Fechten erwischt wird, und unser Stadtoberhaupt ist so mit allen möglichen Ämtern beladen, daß er sich unmöglich um alles kümmern kann. Er ist nämlich nicht bloß Bürgermeister von Zossen, sondern auch Amtsanwalt, Notteschaudirektor, Amtsvorsteher und Vorsitzender verschiedener Vereine. Wegen einer ordnungsgemäßen Badeanstalt sind schon mehrfach Gesuche an die städtischen Körperschaften gerichtet worden, auch unsere früheren Genossen im Stadtparlament haben eifrig diese Sache verfochten. Da wurde aber von Seiten einzelner Bürgerlicher, welche wahrscheinlich eine Badeeinrichtung im Hause haben, erklärt, die Zossener Arbeiterschaft fühle ja gar kein Bedürfnis zum Baden. Wie tief die Arbeiter dabei eingeschätzt wurden, beweist die starke Inanspruchnahme der Schulzeschen Badeanstalt, seit sich der jetzige Pächter in anerkennungswerter Weise bereit erklärt hat, für Mitglieder der Krankenkasse „Äskulap“ und deren Angehörigen ermäßigte Preise zu gewähren. Es liegt nun mit an der Zossener Arbeiterschaft, daß sie bei den nächsten Stadtverordnetenwahlen für sich einige Mandate erringt. Vielleicht wird es dann möglich, eine Reihe Mißstände in unserem Gemeindewesen zu beseitigen. |
Vorwärts, 01.08.1911, S. 10 |
1. August | Zossen. Erhängt. Mittwoch früh wurde der über 70 Jahre alte Rentenempfänger Otto in der Stubenrauchstraße an einer Telegraphenstange erhängt aufgefunden. Nahrungssorgen sollen den Mann in den Tod getrieben haben. Allgemeine Verwunderung erregte die Tatsache, daß der Tote den ganzen Vormittag bis ungefähr 1 Uhr bei der glühenden Sonnenhitze, das Gesicht nur mit einigen Baumzweigen bedeckt, bei der Unglücksstelle liegen mußte.“ | Vorwärts, 04.08.1911, S. 10 |
24. August | „Zossen. Die letzte Wahlvereinsversammlung nahm die Berichte von der Kreis- sowie der Verbandsgeneralversammlung entgegen. Aufgenommen wurden sechs neue Mitglieder. Gegen das Marokkoabenteuer wurde eine entsprechende Resolution angenommen.“ | Vorwärts, 26.08.1911 |
29. August | Vortrag bei Kurzner in Zossen: „Schutz den Kindern!“ | Vorwärts, 26.08.1911, S. 5 |
Bürgerrechtsgeld Im Vorwärts wurde eine Übersicht über die Erhebung des Bürgerrechtsgeldes von Zugezogenen, dessen Zahlung für die Erlangung des Bürgerrechts auch in Zossen notwendig war, veröffentlicht. An das Bürgerrecht wiederum war die Eintragung in Wahllisten gebunden. Zossen hatte damals 4800 Einwohner. Das Bürgergeld betrug 10 bis 25 M. und konnte, nach Übereinkunft, in Raten gezahlt werden. Zossen hatte 18 Stadtverordnete und 5 Magistratsmitglieder. Der kommunale Steuerhebesatz betrug 164 Prozent. |
Vorwärts, 05.09.1911, S. 10 | |
9. September | „Die Tabakarbeiter, welche in den Betrieben von Nürrenbach und Gäbert zu Zossen beschäftigt sind, haben am Sonnabend wegen Lohndifferenzen die Arbeit niedergelegt, weil die geringfügige Lohnforderung von 25 Pf. pro Mille bei beiden Firmen, sowie Beseitigung verschiedener Nebenarbeiten und Lieferung besseren Materials bei der Firma Nürrenbach nicht zugestanden worden ist. Daß die Forderungen bewilligt werden können, beweist der Betrieb des Genossen Rackow, wo dieselben längst eingeführt sind. Verhandlungen mit dem Gauleiter haben bis jetzt zu keinem Resultat geführt. Die Parteigenossen werden aufgefordert, die Tabakarbeiter in ihrem Kampf zu unterstützen.“ | Vorwärts, 12.09.1911, S. 4 |
„Zossen. Mit der Errichtung einer Badeanstalt hatte sich die letzte Gemeindevertretersitzung zu beschäftigen. Da der Magistrat jedoch eine geeignete Vorlage nicht hergestellt hatte, wurde ein Beschluß noch nicht herbeigeführt. In der Diskussion hierüber brachte Herr Weege zum Ausdruck, daß eine solche Anstalt auch Heißluft- elektrische und russisch-römische Bäder haben müsse. Am vorteilhaftesten für die Stadt sei es, wenn die Anstalt von privater Seite errichtet würde. Daß der Magistrat sowie die Stadtverordnetenversammlung dem Wunsche des Herrn Weege Rechnung tragen wird, ist nicht anzunehmen, da Zossen gerade mit Privatinstituten nicht die besten Erfahrungen gemacht hat. Von der Notwendigkeit einer Badeanstalt ist auch der Magistrat überzeugt. Herr Weege verlangte des weiteren die Anlegung von Promenadenwegen. Hiervon nahm die Versammlung Abstand, da der Ausführung eines solchen Projektes noch mancherlei Schwierigkeiten entgegenstehen. Überdies will Herr Weege die Promenaden nur deshalb angelegt wissen, um wohlhabende Steuerzahler heranzuziehen. Der Antragsteller hätte nicht notwendig gehabt, neue Promenadenwege zu verlangen, sondern hätte fordern sollen, daß die bereits bestehenden z.B. an der Notte entlang, in einen besseren Zustand versetzt würden. Auf dem Friedhof werden die Schadhaften Brunnen durch Wasserleitungen ersetzt, wodurch einem schon längst empfundenen Bedürfnis abgeholfen wird.“ |
Vorwärts, 21.09.1911, S. 14 | |
8. Oktober | „Zossen. Wir fordern die Parteigenossen auf, sich zu der am Sonntag früh 8 Uhr von Kurzner aus stattfindenden Broschüren- und Flugblattverbreitung zahlreich einzufinden. Die Broschüren für die Landagitationstour werden am Sonnabendabend 7 Uhr bei Kurzner ausgegeben. |
Vorwärts, 06.10.1911, S. 13 |
„Zossen. Ein eigenartiger Unfall ereignete sich hier in der „Internationalen Eisenbahn-Schlafwagen-Gesellschaft“. Ein eben fertig gewordener Schlafwagen sollte geliefert werden, und es wurde daher vorher die Gasbeleuchtung probiert. Aus bisher noch nicht aufgeklärter Ursache entstand eine starke Explosion, durch die der Wagen erheblich beschädigt und ein Tischler durch die entstandene Stichflamme am Arme und im Gesicht verbrannt wurde. Ein Stellmacher wurde aus dem Wagen herausgeschleudert, doch kam derselbe ohne Verletzung davon.“ | Vorwärts, 14.10.1911, S. 16 | |
„Der Reichstagswahlkampf wurde hier durch eine liberale Wählerversammlung eingeleitet. Professor Spiegel-Charlottenburg hatte sich der Aufgabe unterzogen, die Einwohner unserer Stadt über das Programm der fortschrittlichen Volkspartei aufzuklären. Daß für solche Ideen in Zossen kein Boden ist, bewies auch schon der Besuch der Versammlung. Auf der einen Seite einige Ackerbürger, Kriegervereinler und Handwerksmeister, auf der anderen Seite – der größten Hälfte – die Arbeiterschaft. Dem genossen Kubig-Pankow war es ein leichtes, die Ausführungen des Referenten zu widerlegen und die politische Unfähigkeit des Freisinns an Aussprüchen bedeutender Männer, und zwar Nichtsozialdemokraten, zu beweisen. Daß Genosse Kubig im Sinne der hiesigen Arbeiterschaft gesprochen hatte, bewies der kräftige Beifall am Schluß seiner Ausführungen. Leider war unserem Redner nur eine Redezeit von 15 Minuten bewilligt worden. Ohne irgend welche Proselyten gemacht zu haben, schlichen die drei Herren Entrepreneure zum Bahnhof. Bemerkt sei noch, daß sich der Referent auch einige Anwürfe gegen unseren Genossen Zubeil leistete.“ „Zossen. Als einen großen Erfolg der Fortschrittlichen Volkspartei bucht der Herausgeber und Redakteur des „Zossener Stadt- und Landboten“, Herr Otte, seinen Lesern die Versammlung, in welcher sich der Kandidat der Liberalen, Herr Prof. Dr. Spiegel-Charlottenburg, den Zossener Wählern vorstellte. Abgesehen davon, daß der Herausgeber des Blättchens die Sozialdemokratie in einer völlig weltfremden Art darzustellen sucht, behauptet er auch, daß der sozialdemokratische Redner von Prof. Dr. Spiegel in bestimmter Art abgeführt worden sei. Herr Otte wird nicht glauben wollen, daß seine Behauptungen von Besuchern der Versammlung ernst genommen werden, er kann mit seiner völlig unzutreffenden Darstellung doch nur den Zweck verfolgen, unter seinen politisch indifferenten Lesern Proselyten für den fortschrittlichen Kandidaten zu werben. Aber auch damit wird er wenig Glück haben. Die sozialdemokratische Arbeiterschaft wird ihr Teil dazu beitragen, daß die ihr bisher noch fernstehenden Schichten der werktätigen Bevölkerung von der sozialistischen Idee erfüllt werden.“ |
Vorwärts, 14.10.1911, S. 16 Vorwärts, 18.10.1911, S. 14 |
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17. Oktober | Protestversammlungen gegen die Teuerung „In Zossen referierte vor 200 Personen die Genossin [Frida.-- K.L.] Wulff unter dem Beifall der Versammelten.“ |
Vorwärts, 19.10.1911, S. 13 |
22. Oktober | Flugblattaktion zur Stadtverordnetenwahl | Vorwärts, 21.10.1911, S. 13 |
22. Oktober | Klausdorf (Kreis Teltow). Der Streuhaufen als Rednertribüne! Welche Angst die Wirte vor Polizeischikanen haben, sollten unsere Genossen ganz unzweideutig am letzten Sonntag in Klausdorf bei Zossen erfahren. Zwei Wirte haben hier recht geräumige Säle, die sich sehr gut zu Versammlungen eignen. Den Sozialdemokraten stehen sie aber nicht zur Verfügung, denn die Wirte befürchten Polizeidrangsalierungen. Diese Furcht der Wirte ist auch durch die kürzlich im Reichstage stattgehabten Beratungen über die Mißbräuche des Reichsvereinsgesetztes nicht beseitigt, obwohl die Regierung das Versprechen abgegeben hat, daß eine Beeinflussung und Schikanierung der Wirte bei Hergabe ihrer Säle zu Versammlungszwecken von den Polizeiorganen unter keinen Umständen geschehen dürfe. Ja, die Angst der Wirte geht soweit, daß sie nicht einmal einen Tisch oder Stuhl zu einer Versammlung unter freiem Himmel hergeben. Trotz wiederholten Ersuchens weigerte sich der Wirt M. in Klausdorf, welcher keinen Saal besitzt und in nächster Nähe des Versammlungsplatzes wohnt, einen Stuhl oder Tisch unsern Genossen zu leihen oder zu vermieten. Und dabei verkehrten bei diesem Wirt fast nur Arbeiter! Selbstredend konnte diese Angstmeierei unsere Genossen nicht hindern, die Volksversammlung unter freiem Himmel abzuhalten. Und da ihnen weder Stuhl noch Tisch zur Verfügung stand, so wurde schnellstens ein Streuhaufen als Rednertribüner hergerichtet. Auch dieses Vorkommnis gab unserm Genossen Klüß-Rixdorf, welcher über „Die Taten des alten und die Aufgaben des neuen Reichstages“ sprach, vorzügliche Gelegenheit zur schärfsten Kritik darüber, wie die Sozialdemokratie behandelt wi9rd. Wie sehr unser Redner den Versammelten aus dem Herzen gesprochen hatte, bewies deren brausender Beifall am Schlusse des Vortrages. Obwohl Genosse Pagels die Gegner, die ziemlich zahlreich vertreten waren, wiederholt zur freien Aussprache aufforderte, nahm doch niemand das Wort. Die 400 Teilnehmer, worunter 80 Frauen, trennten sich in dem Bewußtsein, hier einmal ein freies und wahres Wort gehört zu haben. In Klausdorf hat früher noch nie eine Volksversammlung stattgefunden. Daß der Samen auf fruchtbaren Boden gefallen ist, dürfte schon aus dem vielseitigen Ersuchen ersichtlich sein, recht bald einen weitere Volksversammlung folgen zu lassen.“ | Vorwärts, 27.10.1911, S. 14 |
„Zossen. Bei den Stadtverordnetenwahlen sind unsere Genossen den bürgerlichen Kandidaten unterlegen. Noch nie war in Zossen eine so starke Wahlbeteiligungzu verzeichnen wie in diesem Jahre. Von einzelnen Betrieben wurden die Wähler kolonnenweise zur Wahlurne geführt. Arbeitgeber waren im Wahllokal anwesend, um aufzupassen, wen die bei ihnen Beschäftigten wählten; die Beamten der Post und Eisenbahn kamen truppweise anmarschiert. Sogar der christliche Volksverein hat jedes seiner Mitglieder zur Wahl dirigiert. Auf diese Weise gelang es leider nicht, unseren Kandidaten zum Siege zu verhelfen.“ | Vorwärts, 15.11.1911, S. 14 | |
10. Dezember | „Schöneiche bei Zossen. Vor 120 Versammlungsteilnehmern sprach im Lokale des Herrn Storbeck am Sonntag Genosse Pieck-Steglitz. In seinen 1½ stündigen Ausführungen über die Bedeutung der Reichstagswahl ging er mit den Konservativen und Liberalen scharf ins Gericht. Reicher Beifall lohnte die treflichen Ausführungen des Referenten. Nach einem Appell der Genossen Schimanski-Schöneberg und Domke-Zossen, den 12. Januar zu einem Siegestag für die Sozialdemokratie zu gestalten, wurde die Versammlung mit einem Hoch auf die Sozialdemokratie geschlossen.“ | Vorwärts, 13.12.1911, S. 13 |
Aus dem Jahresbericht des Gauvorstandes des Gaues 1 des Deutschen Buchbinderverbandes für 1911: „In Zossen hatten sich zeitweise Verhältnisse unter den Mitgliedern herausgebildet, welche das Einschreiten des Gauvorstandes nötig machten und soll es bei dieser Gelegenheit nicht unterlassen werden, zu sagen, daß jede Uneinigkeit unter den Arbeitern nur den Arbeitgebern Nutzen bringen kann und diese die lachenden Dritten sind. Als ein übler Erfolg dieser Geschehnisse muß bezeichnet werden, daß gegenwärtig ein Unorganisierter im Betriebe arbeitete, was früher nie anzutreffen war.“ |
Buchbinder-Zeitung, 13.04.1912, S. 123 | |
Die „Arbeiter-Jugend“ hat in Zossen 18 Abonnenten. Die Zahl steigt 1913 auf 25. | Fricke, Dieter: Handbuch zur Geschichte der Deutschen Arbeiterbewegung, Band 1, S. 583 | |
31. Dezember | Die Zahlstelle des Verbandes der Sattler hatte im 3. und 4. Quartal 1911 13 Mitglieder. Die Zahlstelle Zossen der Metallarbeiterverbandes hatte 50 Mitglieder. Der Zweigverein Zossen des Deutschen Bauarbeiterverbandes hatte 110 Mitglieder. Das Ortskartell des ADGB umfaßte 1911 11 Mitgliedsorganisationen mit 429 Mitgliedern. |
Sattler- und Portefeuiller-Zeitung, 16.02.1912, S. 47 Metallarbeiter-Zeitung, 30.03.1912, S. 106 Der Grundstein, 13.04.1912, S. 178 Statistische Beilage des Correspondenz-Blatt, Nr. 5, 8.Juni 1912, S. 155. |