Arbeiterbewegung - Chronologie

Chronologie (1871 - 1915)

1871

„Bekanntmachung.
Die am 1. k. Mts. zur Erledigung kommende hiesige Polizeidiener-Stelle, mit welcher ein Einkommen von 200 Thlr. Verbunden ist, soll schleunigst anderweit besetzt werden.
Qualifizirte civilversorgungsberechtigte Personen, welche auf diese Stelle reflektiren, wollen sich unter Einsendung eines Lebenslaufs und ihrer Führungs-Atteste bei uns melden.
Zossen, den 24. Februar 1871
Der Magistrat.“

Quelle: TKB, 01.03.1871, S. 6
 

Ende Februar

Der Führer des Konservativen Wahlvereins in Zossen ist Kreisarzt Dr. Schmidt.

Quelle: TKB, 01.03.1871, S. 6
 

3. März

Reichstagswahlen: Bereits im ersten Wahlgang gab es für den Prinzen Handjery (Konservative) eine Mehrheit gegen Kiepert.

Quelle: TKB, 08.03.1871, S. 2
 

3. März

„Zossen. Als am Freitag den 3. d. Mts. Nachmittags um 5 ¾ Uhr die amtliche Depesche von dem Friedens-Schlusse in unsere Stadt gelangt und dieses frohe Ereignis durch Freudenschüsse verkündet war, zeigten sich in kürzester Zeit alle Gebäude in den Straßen mit Fahnen Flagen und Bannern geschmückt; eine allgemeine Begeisterung unter Alt und Jung gab sich kund, die Freude und der Jubel kannte keine Grenzen.
Feierlich klang dazwischen das Geläute der Glocken. Alles eilte, den Tag und den Abend feierlich zu begehen.
Um 8 Uhr entwickelte sich eine glänzende Illumination; die Schützengilde, der Gewerbe- und Turnerverein traten auf dem Marktplatze vor dem Rathause an, wo sich wohl die ganzen Einwohner unserer Stadt eingefunden hatten.
Hier verlas der Herr Bürgermeister Feurig die eingegangene Friedens-Depesche und hielt in kräftigen von Herzen kommenden und zum Herzen dringenden Worten eine patriotische Ansprache an die Versammelten, die wir leider wörtlich wiederzugeben außer Stande sind.
Hochs auf unseren erhabenen Deutschen Kaiser, auf die Deutschen Heerführer und die siegreichen Deutschen Truppen, sowie endlich auf das Deutsche Vaterland schlossen diese Ansprache, worauf von allen Anwesenden der Choral: „Nun danket Alle Gott“ unter Musikbegleitung gesungen wurde, vom Kirchthurme herab aber die Glocken ihren feierlichen Klang wiederum ertönen ließen.
Hierauf setzte sich der Zug welcher mit Fackeln reichlich versehen war und trotz des hellen Mondlichtes einen imposanten Eindruck machte, in Bewegung und durchzog, begleitet von zwei Musikchören die Straßen der Stadt, während auf dem Marktplatze 101 Kanonenschüsse abgefeuert wurden. Freude und Jubel war allgemein und bis in die Nacht durchzogen freudig erregte Gruppen, patriotische Lieder singend, die Straßen. In verschiedenen Lokalen fanden Bälle und andere gesellige Vereinigungen statt.
Die ganze Feier, welche ohne jede Störung und Ausschreitung verlief, war eine erhebende, hervorgegangen aus ächt patriotischem Gefühler der Bewohner Zossens.“

Quelle: TKB, 08.03.1871, S. 2f.
 

5. März

„Es werden noch Zimmerleute eingestellt und Lehrlinge angenommen.
Zossen, den 5. März 1871
Jost Zimmermeister.“

 Quelle: TKB, 15.03.1871, S. 6
 

4. Juni

„Bekanntmachung.
Auf dem früher Klau’schen Ziegelei-Grundstück am Mittenwalder Berge in hiesiger Feldmark belegen, beabsichtigt die Actien-Gesellschaft, in deren Besitz das gedachte Grundstück übergegangen ist, drei Dampf-Kessel zum Betriebe der Cementfabrikation aufzustellen und außerdem einen Cement-Probir-Ofen zu errichten. Indem wir dies Vorhaben in Gemäßigkeit des § 3 des Gesetzes vom 1. Juli 1861 hierdurch zur öffentlichen Kenntniß bringen, fordern wir zugleich auf, etwanige Einwendungen gegen die gedachte Anlage binnen einer Präclusiv-Frist von 14 Tagen schriftlich bei uns anzubringen.
Die betreffenden Zeichnungen können in unserem Büreau eingesehen werden.
Zossen, den 4. Juni 1871.
Die Polizei-Verwaltung.“

Quelle: TKB, 14.06.1871, S. 4
 

Juli

Für die Portland-Zementfabrik in Zossen werden ein Schlosser und ein Schmied gesucht.

Quelle: TKB, 15.07.1871, S. 7
 

 August

„10 Thaler Belohnung.
Leider ist es schon öfter vorgekommen, daß die auf unserem Etablissement befindlichen Einrichtungen böswillig beschädigt und auch bestohlen wurden.
In letzter Nacht wurden wiederum die Verschlußhähne des Wasserreservoirs geöffnet und uns großer Schaden zugefügt. – Wer uns den Thäter sicher angeben kann, empfängt obige Belohnung.
Märkische Portland-Cement Fabrik in Zossen.“

Quelle: TKB, 19.08.1871, S. 4
 

September

„Ich bringe hiermit zur allgemeinen Kenntniß, daß die Arbeiter Schimke, Sprengert, J. Heinrich aus Zossen haute von uns entlassen sind, weil dieselben durch muthwilliges und frevelhaftes Anzünden eines Kalkofens auf unserer Fabrik, uns nicht nur einen großen Schaden zufügten, sondern auch durch diese Handlung die Fabrik in Feuergefahr gebracht haben.
Für die Märkische Portland-Cement-Fabrik
Dr. Frühling.“

Quelle: TKB, 20.09.1871, S. 3
 

Oktober

 „Warnung.
Um etwaigen Unglücksfällen vorzubeugen, machen wir das Publicum darauf aufmerksam, unsere Wiesen nicht zu betreten, da dieselben auf mehreren Stellen durchstochen sind.
Märkische Portland-Cement Fabrik.“

Quelle: TKB, 14.10.1871, S. 4

1878

 

30. Juli

Reichstagswahlen
In Zossen erhalten die Konservativen 59%, die Rechtsliberalen 8%, die Freisinnigen (Linksliberale) 32% der Stimmen in den Hauptwahlen.

Quelle: Robert Frank: Der Brandenburger als Reichstagswähler, 1. Band, Berlin 1934, S. 122 Fn. 4

1881

27. Oktober

Reichstagswahlen
In der Stichwahl in Zossen erhalten die Konservativen 195 (46%) und die Freisinnigen (Linksliberalen) 232 (54%) Stimmen.

Quelle: Robert Frank: Der Brandenburger als Reichstagswähler, 1. Band, Berlin 1934, S. 123 Fn. 2

 

1884

28. Oktober

Reichstagswahlen
In Zossen erhalten in der Hauptwahl die Konservativen 266 Stimmen (68%), die Freisinnigen (Linksliberale) 125 Stimmen (32%) und die SPD wahrscheinlich keine.

Quelle: Robert Frank: Der Brandenburger als Reichstagswähler, 1. Band, Berlin 1934, S. 124 Fn. 1

1885

 

28. Januar

„Zum Frankfurter Attentat schreibt der in Basel (Schweiz) erscheinende „Volksfreund“: Wir können heute unsere Nachrichten bestätigen, nach welcher der in Hockenheim bei Mannheim verhaftete Handwerksgeselle, welcher auf einen Gendarmen schoß und durch sein sonstiges Benehmen und die an seiner Hand befindliche Schnittwunde den Glauben aufkommen ließ, er sei der Mörder des Polizeiraths Rumpff in Frankfurt a.M., thatsächlich bei einem hiesigen ehrbaren Schuhmachermeister in Arbeit stand. Der Attentäter soll Julius Adolf Lieske heißen, ist 22 Jahr alt und aus Zossen in Preußen. Er kam im Herbst von Genf nach Basel und fand hier Arbeit. Sein Meister schildert denselben als fleißigen und tüchtigen Arbeiter; derselbe habe sich aber auch durch seine Außerungen und Schriften als Anarchist bekannt und dies scheint auch der Grund gewesen zu sein, daß er den Meister, der diese Ansichten durchaus nicht billigte, verlassen hat. Inwiefern nun Lieske mit dem Mord in Frankfurt in Verbindung zu bringen ist, dürfte Sache der Untersuchung sein. Ob endlich Lieske der Untersuchungsbehörde in Mannheim über seinen wahren Namen und sein Thun Geständnisse gemacht hat, scheint ziemlich sicher, weil sein früherer Aufenthalt in Basel konstatirt wurde.“

Quelle: Berliner Volksblatt, 28.01.1885, S. 5


Juni

„Eine Frevelthat, die weit über die Grenzen Deutschlands hinaus Aufsehen und Entsetzen erregte und noch bis auf den heutigen Tag die Gemüther in vollster Spannung hält, gelangt heute zur Kognition des hiesigen königl. Land-Schwurgerichts. Obwohl zur Zeit sehr viel über die Einzelheiten des Verbrechens berichtet worden, so dürfte es doch geboten erscheinen, den Thatbestand in Kürze zu rekapitulieren: Am Abende des 13. Januar 1885, etwa gegen 8 Uhr, machte das Dienstmädchen des Polizeirath Dr. Rumpff in einem an der Ecke des Sachsenlagers und des Grüneburgwegs belegenen Spezereiladen einige Einkäufe. Als sie nach der, Sachsenlager Nr. 5 belegenen Rumpff’schen Wohnung zurückkehrte und durch die Gartenpforte trat, sah sie dicht an der Wand des Hauses, in der Nähe der Hausthür, einen Mann liegen. Sie hielt denselben für einen Betrunkenen und da sie sich vor ihm fürchtete, so lief sie eilgst in den Spezereiladen zurück und bat dort ein Mädchen, sie zu begleiten, da der Betrunkene den Eingang zum Hause versperre. Als sie sich nun der liegenden Gestalt näherte, entdeckte sie in demselben ihren Herrn. Er schlug die Augen auf und erkannte sie wohl, vermochte jedoch nicht zu sprechen. Das Mädchen bemühte sich, ihrem Herrn zu helfen, allein in demselben Moment hauchte der in der Herzgegend aus einer Wunde blutende Polizeirath in den Armen seines Dienstmädchens , auf den Steinfließen hingestreckt, sein Leben aus. Das Dienstmädchen alarmirte die Hausbewohner, welch letztere eiligst die Polizei und den Kreisphysikus Dr. Wilbrand herbeiriefen. Letzterer konstatirte, daß ein mit furchtbarer Wucht geführter Dolchstoß, der den Überzieher, Rock, Weste, Leinen- und Flanellhemd durchdrungen und das Herz getroffen hatte, den Tod herbeigeführt habe. Nach der Beschaffenheit der Wunde zu schließen, muß der tödtliche Stoß mit einem langen dreikantigen Stilet geführt worden sein. Weitere Ermittlungen ergaben, daß der am 22. Februar 1822 geborene, aber immerhin noch sehr rüstige Polizeirath etwa gegen 7 ½ Uhr sein Bureau im Polizeipräsidium verlassen und sich , gegen seine sonstige Gewohnheit, sofort nach Hause begeben hatte. Die Straße „Sachsenlager“, liegt im sogenannten Millionärsviertel Frankfurts, woselbst die Häuser sämmtlich mit Vorgärten versehen sind und zu denen der Eingang zumeist seitwärts durch eine eiserne Gartenpforte führt. In dieser, fern von dem geräuschvollen Leben und Treiben der inneren Stadt belegenen stillen, wenig bewohnten Straße Nr. 5 wohnte der Ermordete, der seit längerer zeit verwittwet, mit seinen beiden Kindern, einem 17jährigen, zur Zeit die Unterprima des Frankfurter Gymnasiums besuchenden Sohne und einer 16jährigen Tochter. Allein zwischen 7 und 8 Uhr Abends ist die bezeichnete Gegend gerade am belebtesten. Wie überall, so machen auch hier die Brief- und Zeitungsträger in dieser Zeit die letzten Bestellungen. Die Fleischerburschen gehen gewöhnlich um diese Zeit von Haus zu Haus, um die Hausfrauen nach ihren Wünschen für den folgenden Tag zu fragen. Die Dienstmädchen holen aus den Spezereiläden, was noch für das Nachtessen und den nächsten Morgen gebraucht wird. Die Beamten und Geschäftsleute kommen nach Hause, Herren und Damen eilen in die Versammlungen, vereine, Kränzchen etc., kurz gerade um diese Zeit sind zumeist mehr Leute auf der Straße, als sonst während des ganzen Tages. Es kommt hinzu, daß das Sachsenlager in zwei, um die fragliche Zeit mindestens ebenso belebte Straßen (Gärtnerweg und Grüneburgweg) mündet, und daß das Haus Sachsenlager Nr. 5 etwa 200 Schritt von dem Gärtnerweg entfernt liegt. Und trotzdem konnte der Mord so ungehindert auf offener Straße geschehen. An der Stelle, wo der Ermordete seinen Geist aufgegeben, befand sich eine große Blutlache; außerdem waren die Stäbe der Gartenpforte stark beblutet, so daß anzunehmen ist, der Mörder hat in der Dunkelheit und Eile umhergetastet, ehe er den Ausgang gefunden. Den Umständen nach zu schließen, konnte der Mord nur aus persönlicher Rache oder aus politischen Motiven geschehen sein. Obwohl die Polizei sofort eine förmlich fieberhafte Thätigkeit entfaltete, so vermochte sie zunächst nicht eine Spur von dem Verbrecher zu entdecken. Allein schon am 19. Januar begegnete ein Gendarm in dem dicht bei Mannheim belegenen Hockenheim einem Handwerksburschen. Der Gendarm hielt den Wanderer an und fragte ihn nach seinen Legitimationspapieren. Letztere kamen dem Beamten nicht richtig vor, und als er dies dem Angehaltenen vorhielt, lief derselbe eiligst davon. Zwei in der Nähe stehende Bauern verfolgten ihn. Der Fliehende wandte sich um und schoß zweimal mit einem Revolver auf seine Verfolger. Inzwischen war auch der Gendarm näher gekommen; der Flüchtling schoß auch auf diesen, alle drei Schüsse gingen jedoch fehl. Nach heftigen Kämpfen gelang es dem Gendarm endlich, den Flüchtling zu überwältigen, ihm den Revolver zu entreißen und ihn in Haft zu nehmen. Der Verhaftete, der sich die verschiedensten Namen gab und bald Tischler, balsd Schuhmacher sein wollte, trug außer dem erwähnten Revolver ein großes, scharfgeschliffenes sogenanntes Schustermesser und etwa 12 Mark baares Geld bei sich. An der inneren Handfläche hatte der Verhaftete eine etwa acht Tage alte, große Schnittwunde: außerdem fanden sich in seinen Kleidungsstücken eine große Anzahl Blutflecken vor. Sowohl hierüber, als auch über seinen letzten Aufenthalt machte der Verhaftete die widersprechensten Angaben. Den Bemühungen der Polizei gelang es jedoch sehr bald festzustellen, daß sich der Verhaftete vom 31. Dezember 1884 bis zum 14. Januar 1885 planlos, das heißt ohne sich irgendwie Arbeit zu suchen, in Frankfurt am Main aufgehalten habe. Um hier seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, hatte er seine Uhr versetzt. Er wohnte in der Alten Mainzergasse bei dem Wirthe Burda. Tagsüber hielt er sich vielfach in der christlichen Herberge zur Heimath auf, da dort in ziemlich großer Anzahl die Arbeiterwelt verkehrt. Dort lernte er einen Schriftsetzer, Namens Hüber kennen und erkundigte sich bei diesem sowohl als auch noch bei einigen anderen Personen nach den Gepflogenheiten des Polizeiraths Rumpff. Auch im Sachsenlager ist der Verhaftete häufig gesehen worden. Am Tage vor dem Morde, also nachdem er schon 14 Tage in Frankfurt war, meldete er sich bei der Polizei als „Tischlergeselle Lieske“ an, während seine Legitimationspapiere auf den „Tischlergesellen C. S. Nau“ lauteten. Da der Verhaftete in der That Lieske heißt, allerdings Schuhmacher und nicht Tischler von Profession ist, so muß er die Legitimationspapiere dem Tischlergesellen Nau, der im Übrigen als Zeuge geladen, wohl entwendet haben. Jedenfalls hat letzterer bekundet, daß Lieske ihm vorher von der beabsichtigten Mordthat Andeutungen gemacht habe. Als Lieske eines Abends in der in der Alten Mainzergasse belegenen Wirthschaft von Leßmann mit mehreren Arbeitern Karten spielte, sagte ein Arbeiter: „Trumpf“. Ach was thue ich mit dem Trupf, versetzte Lieske, „bring mir lieber den Rumpff.“ Am 14. Januar ist Lieske von Frankfurt verschwunden und ließ sich in Bilkenbach von einem Arzte seine verletzte Hand verbinden. Irgend welche sozialistische oder anarchistische Schriften wurden bei Lieske wohl nicht vorgefunden, allein, er soll einen Aufruf, in dem die Arbeiter aufgefordert werden, die wegen der bekannten Wiener Vorgänge im vergangenen Jahre in Wien erfolgte Hinrichtung des Anarchisten Stellmacher zu rächen, in Frankfurt verbreitet haben. Außerdem hat die Polizei ermittelt, daß sich Lieske, der längere Zeit in der Schweiz gelebt, sich dort an der anarchistischen Bewegung betheiligt und in Lausanne sogar die Stellung eines Bibliothekars im dortigen anarchistischenArbeiter-Verein bekleidet habe. Am 31. Dezember 1884 soll er direkt von der Schweiz nach Frankfurt gekommen sein. Lieske hat sich deshalb heute wegen Mordes und versuchten Todtschlags, letzteres Verbrechen begangen gegen den Gendarmen etc. in Bockenheim vor Eingangs bezeichnetem Gerichtshofe zu verantworten. Er heißt mit Vornamen: Julius Adolf, ist am 1. Februar 1863 zu Zossen, Kreis Teltow, bei Berlin, geboren, evangelischer Konfession und außer einmal wegen Bettelns noch nicht bestraft. Sein Vater, mit Vornamen Johann Friedrich Christian lebt noch heute als Tagelöhner in Zossen, während seine Mutter, eine geborene Grüneberg, seit längerer Zeit verstorben ist. Er hat sechs Brüder und eine bereits verheirathete Schwester. Er besuchte in Zossen die Volksschule und kam nach vollendetem vierzehnten Lebensjahre zu dem dortigen Schuhmachermeister Peter Steinicke in die Lehre. 1881 ging Lieseke in die Fremde und durchwanderte einen großen Theil Deutschlands, ferner Ungarn und die Schweiz. Er soll zuletzt in Basel gearbeitet haben. ...“

Quelle: Berliner Volksblatt, 30.06.1885, S. 4

1886


7. Dezember

„Wegen fahrlässiger Körperverletzung hatte sich gestern vor der Strafkammer Landgerichts II der in der Zementfabrik „Adler“ bei Zossen beschäftigt gewesene Arbeiter Karl Liebsch zu verantworten. In dem genannten Etablissiment ereigneten sich im Juli d. J. Und zwar innerhalb eines Zeitraums von 8 Tagen hintereinander zwei bedauerliche Unfälle. Eines Tages war daselbst ein Arbeiter Namens Schneider durch eine vorhandene Öffnung, welche jeglicher Sicherungs-Vorrichtung entbehrte, einen Fahrstuhlschacht aus bedeutender Höhe hinuntergestürt und man hatte ihn schwer verletzt vom Orte seiner Thätigkeit hinweggetragen. Nachdem in Folge dessen der Verletzte gegen seinen Arbeitgeber einen Schadenersatz wegen des beim Betriebe erlittenen unverschuldeten Unfalls im Prozeßwege geltend gemacht und wegen dieses Vorkommnisses die Voruntersuchung strafrechtlich eingeleitet worden war, hielten die Unternehmer es endlich für erforderlich Sicherungsmaßregeln zu treefen und an der kritischen Stelle des Fahrstuhlschachts wurde zunächst eine eiserne bewegliche Barriere vorgelegt. Aber auch diese Sicherheits-Vorrichtung verfehlte gänzlich ihren Zweck; denn genau 8 Tage später stürtzte ein anderer Arbeiter, Namens Domisch, welcher mit dem Heraufschaffen von zum Bau einer neu anzulegenden Trockenkammer bestimmten Steinen am Fahrstuhl ausnahmsweise beschäftigt warden Fahrstuhlschacht, weil die qu. Barrierenstange nicht vorgelegt worden, aus einer Höhe von 40 Fuß hinunter in die Tiefe. Im Blute schwimmend und mit zwerschmetterten Gliedern, jedoch noch lebend wurde Domisch aufgehoben; vier Rippen und der linke Arme waren dem Bedauernswertehen zerbrochen, abgesehen von anderen weniger erheblichen Verletzungen. Der Direktor der Zementfabrik bezeichnete als verantwortlichen Urheber dieses zweiten Unfalls den oben bezeichneten Angeklagten Liebsch, weil derselbe es unterlassen, den Fahrstuhlschacht durch Vorlegen der Barrierenstange zu sichern, wie solches seine Funktion als Vorarbeiter dem erhaltenen Auftrag gemäß erforderte. Vor Gericht wendete Liebsch dagegen ein, daß jene Barriere keine genügende Sicherung gegen Unfälle gewährt habe, dafür zeuge der Umstand, daß hinterher, kurz nachdem Domisch hinuntergestürtzt, seitens der Direktion erst eine hinlängliche Einrichtung, bestehend aus einer mit mechanischer Vorrichtung versehenen Gitterdrahtthür, welche selbständig nach der jeweiligen Bewegung des Fahrstuhls sich öffnet und schließt, an der kritischen Stelle angebracht worden sei; außerdem habe er dem Domisch ausdrücklich verboten, beim Herufschaffen der Steine nach oben den Fahrstuhl zu benutzen. Im jämmerlichen Zustande erschien der als Belastungszeuge geladene Domisch vor Gericht; derselbe befindet sich gegenwärtig noch in der königl. Klinik in Behandlung und wird wahrscheinlich, da die zerschmetterten Knochen des Arms, trotz nachträglich infolge ärztlicher Anordnung erfolgten Aufbrechens, sich nicht heilsam fügen wollen, eine Amputation des Armes sich gefallen lassen müssen. In seiner Aussage widerlegt Domisch die Behauptung des Angeklagten, bezüglich des von dem letzteren angeblich an ihn gerichteten Verbots der Benutzung des Fahrstuhls. Seine Aussage sowie diejenige des Direktors der Zementfabrik ließen den Angeklagten als alleinigen Urheber jenes Unfalls, welchem Domisch zum Opfer fiel, erscheinen; der Staatsanwalt erachtete in seinen Ausführungen die Schuld des Angeklagten um so größer, weil erst 8 Tage vorher ein gleicher Unfall in der Zementfabrik stattgehabt und demgemäß lautete der Strafantrag auf 3 Monate Gefängnis. Der Gerichtshof zog jedoch die thatsächlichen Verhältnisse zu Gunsten des Angeklagten in Betracht und das Urteil lautete demgemäß auf nur 1 Woche Gefängnis.“

Quelle: Berliner Volksblatt, 08.12.1886, S. 4

1887

21. Februar

Reichstagswahlen
In der Hauptwahl erhalten in Zossen die Konservativen 541 Stimmen (87%), die Freisinnigen (Linksliberalen 70 Stimmen (11%) und die SPD 9 Stimmen (2%).

Quelle: Robert Frank: Der Brandenburger als Reichstagswähler, 1. Band, Berlin 1934, S. 124 Fn. 2

 

1888

Oktober

„An die Zimmerleute Berlins! Die Kameraden (neun Mann) auf dem Bau des Kriegsdepots in Schöneberg, in welchem die Zimmerarbeiten von den Unternehmern Schulz und Comp., Brückenstr. 13A, übernommen sind, haben sich am Sonnabend genöthigt gesehen, die Arbeit wegen Lohnreduktion in den Akkordpreisen niederzulegen. Schulz hat sich gerühmt, Arbeiter von Zossen heranzubekommen. Zuzug ist streng fernzuhalten.“

Quelle: Berliner Volksblatt, 07.10.1888, S. 6

1889

1. November

Zossen verfügt laut Statistik der Viehzählung im Kreis Teltow über 272 Pferde und 338 Stück Rindvieh.

Quelle: TKB, 05.06.1890; s. 1f.

 

13. November

„Wegen Verbreitung von sozialdemokratischen Schriften ohne polizeiliche Genehmigung standen gestern vor der zweiten Strafkammer am Landgericht II der Maurerlehrling Großkopf und der Arbeiter Blisse aus Zossen sowie der Kutscher Hahn aus Hohenheim. Sie waren beschuldigt, am 1. September d.J. sozialdemokratische Flugblätter verbreitet zu haben. Diese Flugblätter bezogen sich auf die bevorstehende Reichstagswahl. § 28 des Sozialistengesetzes läßt die Verbreitung von sozialistischen Wahlflugblättern von dem Tage an frei, an welchem der Tag der Wahl bekannt gegeben wird, das Ministerial-Reskript vom 26. September 1886 bestimmt dagegen, daß keinerlei Drucksachen ohne polizeiliche Genehmigung verbreitet werden dürfen. Der Tag der Wahl steht aber noch nicht fest und die polizeiliche Genehmigung war nicht eingeholt worden. Der Gendarm Klingner hatte am Abend des 1. September vom Bürgermeister in Zossen erfahren, daß in der Stadt vielfach sozialistische Flugblätter verbreitet worden seien, wahrscheinlich von einigen Berlinern, die sich in der Stadt aufgehalten hatten. Der Gendarm ging nach dem Bahnhof, erfuhr aber dort, daß die vier „Verdächtigen“ bereits eine Stunde früher abgedampft waren. Nun forschte er weiter nach, und erfuhr dann auch, daß die drei Angeklagten im Besitze solcher Flugblätter gesehen worden seien und auch solche weiter gegeben hätten. Er fand auch bei allen Dreien noch einige Exemplare vor, weshalb Anklage erhoben wurde. Das Schöffengericht, welches sich zuerst mit der Suche zu befassen hatte, hiele sich für unzuständig und verwies dieselbe an das Landgericht. Die Angeklagten waren überaus simple Menschen, die von der Existenz der Sozialdemokratie keine Ahnung haben. Großkopf war von seinem Meister über Land geschickt worden. Bei der Rückkehr hatte er im Walde einige fremde Männer getroffen, welche ihm die Blätter mit den Worten gegeben hätten: „Da lies und gieb’s weiter!“ Er hätte wohl etwas von Demokraten gelesen, aber nichts verstanden. Zu Hause habe er die Blätter auf die Ofenbank gelegt, dort hätten Bekannte, die zum Besuch kamen, die Blätter auch gelesen, worauf er letztere verbrannt habe. In derselben Weise wollten die andern beiden Angeklagten dazu gekommen sein, die gar nicht einmal lesen können, und in dem Glauben, daß es „Zettel von Schauspielern“ wären, die sich am Orte aufhielten, einige Exemplare weiter gegeben haben. Der Staatsanwalt beantragte selbst die Freisprechung und der Gerichtshof erkannte demgemäß, weil man es hier wohl nicht mit den Verbreitern, sondern mit solchen Leuten zu thun habe, bei denen die wirklichen Verbreiter einige Exemplare angebracht hätten.“

 Quelle: Berliner Volksblatt, 14.11.1889, S. 7

1890

Januar

„Eine grausige Mordgeschichte beschäftigte am Freitag das Schwurgericht am Landgericht II. Auf der Anklagebank stand die 75jährige Armenhäuslerin Frau Friedrich aus Zossen. Dieselbe besitzt eine irrsinnige Tochter, mit welcher sie bis zum Augenblicke der inkriminirten That im städtischen Armenhause wohnte. Die Tochter wurde trotz ihrer geistigen Unzurechnungsfährigkeit von einem gewissenlosen Menschen beschwängert, der deshalb mit sechs Monaten Gefängnis bestraft wurde. Nach der Niederkunft erhielt die Tochter einige lichte Augenblicke und in diesen erzählte sie einem Gendarmen, daß ihre Mutter das neugeborene Kind mit dem Kopfe auf die Kante des Tischs aufgeschlagen, dadurch getödtet und dann die Leiche in einem alten Schmortopf gesteckt und vergraben habe. Bald nach dieser Mittheilung verfiel die junge Mutter wieder in ununterbrochenen Wahnsinn, doch wurde ihre Erzählung durch den Umstand unterstützt, daß die amtlichen Recherchen den bewußten Schmortopf mit der Kindesleiche an der bezeichneten Stelle zu Tage förderten. Die Mutter wurde darauf gefänglich eingezogen, die Tochter in das Provinzial-Irrenhaus gebracht. Im Oktober v. J. Kam die Sache zum ersten Male vor dem Schwurgericht am Landgericht II zur Verhandlung. Wie in der Voruntersuchung blieb die alte Frau dabei, das Kind sei todt geboren und wäre von ihr nur im Schmortopfe vergraben worden, um der Gemeinde die Beerdigungskosten zu ersparen. Schon in der vorigen Verhandlung stritten sich die zahlreichen medizinischen Sachverständigen sehr scharf, theils um die Todesursache des Kindes, theils um den Werth, welcher dem Geständnisse einer Irrsinnigen während eines sogenannten lichten Augenblicks beigemessen werden könne. Der Gerichtshof konnte damals nicht umhin, den Sachverständigenstreit durch ein Super-Arbitrium der königlichen Deputation für die medizinischen Wissenschaft zu schlichten. Dieses Ober-Gutachten war zur gestrigen Verhandlung eingegangen, dasselbe muß aber einen negativen Standpunkt eingenommen haben, denn die Verhandlung, die natürlich un ter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfand, endigte mit der Freisprechung der Angeklagten.“

Quelle: Berliner Volksblatt, 18.01.1890, S. 7
 

 Februar

„Aus den ländlichen Bezirken des Wahlkreises Teltow-Charlottenburg werden unerhörte Schikanen von den Genossen berichtet. In vielen Ortschaften durften die Beaufsichtigenden Genossen gar nicht in das Wahllokal hinein. Manchem ging es noch schlimmer. So wurden 4 Mann in Rangsdorf verhaftet, nach Günsdorf (Jühnsdorf?) transportiert und dort bis ½ 12 Uhr behalten. Dann ging es mit Eskorte von acht Mann nach Zossen, woselbst unsere Genossen bis 4 Uhr verbleiben mußten. 600 Flugblätter und 1000 Stimmzettel wurden konfisziert; für die Ergreifung des ersten Flugblattvertheilers setzte der Ortsvorsteher in Günsdorf 3 M. aus. In Blankenfelde gelang es den Genossen unter mancherlei Chikannen bis ¾ 5 Uhr das Wahllokal zu behaupten. Dann wurde der kontrollirende Genosse hinaus geworfen, und als ein Anderer Einlaß begehrte, traten ihm 2 Männer mit Stöcken entgegen, und ihn der Amtmann bei der Brust packte und er weichen mußte. Vorher hatte der Amtmann vor dem Lokale Wache gehalten; einem Wähler, welcher einen ...schen Stimmzettel nahm, denselben weggenommen und zerrissen. Später äußerte er zum Chausseeaufseher: „Notiren Sie die Leute, welche Zettel nehmen, die mache ich alle brotlos.“ In Ruhlsdorf (Groß-Beeren) wurde unser Genosse aus dem Wahllokal hinausgeworfen, als er vor der Thüre Zettel vertheilen wollte, auch dort nicht geduldet. Später wurde er noch aus der Dorfschänke und mit Hunden zum Dorf hinaus gehetzt. In Rehhagen sollte unser Genosse bei der Stimmenauszählung nicht zugelassen sein. In einer Ortschaft bei Zossen wurden die Genossen aus dem Wahllokal hinausgewiesen, sodann vor dem Wahllokal vom Gendarmen verjagt; in die Schenke flüchtend, wurden sie auch dort vertrieben und auf der Chausse nach Zossen vom Gendarmen mit blanker Waffe verfolgt. In einer andern Ortschaft schritt Gendarmerie ein, wobei einer unserer Genossen ein paar Mal umgeritten wurde, eine Verrenkung der Schulter und eine klaffende Wunde am Knie davontrug. Ein allerliebstes Exemplar ist jener Förster, der an der Spitze seiner Leute vor dem Wahllokal einen Werner’schen Stimmzettel erhielt und nun sagte: „Schönes weißes Papier, aber der d’rauf steht, ist ein Königsmörder.“ ...“

Quelle: Berliner Volksblatt, 23.02.1890, S. 5
 

Februar

Aus einem Bericht über eine Versammlung in Rixdorf:
„Recht drastisch schilderte der Kandidat für Lübben, Herr Fritz Krüger, seine Erlebnisse in Zossen. Er sagte: „Ich hatte mir von den Genossen einen recht gefährlichen Posten ausgebeten, aber es doch nicht für möglich gehalten, daß ich unter den Augen des Herrn Bürgermeisters und des Wahlvorstandes wie ein fangball hin und her von einem zum andern gestoßen, zur Erde geworfen, geschlagen und mit Füßen getreten würde, bis der Bürgermeister „Halt!“ rief.“

Quelle: Berliner Volksblatt, 05.03.1890, S. 7
 

Februar

Vor der Stichwahl im Reichstagswahlkreis Teltow-Beeskow-Storkow-Charlottenburg zwischen Prinz Handjery (Konservative) und Wilhelm Werner (SPD) veröffentlicht der konservative Wahlverein einen Aufruf, in dem für den Fall eines Wahlsiegs des SPD-Kandidaten u.a. mit einer Revolution zum Sturz der Monarchie, mit der Aufhebung der Ehe und Abschaffung der Religion gedroht wird.

Quelle: TKB, 27.02.1890
 

20. Februar

Reichstagswahlen
Wahlstatistik: Bei den Reichstagswahlen wurden am 20. Februar in Zossen 441 Stimmen für Hanjery (Konservative), 74 für Richter (Freisinnige) und 105 für Werner (SPD) abgegeben. In der Stichwahl am 1. März erhielt Handjery 575 Stimmen, Werner 91.

Quelle: TKB, 29.05.1890
 

 27. Februar

Beginn des Konkursverfahrens über das Vermögen des Zossener Kalkbrennereibesitzers L. Neidholdt.

Quelle: TKB, 04.03.1890
 

5. März

Der Landrat von Stubenrauch gibt als Leiter der Wahlbehörde bekannt, dass in der Reichstagsstichwahl am 1. März 1890 der Regierungspräsident Prinz Handjery 28945 Stimmen und der Buchdrucker Werner (SPD) 22839 Stimmen erhalten hat.

Quelle: TKB, 06.03.1890
 

1. Mai

Anlässlich drohender Streiks am 1. Mai veröffentlichen nahezu alle größeren Firmen im Kreis Teltow ein Plakat folgenden Inhalts:
„Die unterzeichneten Firmen des Teltower Kreises machen zufolge gemeinsamen Beschlusses ihren Arbeitern hierdurch bekannt, daß in ihren Fabriken und Betrieben am 1. Mai,wie an einem gewöhnlichen Werktage, gearbeitet wird.
Dieselben fordern deshalb ihre Arbeiter auf, am Donnerstag, den 1. Mai pflichtgemäß zur Arbeit zu erscheinen und machen darauf aufmerksam, daß Zuwiderhandelnde auch Freitag den 2. und Sonnabend den 3. Mai zu feiern haben werden.“

Quelle: TKB, 29.04.1890
 

6. Mai

Das „Teltower Kreisblatt“ stellt in demagogischer Weise sozialdemokratische Positionen zu Ehe und Familie an und schließt: „Der Kampf gegen solche Grundsätze, wie sie die Sozialdemokratie vertritt, ist ein Kampf gegen die Zuchtlosigkeit und wenn es auch im Allgemeinen gut ist , daß sich die Frauen nicht mit Politik beschäftigen, so muß doch jede nicht in der Erziehung verwilderte Frau eine geborene Gegnerin der Sozialdemokratie sein.“

 Quelle:  TKB, 06.05.1890
 

8. Mai

Kalkbrennereibesitzer C. Krause beabsichtigt auf seinem in Zossen gelegenem Grundstück einen Kalkringofen zu errichten.

Quelle: TKB, 13.05.1890
 

Dezember

Zu Arbeitsverhältnissen in Zossen
„Wir lassen hier die Mittheilungen eines Mannes folgen, der die Wohlthat des Vereins zur Besserung entlassener Strafgefangener genossen hat und dessen Mittheilungen auch den Eindruck vollster Glaubwürdigkeit machen.

Ich schicke voraus – so schreibt der Betreffende, daß viele Hunderte von Leuten, welche – verschuldet oder unverschuldet – in ähnliche Verhältnisse gerathen waren, dieselben Erfahrungen wie ich gemacht haben. – Nach verbüßter Strafe in Plötzensee entlassen erhielt ich beim Abgang vom Pastor Jung einen Brief an besagten Verein mit auf den Weg. Da sich meine Familie (Frau und Eltern), von mir losgesagt hatten, so würde ich mit den paar Mark Arbeitsverdienst, die ich in Plötzensee erhalten, kaum etwas anfangen können; außerdem hatte ich seit neun Monaten kein Arbeitszeugnis; ich war daher bereit, jede Arbeit anzunehmen, damit ich nur wieder einen guten Arbeitsschein vorweisen konnte. Im Vereinslokal, Neue Friedrichstraße, erhielt ich den Bescheid, daß ich Arbeit in Zossen erhalten würde, in einer Zementfabrik als Schlosser. (Ich bin nämlich Schlosser.) Mittag ½ 2 Uhr hatte ich mich auf dem Anhalter Bahnhof einzufinden und bekam vorher noch eine Marke zur Volksküche.
Um die angegebene Zeit war einer der beiden Buchhalter am Bahnhof, löste Billets für mich und einige Schicksalsgenossen und händigte uns die Fahrscheine ein, als wir im Waggon waren.
Auf der Fabrik angekommen, erhielt ich keine arbeit als Schlosser; es hieß, es sei keine Stelle frei; wollte ich nicht wieder nach Berlin zurück auf eigene Kosten und die vom Verein ausgelegten 70 Pfennig Fahrgeld zurückzahlen, so mußte ich mich bequemen, Steine zu karren mit einem Anfangslohne von 16 Pf. pro Stunde. Tritt Regenwetter ein, so daß nicht im Freien gearbeitete werden kann, dann können Sie sich wohl denken, wie viel verdient wird. Hat jemand kein Geld, wenn er anfängt zu arbeiten, so sieht er sich gezwungen, Vorschuß zu nehmen, welcher von den Meistern in Blechmarken gezahlt wird, die nur der Fabrikwirth in Zahlung nimmt. Was man dort für das sauer verdiente Geld für Waare bekommt, ist leicht vorzustellen, denn der Wirth weiß ganz genau, daß der Arbeiter, welcher Marken in Zahlung giebt, gezwungen ist, bei ihm zu verkehren; ebenso wissen die Meister und der Herr Direktor um diese Zustände, die sehr geeignet sind, eine möglichst hohe Pacht vom jedesmaligen Wirth zu erhalten. Außerdem ist für die unbemittelten Arbeiter in der Art gesorgt, daß einige Baracken, denn Häuser kann man’s nicht nennen, zu Schlafstellen eingerichtet sind für je 10-20 Mann. Lager: Strohsack und wollene Decke. Mobiliar: Ofen ohne Feuerung, Preis für die Benutzung 5 Pf. pro Tag, welche am Zahltag nebst dem erhaltenen Vorschuß und Krankengeld in Abzug gebracht werden. So kann denn Jemend nach halbmonatlicher Arbeit, es ist im Monat nur zwei Mal Lohnzahlung, in die Lage kommen, nur 1 bis 2 M., vielleicht noch weniger, ausbezahlt zu erhalten. Nach 6 Wochen erhielt ich Stellung in der Werkstatt und zugleich 19 Pf., dann nach abermals 14 Tagen 20 Pf. Stundenlohn. Es hatte sich auch ein anderer Arbeiter meiner angenommen, mir etwas Geld geborgt und da ich noch ziemlich anständig in Kleidung ging, konnte ich mir eine Schlafstelle miethen. Als ich mit meiner Familie mich ausgesöhnt hatte und wieder nach Berlin kam, konnte ich nun ein letztes Arbeitszeugnis vorweisen und erhielt nunmehr auch anderweit Arbeit:“

Quelle: Berliner Volksblatt, 25.12.1890, S. 9

1891


Juni

Korrespondenzen und Parteinachrichten

„Zossen. Kürzlich tagte hier die Synode für den Kreis Zossen-Mittenwalde-Trebbin. Dieselbe nahm nach einem Vortrage des Predigers Licentiaten Mücke folgende „Leitsätze“ für die Agitation gegen die böse Sozialdemokratie an:
1. Der Gemeindekirchenrath muß der Mittel- und Sammelpunkt aller Bestrebungen der inneren Mission zur Milderung der sozialen Nothstände und zur Wiedergewinnung der Gottentfremdeten sein, weshalb er sich fleißig in seinen Sitzungen mit allen einschlägigen Angelegenheiten zu beschäftigen hat, damit seine Mitglieder zu wackeren, tapferen Helfern und Mitkämpfern des Pfarrers in diesen Beziehungen werden, also mit der Bibelsache und christlichen Presse, mit dem gesamten Vereinswesen in seinen einzelnen Verzweigungen, mit Krippenanstalt und Sonntagsschule, Jugend- und Lehrlingswesen, Armen- und Krankenpflege, Familien- Und Nächstenliebe, zur Versöhnung der Klassen- und Standesunterschiede, mit dem Verhältnis der Arbeitgeber und Arbeitnehmer zueinander, mit der Sonntagsruhe und der Sonntagsheiligung, mit Betheiligung an seelsorgerischen Hausbesuchen und öffentlichen Verantwortungen des Christenthums gegen die sozialdemokratischen Irrthümer. Hierzu sind auch die Gemeindevertreter in jeder Sitzung derselben heranzuziehen, soweit es irgend zugeht.
2. Die kirchlichen Gemeindeorgane haben sich ferner die Versorgung der lokalen Presse mit fortlaufenden Artikeln wider die Sozialdemokratie, ferner die Einrichtung und Pflege von guten Volks- und Schulbibliotheken in Städten und Dörfern, sowie die Verbreitung christlicher Sonntags-, Flug-, Arbeiterblätter und ähnlicher Schriften in ausgedehntestem Umfange angelegen sein zu lassen.
3. Der Gemeindekirchenrath muß auch die Seele des gesamten christlichen Vereinswesens in Stadt und Land zur Bewahrung der Jugend, zur Sammlung der Erwachsenen, zum Dienste der Armen und Elenden, Kranken und Schwachen, Verwahrlosten und Gesunkenen sein, und ebenso haben sich die Gemeindevertreter an allen Bestrebungen der rettenden Nächstenliebe und Barmherzigkeit fleißig zu betheiligen.
4. Die kirchlichen Gemeindeorgane haben endlich fortwährend ein wachsames Auge darauf zu richten, ob sich irgendwo in Häusern oder Familien oder in Zusammenkünften und Versammlungen von Arbeitern die Sozialdemokratie regt, und haben dann da, wo es geschieht, angemessen einzugreifen, nämlich in Häusern und Familien durch eifrige seelsorgerische Bbesuche, in den Zusammenkünften und Versammlungen der Arbeiter aber durch entschlossene Widerlegung der gottlosen Schreier und Umsturzlehren.

So sieht die Resolution aus, welche den Gläubigen im Kampfe gegen uns als Richtschnur dienen soll. Nun, schon die paar sozialdemokratischen Worte: Ordentliches Einkommen, menschenwürdige Arbeitszeit, gleiches Recht für Mann und Weib, worüber die Synode sich ausschweigt, sie haben unter dem deutschen Volke mehr Zugkraft, als der ganze langathmige Gallimathias jener „Leitsätze.“
Und ebenso windig steht es nach alter Erfahrung bei den geistlichen mit der Führung des „geistigen“ Kampfes. Er ist in der Regel so geistlos wie möglich, wovon die oben mitgetheilten „Leitsätze“ schon Zeugnis ablegen. Und sogar in die Gemeinderathssitzungen wollen sie diesen pseudo-geistigen Kampf tragen, trotzdem von Seiten der Klassengenossen der Geistlichkeit gerade jetzt, wo es sich um Aufhebung der Kornzölle handelt, immer betont wird, die Gemeindevertretungen durften sich nur mit kommunalen Sachen befassen. Religiöse Fragen sind zweifelslos keine kommunalen Angelegenheiten. Aber natürlich, in dem Fall, wenn es die Sozialdemokratie zu „vernichten“ gilt, wird‘s schon gehen. Auch die Versorgung der lokalen Presse mit Waschzetteln macht sich gut. Die Lokalpresse bringt zwar jetzt schon genug solchen Zeugs, aber das Gebrachte genügt noch nicht: die lokalen Zeitungen müssen noch dümmere Schimpfartikel gegen uns bringen, vielleicht ist dann das verlorene Terrain wieder zu gewinnen. „Es war einer, dem‘s zu Herzen ging, daß ihm der Zopf so hinten hing,“ das paßt auch hier wieder.
Nun Arbeiter und Arbeiterinnen im Kreis Zossen-Mittenwalde-Trebbin! Haltet scharf Wacht gegen die Finsterlinge! Wo es noch nicht geschehen, schließt Euch der Gewerkschafts- und der Partei-Organisation an! Die Arbeiterbewegung ist mächtig genug, Euch zu schützen, wenn man Euch um Eurer Ueberzeugung willen verfolgt. Es regt sich jetzt an allen Ecken und Enden, was der Freiheit Feind ist. Organisiert Euch, und die Gegner der neuen, lichtfreudigen Weltanschauung, unserer Religion, werden auch in Eurem Bezirke binnenkurzer Frist einsehen, daß alles, was man gegen die Sozialdemokratie unternimmt, verlorene Liebesmüh bleibt.“

Quelle: Vorwärts, 30.06.1891, S. 5

 

 September

„Lokales.

Die Kreissynode Zossen-Zossen-Mittenwalde-Trebbin hat sich vor einiger Zeit mit sozialistischer Agitation auf dem Lande beschäftigt; wir haben darüber bereits früher Mittheilung gemacht. Jetzt knüpft an die Agitation auf dem Lande in der erwähnten Gegend ein Mitglied der Kreissynode längere Betrachtungen im „Evang. Kirchl. Anzeiger“ und macht eine lange Reihe von Vorschlägen zur Bekämpfung der ländlichen Sozialdemokratie, die zwar in ihrer Gesammtheit recht kindlich und unbedenklich erscheinen, von denen aber doch einige recht interessant sind.
Zunächst wird die Ablösung sämmtlicher Stolgebühren für geistliche Amtshandlungen bei Minderbemittelten verlangt, dann Bestreitung des Mehraufwandes der Pastoren für Fuhrwerk, dessen er öfter bedürfen wird, wenn er überall da, wo sich Sozialdemokraten in seiner Parochie regen, am Platze sein soll.
Ferner wurde die Verbreitung christlicher Schriften vorgeschlagen. Die Schriftenniederlage soll in dem am meisten bedrohten Kirchspiel der Synode eingerichtet werden und jeder Pfarrer von dort aus mit der erforderlichen Zahl von Exemplaren versorgt werden, namentlich sollen das „Berliner Sonntagsblatt“ und der „Arbeiterfreund“, natürlich beide gut christlicher Tendenz, in die Höhe gebracht werden. In allen Städten und Dörfern, wo populäre Volks- und Schulbibliotheken vorhanden sind, sollen diese durch zeitgemäße und gute Schriften gegen die Sozialdemokratie vervollständigt werden. Außerdem wird Propaganda gemacht für das neue konservative Wochenblatt für den Wahlkreis Teltow-Beeskow-Storkow.
Endlich wird Förderung des Vereinswesens empfohlen, Kindergottesdienst, Katechisationen, Unterredungen mit Jünglingen und Jungfrauen, Arbeitervereine zur Pflege der Religion und Vaterlandsliebe u.s.w. u.s.f.
Das sind also die staatserhaltenden Vorschläge der frommen Herren!
Es ist doch merkwürdig, daß da die Abschaffung der Stolgebühren und die Gewährung höherer Dienstaufwands-Entschädigungen gleich an der Spitze steht. Also „Lohnerhöhung“ für die Herren Pastoren. Die Arbeiter haben in dieser Richtung immer ganz gute Erfolge durch die Bildung von Fachvereinen erzielt, vielleicht versuchen‘s die frommen Herren auch einmal auf diesem nicht mehr ungewöhnlichem Wege. „Antisozialistischer Pastoren-Fachverein der Zossen-Mittenwalder-Trebbiner Kreissynode“ klingt nicht schlecht. Aufgefallen ist es uns, daß, während die Herren so fürsichtiglich an den eigenen Säckel denken, sich kein Sterbenswörtchen in dem Programm findet über die Löhne der Arbeiter. Aber freilich, die bekommen ihren Lohn im besseren Jenseits!
Mit den weiteren Programm-Vorschlägen der frommen Herren brauchen wir uns eigentlich nicht aufzuhalten. Wir sind entschlossen, einen Pastoren-Verein zur Förderung der Sozialdemokratie in demselben Moment zu bilden, wo die frommen Herren einen irgendwie nennenswerthen oder bedeutsamen wirklichen Arbeiterverein im Bezirke ihrer Synode zusammenbekommen.
Zum Schluß sagt dann das fromme Mitglied der Zossen-Mittenwalde-Trebbiner Kreis-Synode; „Wir waren darin einverstanden, daß wir jetzt in die Versammlungen der Hetzer und Aufwiegler unmittelbar hineingehen müssen, um in diesem die Verführten von ihren abenteuerlichen Ideen abzubringen und ihnen die zukunftsstaatlichen Vorspiegelungen der Berliner Zentralleitung auszureden.- Leider finden die sozialdemokratischen Hetzereien hauptsächlich an Sonntagen statt, an denen die Prediger am meisten mit Arbeit überhäuft sind.“ -
Wir müssen sagen, daß wir diese Art der Abkanzelung eines anerkannt mächtigen und einflußreichen politischen Gegners weder für christlich noch für höflich halten. Was würden die frommen Herren sagen, wenn wir etwa in ähnlichem Sinne von pfäffischen Verdummungsversuchen, pfäffischem Eigennutz und Mißbrauch des geistlichen Ansehens und der Religion zur Unterdrückung der Arbeiter und Erreichung von Vortheilen für die Unternehmer reden wollten?
Wenn die Herren Pastoren in dieser Weise „agitieren“, so bleibt uns nichts Anderes übrig, als zu „predigen“ und da fällt uns ein, daß der weise Rabbi von Nazareth sagte: „Vergeltet nicht Böses mit Bösem und Scheltwort mit Scheltwort“, und an einer anderen Stelle: „Wie darfst Du sagen: Halt stille Bruder, ich will den Splitter aus Deinem Auge ziehen und siehe, ein Balken ist in Deinem Auge. Du Heuchler! Zeuch zuvor den Balken aus Deinem Auge und siehe alsdann zu, wie Du den Splitter aus Deines Bruders Auge ziehest!“
Nichts für ungut, Herr Pastor““

Quelle: Vorwärts, 02.09.1891, S. 5

1892

Januar

Eingang von Spenden beim „Vorwärts“

„Im Monat Januar gingen folgende freiwillige Beiträge beim Unterzeichneten ein:

Zossen die im Dunkel schwebenden Zossener 1,85.“

Quelle: Vorwärts, 04.02.1892, S. 1

 

 14. August

Das Agitationskomitee für die Provinz Brandenburg hat im Interesse einer regeren und planmäßigen Agitation die ganze Provinz Brandenburg in 6 Theile zerlegt, und jedem Berliner Wahlkreis je nach seiner Stärke einen solchen Theil zur Bearbeitung und Anleitung des Komitees zugewiesen.
Der II. Wahlkreis machte nun am Sonntag, den 14. August, nach dieser neuen Eintheilung den Anfang mit einer Agitationstour nach Zossen.
Schon vorher war strategisch das ganze Terrain zwischen Dresdener und Görlitzer Bahn genau eingetheilt, und zwar war beschlossen, daß der Angriff von zwei Seiten erfolgen sollte.
Dazu war erforderlich, die Genossen in zwei Kolonnen zu theilen.
Die 1. Kolonne, hauptsächlich bestehend aus den Genossen des „stolzen“ Westens, hatte die Aufgabe, den linken Flügel zu bilden, um von Dahlwitz aus links die ganzen Dörfer nach Zossen zu bearbeiten.
Die 2. Kolonne sollte mit der Görlitzer Bahn nach Königs-Wusterhausen und von da aus die rechte Seite – auf Zossen zu – nehmen.
Der ganze Plan war so gedacht, daß in Zossen sich beide Kolonnen vereinigen sollten, um dieses Städtchen mit vereinten Kräften zu nehmen.
Punkt 6 Uhr früh fuhr die Kolonne I vom Anhalte Bahnhof ab, um 6.40 in Rangsdorf einzutreffen. Hier wurde die Kolonne nach Übernahme des Materials aus taktischen Gründen nochmals in zwei Theile getheilt, so daß jetzt jede Unterabtheilung, ca. 50 Mann stark, 8-9 Dörfer zu besorgen hatte. Nachdem dies geschehen, setzte sich die Truppe in Bewegung; die eine nach links, die andere nach rechts.
Die Unterabtheilung A ging zunächst nach Dahlwitz zurück. Auf dem Wege dorthin trafen wir einen Pfarrer, gemüthlich in einer Kutsche nach demselben Ort fahrend. Der Herr Pfarrer war so liebenswürdig als er an uns vorbeifuhr, uns ein paar Hände voll Traktätchen zuzuwerfen, welche natürlich von den Genossen, wenn auch aus anderen Gründen, als der Pastor vermuthet haben wird, gern aufgenommen wurden. – Dahlwitz selbst besteht aus einer Domäne und einigen Kleinbauern.
Unsere Aufnahme war eine sehr gute, hauptsächlich von den Gutsarbeitern; diese schilderten uns die Verhältnisse wie folgt: Arbeitslöhne für Männer 60-70 Pf. täglich, Frauen 40-50 Pf.; Arbeitszeit von früh 8 bis Abends 10, auch 10 ½ Uhr. Die Wohnungen, gelinde gesagt, die reinen Ställe. –
Von da ab ging es nach Gr. Kienitz, Brusendorf, Kl. Kienitz. Überall dieselben traurigen Zustände für die Arbeiter und überall gute Aufnahme unserer Schriften.
Auch die Kleinbauern waren theilweise sehr empfänglich für unsere Ideen. Nur ein Amtsvorsteher in Gr. Kienitz glaubte sich dadurch besonders vor seiner Gemeinde auszeichnen zu müssen, indem er sich über den Zweck unserer Schriften der häßlichsten Ausdrücke bediente; er wurde aber von den Genossen ordentlich abgeführt.
In Kl. Kienitz wurde nach ungefähr 4stündlicher Heißer Arbeit Rendez-vous gemacht. Wir fanden hier bei einem Wirth, welcher uns gleich in der liebenswürdigsten Weise seinen Saal zur Verfügung stellte, gute Aufnahme.
Von hier aus ging es nach Theresienhof, Vorwerk und Ziegelei. Auf beiden gute Aufnahme. Die Zustände hier höchst traurig. Zur Charakterisirung einen Fall: Ein Arbeiter, welcher 50 Jahre ununterbrochen auf dem Gute gearbeitet, erhält jetzt als „Höchstlohn“ sage und schreibe pro Tag eine Mark.
Auf der Ziegelei verdienen die Leute bei einer täglichen Arbeitszeit von 16-18 Stunden drei Mark pro Tag; bekommen aber von diesem Lohn sehr wenig ausgezahlt. Zum Beispiel: Ein Arbeiter, welcher in der letzten Woche 17 Mark verdient hatte, bekam ganze – zwei Mark davon ausgezahlt, das Übrige bleibt in der Kantine, welche im Besitz des Pächters der Ziegelei ist.
Die Preise für Waaren sollen in der Kantine gerade noch einmal so hoch sein, wie in dem eine Stunde von hier entlegenen Dorfe Groß-Machnow. –
Hier dürfte also das Trucksystem in vollster Blüthe stehen!
Wir gaben den Leuten von unseren Schriften: Nieder mit der Sozialdemokratie, Teltower „Volksblatt“, Maifest-Zeitung etc. etc. Alles wurde mit Dank, ja sogar mit dem Versprechen angenommen, nächstens das Teltower „Volksblatt“ selbst zu abonniren.
Unter den glühenden Strahlen der Sonne ging es nach Groß-Machnow.
Ziemlich erschöpft kamen wir dort an. – Nachdem die Genossen, zirka 10 Mann, welche hier die Schriften zu vertheilen hatten, an die Arbeit gegangen waren, ging das Gros nach einem Gasthof, um eine kleine Erfrischung zu nehmen, und dann die arbeitenden Genossen abzulösen. Hier hatten wir den ersten unliebsamen Zwischenfall.
Wir waren vielleicht zwei Minuten in der Wirthschaft, als zwei Soldaten vom Eisenbahn-Regiment auch hinein kamen. Nun sollen den Soldaten von einem Genossen Schriften angeboten worden sein, was der Betreffende aber entschieden bestreitet. Derselbe behauptet, die Schriften nur auf den Tisch – da kein anderer frei war –, an welchem die tapferen Krieger standen, gelegt zu haben. Wir hörten nur, wie einer der Tapferen schrie, indem er die Schriften unter den Tisch warf: Wie können Sie sich erlauben, mir einen solchen Mist usw. anzubieten! Ein anderer Genosse suchte nun den jungen Krieger zu beruhigen, aber da kam er schön an. Halten Sie Ihre Schn … oder ich schlage sie gleich … usw. Um allen weiteren Auseinandersetzungen aus dem Wege zu gehen, verließen wir die Wirtschaft, um weiter zu arbeiten. Es sei hier aber ausdrücklich bemerkt, daß wir ungefähr 30 Mann stark waren, also gar keine Ursache hatten, vor diesen beiden Vaterlandsvertheidigern das Feld zu räumen.
Wir waren vielmehr der Überzeugung, daß es nicht im Interesse liegen könnte, hier gleiches mit Gleichem zu vergelten.
Kaum aber waren wir auf der Straße, so erblickten wir einen Gendarm, angethan mit dem Schwert – und Revolver, welcher unsere genossen beim Schriftenvertheilen scharf beobachtete. Diese aber nahmen gar keine Notiz von dem Gendarm und arbeiteten unverdrossen weiter. Inzwischen waren wir glücklich bis ans Ende des Dorfes angelangt. Das Auge des Gesetzes blickt immer zorniger drein! Da freudiges Aufblitzen der Augen des Gewaltigen. – Jedoch nur für einen Augenblick! – sofort wird das Gesicht wieder in strenge Falten gelegt. – Die Amtsmiene aufgesetzt. – Ein Sprung –, und er steht an der Seite eines Genossen. Wild rollen seine Augen, – der martialische Schurrbart sträubt sich. – „Wie können Sie sich unterstehen, sich hier einzumischen! – Gehen Sie weg! – Hier habe ich für „Ruhe und Ordnung“ zu sorgen!“
Als nun „Ihm“ – dem Gendarm – der Genosse ruhig erwiderte, daß er hier auf der Straße dasselbe recht habe, wie der Gendarm, wurde der Mann noch rabiater. Gehen Sie weg von hier! Drei Schritt vom Leibe!“ – – „Sie …, Sie! – oder“ – und dabei griff er nach seinem Gürtel, – besann sich jedoch schnelle eines Besseren und – ließ „Hahn in Ruh.“ – – Der betreffende Genosse trat ruhig „drei Schritt“ zurück, aber unter der ausdrücklichen Bedingung, daß der Herr Gendarm nun auch gefälligst auf seinem Platz stehen bleiben und nicht wieder vortreten sollte, um dieselbe Aufforderung zu wiederholen.
Von dieser Entfernung aus mußte auch der Mann der „Ordnung“ – von den Genossen sich sagen lassen, daß nicht „Er“-- der Gendarm – sondern wir für Ordnung eingetreten wären. Nachdem ihm die nöthige Rechtsbelehrung zu Theil geworden, ging es unter den Klängen unseres alten Kampfliedes zum Dorfe hinaus, zum nicht geringen Ärger der bewaffneten Macht, welche sich noch durch die beiden Vaterlandsvertheidiger, die sich in der Wirthschaft vorher so rüpelhaft betragen hatten, verstärkte, die aber jetzt – trotz der Aufforderung der Gendarmen, sich doch den „Kerl“ herauszusuchen – nicht den Muth dazu fanden.
Was aber gab Veranlassung zu diesem Renkontre? – nichts geringeres, als daß zwei Genossen auf den Hof des letzten Hauses gingen, dort von dem Eigenthümer desselben, dem Ortsschulzen heruntergejagt wurden. Trotzdem die Genossen den Hof sofort verlassen wollten, machte der Schulze Skandal.
Hier glaubte nun der Gendarm eingreifen zu müssen, der betreffende Genosse kam ihm aber zuvor, indem er die Genossen aufforderte, sich nicht mit diesem Herrn einzulassen, sondern ruhig den Weg fortzusetzen. Das paßte aber dem Gendarm ebenso wenig wie dem Ortsschulzen, daher die oben geschilderte Wuth gegen den Genossen. Es zeigt sich auch hier mal wieder recht drastisch, wie leicht Konflikte entstehen. Hier ist also Ruhe und Vorsicht doppelt am Platze. Wir dürfen uns gerade bei unserer Landagitation durch nichts bewegen lassen, Dummheiten zu machen, welche in gewissen kreisen gar zu gern gesehen, ja erwünscht werden, damit die „Flinte schießt, der Säbel haut“. Man würde weiter solche Vorkommnisse dazu benutzen, die armen Landbewohner vor uns graulich zu machen.
Von Gr. Machnow ging es nach Dabendorf und von dort auf die Hauptfestung Zossen, wo wir um 4 ½ Uhr völlig in Schweiß gebadet ankamen, d.h. ohne Material. Wir mußten aus diesem Grunde unterlassen, die Stadt in Angriff zu nehmen. Wir suchten uns nun einen schattigen Ort, um uns durch Speise und Trank von den Strapazen einigermaßen zu erholen. Gleich darauf rückte lebhaft von den Genossen der Abth. A begrüßt, die Abth. B unter dem Gesang der Marseillaise in unser Biwak ein. Auch die Abth. B hatte trotz der glühenden Hitze ihr ganzes Material ohne Zwischenfälle auf ca. 9 Dörfer vertheilt. Nach und nach rückte auch die Abtheilung der Kolonne II ein. Auch diese hatte die gleiche Zahl von Dörfern außer den beiden Städten ohne Störung mit Schriften belegt. Nur war diese Kolonne auf polnische Arbeiter gestoßen, ohne für diese Material zu haben. Es dürfte sich also in Zukunft empfehlen, auch polnische Literatur zur Agitation mitzunehmen. Nach kurzer Rast ging es zur Bahn, um die Rückreise anzutreten.
Eine kleine Zahl aus dem „Westen“, Kolonne I, benützte trotz der großen Müdigkeit die kurze Zeit bis zum Abgang des Zuges in Zossen selbst Verbindungen anzuknüpfen. Nach längerem Hin- und Herfragen und Laufen gelang es endlich, ein paar Leute aufzutreiben. Diese versprachen denn auch nach kurzer Besprechung alles aufzubieten, damit auch in Zossen bald eine recht große Anzahl von Sozialdemokraten zu verzeichnen sind.
Da nun der Bahnverkehr von Zossen ein sehr mangelhafter ist, so übernahm es die Militärbahn des kgl. Eisenbahn-Regiments, die bösen Sozialdemokraten, die Umstürzler, in der liebenswürdigsten Weise nach Berlin zu befördern. Aus diesem Grunde ist vielen genossen, welchen früher die Nützlichkeit der Militärbahn nicht einleuchten woöllte, ein großes Licht aufgegangen. Wenn wir nun das Fazit des ganzen Tages ziehen, so können wir mit dem Resultat wohl zufrieden sein. Die Unzufriedenheit ist überall so groß, daß es nur einer richtigen Agitation bedarf, um die Leute für uns zu gewinnen. „Kommt nur recht bald wieder und bringt uns was zu lesen“, so klang es uns überall zum Abschied nach. Die Leute sind wirklich so arm, daß sie nicht in der Lage sind, sich Schriften kaufen zu können.
Auffallend war das Entgegenkommen der Frauen, welche manchen Mann beschämten.“

Quelle: Vorwärts, 17.08.1892, S. 5

 

August

Die Maurer von Steglitz, Friedenau und Umgegend wollen gegen den Einsatz Zossener Maurer auf einer Baustelle in Südende vorgehen. Sie beschließen in nächter Zeit eine Agitationsfahrt nach Zossen zu unternehmen und dort eine Versammlung abzuhalten.

Quelle: Vorwärts, 18.08.1892, S. 8

 

1893

21. Mai

„Eine Agitationspartie nach Zossen unternahmen am ersten Pfingstfeiertage eine Anzahl Berliner Genossen, um auch in dieses Nest des Konservatismus Bresche zu legen. Schon in der frühesten Morgenstunde war man, mit dem nöthigen geistigen Material versehen, dahin aufgebrochen, und kein Eckchen und Winkelchen blieb unerspäht, alles wurde von den verd … Sozi mit Flugblättern, Zeitungen etc. belegt. Und wie freudig und mit welcher Begierde wurde nach allem gegriffen, was man ihnen, den ausgebeuteten Zossener Proletariern, anbot, und lange, bevor mancher trockener Philister und satte Bourgeois sich den Schlaf aus den Augen rieb, hatte der Zossener Landmann und Proletarier bereits das sozialdemokratische Frühstück verdaut. Von allen, ob Kleinhandwerker, Fabrikarbeiter oder Landmann, vernahm man dieselebn Klagen, dasselbe Hoffen von der Befreiung der Last des kapitalistischen Knechtthums. Und aus den Gesprächen, die die Genossen mit den Ärmsten dieser Armen anknüpften, konnte man so recht erfahren, welche schmachvollen Mittel mitunter von den Ausbeuteren angewandt werden, um die Arbeiter gefügig zu machen. „Wählst Du anders, als wie ich es Dir befehle, bist Du entlassen!“ heißt es da einfach; handelt der Arbeiter trotzdem anders, dann bekommt er die Hungerpeitsche zu fühlen. Könnten die Zossener Arbeiter nach ihrem freien Willen handeln, wir sind überzeugt, das Schwarz daselbst würde mit einem Male in Rozh verwandelt.“

Quelle: Vorwärts, 26.05.1893, S. 6

 

15. Juni

Reichstagswahlen
In der Hauptwahl erhalten in Zossen die Konservativen 270 Stimmen, die Freisinnigen 196 Stimmen, die Sozialdemokraten 139 und die Antisemiten 79 Stimmen. In der Stichwahl erhält der konservative Kandidat 510 Stimmen, Zubeil (SPD) 177 Stimmen. Zubeil gewinnt den Wahlkreis. Die SPD wird stärkste Partei.
Laut „Vorwärts“ erhielt der Konservative Ring in der Stichwahl in Zossen 518 Stimmen, Zubeil 175.

Quelle: Paul Hirsch: Die Sozialdemokratie im Wahlkreise Teltow-Beeskow-Storkow-Charlottenburg, Charlottenburg 1908, S. 9; Vorwärts, 26.06.1893, S. 3

 

Juni

Gepanschte Milch in Berlin wurde bereits von den Bauern verfälscht:

„Nachdem kürzlich von dem hiesigen Landgericht II mehrere Kladower Bauern wegen Milchverfälschung zu erheblichen Strafen verurtheilt wurden, haben ähnliche Prozesse vor den Landgerichten zu Zossen [gemeint ist das Amtsgericht.-- K.L.] und Frankfurt a.O. stattgefunden. In Zossen befanden sich 12 Bauern aus dem Dorfe Fern-Neuendorf auf der Anklagebank, weil sie nach dem Gutachten der beiden Gerichtschemiker, Dr. Bischoff und Dr. Jeserich, verfälschte Milch an ihre Berliner Pächter geliefert hatten. Während zwei der Angeklagten empfindlich bestraft wurden, schlüpften die übrigen durch, weil das Gericht nicht für erwiesen heilt, daß sie selbst die Verdünnung mit Wasser vorgenommen hatten. ...“

Quelle: Vorwärts, 20.06.1893, S. 7

 

24. September

„Kummersdorf bei Zossen. Hier tagte am 24. September die erste sozialdemokratische Versammlung in der Wohnung des Schneidermeisters Wisianowski. Die Versammlung war von ungefähr 200 Personen besucht und folgte mit regem Interesse den Ausführungen des Reichstags-Abgeordneten Fritz Zubeil, der eine eingehende Schilderung über die letzte Reichstagssession gab. Besonders ausführlich besprach Redner die neuen Steuerprojekte der Regierung. In der Diskussion empfahl Körtsen den Anwesenden das Abonnement des Teltower „Volksblattes“ und beleuchtete des Näheren die landwirthschaftlichen Verhältnisse und die Lage der Landarbeiter. Nach einem Schlußwort des Referenten, das eine eingehende Erläuterung des Wahlgesetzes darbot, stimmte die Versammlung begeistert in ein Hoch auf die Sozialdemokratie ein.“

Quelle: Vorwärts, 29.09.1893, S. 7

1894

Januar

„Die kleinen Plänkeleien, welche von unseren Parteigenossen mit den Behörden ausgekämpft werden müssen, dienen höchstens dazu, die Kraft derselben zu stählen, obgleich also die unaufhörlichen Quängeleien der Polizei, namentlich in den kleinen Orten, momentan wohl hindernd auf die Bewegung einwirken, vermögen sie auf die Dauer die sozialdemokratische Hochfluth nicht zu hemmen. In Kummersdorf, Kreis Teltow, sollte im September v. J. Eine öffentliche Volksversammlung stattfinden; dieselbe wurde aber vom Amtsvorsteher verboten, weil „Störung der öffentlichen Ordnung“ zu befürchten sei. Der Regierungspräsident zu Potsdam, bei dem Beschwerde eingereicht worden war, antwortete, daß das Verbot nicht zu billigen sei, da die an sich nicht unbegründete Befürchtung, daß es in der angemeldeten Versammlung zu eine Störung der öffentlichen Ordnung kommen könne, ein Verbot der Versammlung von vornherein nicht rechtfertige. Nach Empfang dieses Bescheides wurde sofort eine neue Versammlung in Mellen einberufen. Ein hauswirth stellte zu diesen Zweck 3 leerstehende Zimmer zur Verfügung. Der Bürgermeister von Zossen hatte nun nichts Eiligers zu thun, als diesen Übelthäter, der es wagte, in seiner Behausung sozialdemokratische Versammlungen stattfinden zu lassen, die Hypothek, welche die Stadt Zossen ihm geliehen hatte, zu kündigen. Der Mann nahm die Kündigung an und die Versammlung hat am letzten Sonntag bei sehr starkem Besuche von Männern und Frauen dochstattgefunden. Der laute fortwährende Beifall bewies uns, wie sehr das Verständnis für unsere Idee vorhanden ist und Genosse Zubeil hatte es auch in einem zweistündigen Vortrage über unser Programm sehr gut verstanden, die Masse zu begeistern. Zum Schluß wurden noch für Zossen, Mellen und Kummersdorf je eine Vertrauensperson gewählt, in Zossen selbst ist leider noch kein Lokal für uns zu haben. Mit einem brausenden Hoch auf die internationale Sozialdemokratie gingen die Anwesenden auseinander.“

Quelle: Vorwärts, 30.01.1894, S. 5f

 

 August

Für das Tölcke-Denkmal zahlt W. Bänisch aus Zossen 8,30 M.
(Carl Wilhelm Tölcke war Führer der Dortmunder Sozialdemokraten, die 1893 erstmals in den Reichstag einzogen. Tölcke starb am 30.11.1893.)

Quelle: Vorwärts, 12.08.1894, S. 7

1895

Mai

„Dürfen Sozialdemokraten Geburtstagsfeste feiern und das von ihnen getrunkene Bier bezahlen?

Der Arbeiter Ebel feierte in seiner Behausung zu Zossen im Januar d. J. seinen geburtstag im Kreise mehrerer Bekannten. Bei dieser Gelegenheit empfahl sein Gast Bähnisch das „Volksblatt für Teltow-Beeskow“ zur Lektüre. Vor dem Auseinandergehen veranstalteten die Geburtstagsgäste eine Tellersammlumng zur theilweisen Schadloshaltung des Geburtstagskindes für das von diesem gespendete Bier. In diesem Vorgehen erblickte das Schöffengericht zu Zossen unter Vorsitz des Amtsrichters Semmler und unter Beisitz zweier Unternehmer: die Veranstaltung einer Versammlung zur Berathung und Erörterung öffentlicher Angelegenheiten und das Veranstalten einer öffentlichen Kollekte. Da diese „Versammlung“ nicht polizeilich angemeldet war, erblickte das Gericht ferner in der Abhaltung der Geburtstagsfeier einen Verstoß gegen das preußische Vereinsgesetz. Deshalb wurde das Geburtstagskind und sein Gast Bähnisch mit je 50 Mark Geldstrafe belegt. Zur Begründung findet sich folgender Passus im Urtheil: „es kann keinem Bedenken unterliegen, daß die von Ebel veranstaltete Versammlung nicht lediglich den Zweck einer einfachen Geburtstagsfeier hatte, und zwar schon aus dem Grunde, weil Leute vom Stande des Angeklagten nicht eine so große Zahl ihnen ferner stehende Leute, denen sie lediglich Zeitungen zutragen, einzuladen pflegen.“ Die beiden verurtheilten Missethäter haben trotzdem erhebliche Bedenken, daß Arbeitern nicht erlaubt sei, Geburtstagsfeste zu feiern wie sie wollen. Sie haben deshalb die Entscheidung darüber, ob die Feststellung des Vorderrichters mit dem Vereinsgesetz und mit der preußischen verfassung vereinbar sei, durch Einlegung der Berufung dem Landgericht II unterbreitet. In der Verfassung steht, daß alle Preußen vor dem gesetz gleich seien und das Standesvorrechte nicht stattfinden. Der Arbeiter Bähnisch ist durch das Gericht überdies mit noch 10. M. Strafe belegt, weil er durch den Versuch der Bezahlung des von ihm getrunkenen Bieres die Polizeiverordnung vom 7. Januar 1891 verletzt habe, „deren Giltigkeit Bedenken“ nach Ansicht des Schöffengerichts „nicht unterliegt“. Diese Verordnung ist etwa 50 Mal seitens des Landgerichts II und seitens des Kammergerichts für rechtsungiltig erklärt. Und dennoch bestehen Bedenken gegen deren Giltigkeit nicht? Allerdings der Strafsenat des kammergerichts zählte damals noch nicht drei Herren zu seinen Mitgliedern, die vor ihrer Berufung an das Kammergericht nur Staatsanwälte waren.“

Quelle: Vorwärts, 12.05.1895, S. 8

 

Juli

Die Berufs- und Gewerbezählung für Berlin und Umgebung ergibt: "…
Zossen 3952 Einwohner, 2093 männl., 1859 weibl."

Quelle: Vorwärts, 26.07.1895, S. 6

 

18. August

„Cummersdorf. Eine öffentliche Volksversammlung fand am Sonntag, den 18. August, in Cummersdorf bei Zossen statt. Genosse Köster referirte über das gleiche Recht für Alle und fand den Beifall der anwesenden Frauen und Männer. Zum Schluß besprach er den jetzigen patriotischen Rummel. Es meldete sich dann ein Lehrer (Warnke) aus Sperenberg, einem Dorf bei Cummersdorf, zum Wort. Als er den Drill beim Militär verteidigte, da zeigte es sich, wie weit ihm die Anwesenden recht gaben. Wir mußten alles thun, um sie zu beruhigen, er ließ es sich auch nicht nehmen, vieles von den glorreichen Thaten, von der Verteidigung von Haus und Hof der Arbeiter zu reden. Als der Referent ihm klarlegte, daß Haus und Hof doch nur noch ein Scheinbesitz wäre und die meisten Besitzer sich nur für die Zinsen quälen müßten, in Wirklichkeit aber der Geldgeber Besitzer wäre, da bewies das laute Bravo der Anwesenden, wie recht der Referent hatte. Der Herr Lehrer sprach auch von den Kremser fahrenden Berliner Arbeitern und tadelte diesen Luxus, doch schien ihm ein Tausch mit den Steinträgern nicht rathsam zu sein. Als alles nicht zog, mußten die alten Lügen von der freien Liebe, von den auf Kosten der Arbeiter schwelgenden sozialdemokratischen Abgeordneten herhalten, auch daß wir dem Volke alles versprechen und nichts halten können usw. Als auf die bodenlosen Lügen hingewiesen wurde, wußte der Herr darauf nichts zu erwidern. Weolchen Anklang der Lehrer bei den Versammelten fand, wird wohl am besten dadurch gekennzeichnet, daß einer der anwesenden Arbeiter ihm sagte, er solle „man alles bie sich behollen und in Sperenberg utschidden“. Wir glauben nicht, daß der Herr Lehrer es noch zum zweiten Male wieder wagen wird, die Arbeiter vor der Sozialdemokratie gruselig zu machen. Mit dem Erfolg der Versammlung können wir nur zufrieden sein. Die Versammlung mußte wegen Mangel eines Saals in der Wohnung eines Genossen stattfinden; auf dem Hof desselben zu stehen war verboten, wogegen Beschwerde erhoben ist. Die Wirthe versichern auch hier, daß sie blos die Furcht vor der Polizei und vor darauffolgendem militärverbot abhält, ihre Säle zu gebe.“

Quelle: Vorwärts, 29.08.1895, S. 11

 

September

„Für die Familien der im Essener Meineidsprozeß Verurtheilten gingen bei uns ferner ein: … Kowalski, Zossen, 2,95. ...“

Quelle: Vorwärts, 01.09.1895, S. 6

1896

15. Januar

Die Stadtverordnetenversammlung beschließt die Errichtung eines Bismark-Denkmals im Park der Stadt Zossen. Zum Denkmal soll der 1895 auf dem Kirchhof in Zossen gefundene Granitblock dienen.

Quelle: TKB, 17.01.1896
 

20. Januar

Im „Deutschen Haus“ wird die 25-Jahrfeier der Wiedererrichtung des Deutschen Reichs gefeiert.

Quelle: TKB, 23.01.1896
 

22. März

Die Maschinenfabrik H. Reiche bietet Drillmaschinen an.

Quelle: TKB, 22.03.1896
 

25. März

Das Kreiskrankenhaus in Zossen wird eröffnet.

Quelle: TKB, 27.03.1896, S. 1
 

2. Mai

Laut Volkszählung vom 2. Dezember 1895 verfügt Zossen über 315 bewohnte Häuser mit 911 Haushalten. In der Stadt leben 3931 Einwohner, davon 2045 männliche und 1886 weibliche. 1890 lebten in Zossen 3699 Einwohner.

Quelle: TKB, 14.05.1896, S. 1
 

12. Mai

Im Zusammenhang mit dem Friedensfest aus Anlass des 25ten Jahrestages des Sieges über Frankreich von 1871 wird der „hierorts herrschende Patriotismus“ hervorgehoben.

Quelle: TKB, 14.05.1896
 

 28. Mai

Nach dem Verlust des des Wahlkreises bei der Reichstagswahl an die SPD führt der konservative Wahlverein für den Wahlkreis Teltow-Beeskow-Storkow-Charlottenburg seine erste Generalversammlung durch. U.a. wird der Neuaufbau des Vereins besprochen. Der Verein setzt sich aus 50 Bezirken mit je einem Obmann zusammen. Die leitenden Geschäfte führt ein Arbeitsausschuss der mit den Obmännern in reger Verbindung steht. Der Wahlverein verfügt nach einem Defizit 1894 über 1169 M.

Quelle: TKB, 30.05.1896

1897

Juni

„Christlich-germanische Gastfreundschaft. Der Hauptmann Spiekermann hat, wie der „Berl. Ztg.“ mitgetheilt wird, am Thorweg seines Gutshofes zu Rangsdorf bei Zossen ein großes Schild anbringen lassen mit der Aufschrift: Juden ist der Eintritt bei Strafe streng verboten. Aber auch arischen Ausflüglern ist es nicht zu empfehlen, ihre Schritte in die Spiekermannschen Gefilde zu lenken, denn der ganze Wald bei Rangsdorf darf auf Anordnung des Herrn Hauptmann von niemand betreten werden.“

Quelle: Vorwärts, 18.06.1897, S. 7

 

Oktober

Das Hoch auf die Sozialdemokratie muß für die Staatsanwälte immer noch tapfer herhalten, um den groben Unfugsparagraphen in Mitleidenschaft zu ziehen. Früher war für diese Beamtenkategorie nur die revolutionäre Sozialdemokratie ein mit dem berühmten § 360 zu sühnendes Delikt; nunmehr aber ist ihr schon die hochlebende Sozialdemokratie an sich ein Wesen, das beunruhigt. Auch ein Fortschritt in der staatsanwaltlichen Weltanschauung. Am Montag dieser Woche mußte sich unser Parteigenosse F. Masuch aus Schöneberg vor dem Schöffengericht in Zossen verantworten. Unser Genosse hatte am 11. Juli d. J. in Cummersdorf eine Versammlung zu leiten; er schloß dieselbe ordnungsgemäß mit einem Hoch auf unsere Kulturbewegung. Die Folge war eine Anklage; in der Hauptverhandlung am Montag wollte der Staatsanwalt das Hoch mit nicht weniger als hundert Mark bestraft wissen. Der Gerichtshof fällte nicht allein ein freisprechendes Urtheil, sondern legte auch die persönliche Unkosten, die unserem Parteigenossen erwachsen waren, der Staatskasse auf. Das Hoch auf die Sozialdemokratie sei in einer Versammlung ausgebracht worden, welche in einem geschlossenen Raum abgehalten worden ist. Wer aber in eine sozialdemokratische Versammlung dieser Art gehe, könne sich denn doch nicht gut durch ein solches Hoch beunruhigt fühlen, weil er wissen müsse, dasß er derartiges in dem in betracht kommenden Falle zu gewärtigen habe.“

Quelle: Vorwärts, 15.10.1897, S. 7

1898

1. Februar

„Wegen Milchpanscherei ist der Milchhändler Karl Wegener aus Rehagen bei Zossen gestern von der dritten Strafkammer am Landgericht II zu vier Wochen Gefängnis verurtheilt worden.“

Quelle: Vorwärts, 02.02.1898, S. 8
 

18. März

Märzfeiern
...
„Aus Zossen wird uns eine recht humorvolle Polizeithat mitgetheilt. Ein dortiger Parteifreund hatte einen Kranz mit entsprechender Inschrift bestellt und den Betrag für die Spende unter Bekannten gesammelt. Der Gärtner – wohl ein sehr ängstlicher Herr – wollte sich zur Anfertigung der Arbeit erst die Zustimmung der Polizei einholen. Der Zossener Polizei muß aber die Sache höchst bedenklich erschienen sein, den sie konfiszierte das beim Gärtner angezahlte Geld und hielt in der Wohnung des Auftraggebers eine Haussuchung ab. Jetzt hat sie ihn sogar mit einem Strafmandat in Höhe von 5 M. beglückt. Darüber wird sie wohl eines anderen belehrt werden. Schließlich sei bemerkt, daß trotzdem der Kranz niedergelegt wurde, wenn er auch nicht einer Zossener Gärtnerei entstammmte.“

Quelle: Vorwärts, 22.03.1898, S. 5
 

10. April

Ins Handelsregister des Amtsgerichts Zossen wir die Firma H. Reiche Maschinenfabrik und Eisengießerei zu Zossen eingetragen. Inhaber ist der Zossener Maschinenfabrikant Hermann Reiche. Dem Kaufmann Theodor Kloft aus Zossen wurde Prokura erteilt.
Aus einer Öffentlichen Zustellung vom 3. Dezember 1906 wird deutlich, dass sich Reiche stark verschuldet hatte und untergetaucht war. Zu diesem Zeitpunkt gehörte ihm das Grundstück Zossen Band XXII, Blatt 819.

Quelle: Reichsanzeiger, Nr. 1898; Reichsanzeiger, Nr. 288/1906, S. 7
 

11. April

Auf dem 3. Provinzial-Verbandstag der zentral organisierten Zimmerer in der Provinz Brandenburg sind 32 Zahlstellen durch 37 Delegierte vertreten. Im Vorfeld hatte sich die Agitationskommission an Gewerkschaftsmitglieder in Orten ohne Zahlstelle gewandt, um dort Zahlstellen zu gründen. Zu diesen Orten ohne Zahlstelle gehören Soldin, Küstrin, Prenzlau, Zossen u.a.

Quelle: Vorwärts, 14.04.1898, S. 7
 

16. Juni

Reichstagswahlen
In der Hauptwahl verlieren die Sozialdemokraten in Zossen Stimmen und erhalten 92, die Konservativen erhalten 457 Stimmen, die Antisemiten 12, die Freisinnigen 37 und auf Splitterparteien entfallen 5 Stimmen. In der Stichwahl erhält Zubeil SPD 115 Stimmen, der konservative Superintendent a.D. Vorberg 622 Stimmen. Zubeil gewinnt trotzdem den Wahlkreis wieder.

Quelle: Paul Hirsch: Die Sozialdemokratie im Wahlkreise Teltow-Beeskow-Storkow-Charlottenburg, Charlottenburg 1908, S. 9
 

10. August

„Zossen. Bekanntmachung.
In unser Firmenregister ist heute unter Nr. 26 die Firma H. Reiche Maschinenfabrik und Eisengießerei zu Zossen und als deren Inhaber der Maschinenfabrikant Hermann Reiche ebenda eingetragen worden.
Zossen, den 10. August 1898
Königliches Amtsgericht.
SchulzeEinen Tag später wurde dem Zossener Kaufmann Theodor Klost für die Firma Prokura erteilt..“

Quelle: Reichsanzeiger, Nr. 195/1898, S. 8

1899

21. September

In Schöneberg tagte am Donnerstag eine von den Genossinnen einberufene Volksversammlung. Vor Eintritt in die Tagesordnung gedachte die Vorsitzende der kürzlich verstorbenen, tüchtigen und thätigen Parteigenossin Frau Mehnert in Zossen. Hierauf nahm Lily Braun das Wort zu einem Vortrage über „Die Stellung der Frau in der Arbeiterbewegung“. Die Rednerin setzte auseinander, wie die Frauen infolge der industriellen Entwicklung in immer steigendem Maße zur Erwerbsarbeit gedrängt wurden, sie erinnerte dann an die politische Rechtlosigkeit der Frauen und besprach die Drangsalierungen, welche die proletarische Frauenbewegung seither durch die Behörden erfahren hat. Man fürchte auf seiten der herrschenden Klassen nichts so sehr als die Aufklärung der Frauen. Aber auch in jedem Arbeiter, seolbst den socialdemokratischen, stecke gegenüber den Frauen noch ein Stück vom Philister. (Sehr richtig.) Die Bewegung der Arbeiterinnen decke sich leider nicht mit der Arbeiterbewegung. Die Männer fördern die gewerkschaftlichen Bestrebungen der Frauen nicht in wünschenswerter Weise. Teils weil sie in den Frauen unbequeme Konkurrentinnen sehen, andernteils – und im Hinblick auf das Verhalten der Behörden mit einer gewissen Berechtigung – weil sie in der Beteiligung der Frauen an den gewewerkschaftlichen Organisationen eine Gefährdung der letzteren erblicken. Die Männer sollten bedenken, daß der Lohndrückerei durch die Frauen ein Riegel vorgeschoben werde, wenn die Frauen aufgeklärt und zur gewerkschaftlichen Bewegung herangezogen werden. Aber auch auf politischem Gebiet erfahre die Frauenbewegung seitens der Arbeiter nicht die gebührende Förderung. Die Vernachlässigung der Aufklärung sei9 aber ein bedeutendes Hindernis der politischen Bewegung überhaupt, denn wenn es erst so weit sei, daß die Frauen das Stimmrecht bekommen und wenn sie dann, weil sie unaufgeklärt sind, ihre Stimmen zu Gunsten der Reaktion abgeben, dann würden es die Arbeiter bereuen, daß sie nicht bei Zeiten für die Aufklärung der Frauen Sorge getragen haben. Um der gemeinsamen Sache willen brauchen wir die Hilfe der Frauen. Wenn die Männer in den Frauen gleichwertige Mitkämpferinnen sehen, dann werde der bedauerliche Zustand schwinden, daß es innerhalb der Arbeiterbewegung noch eine gesonderte Frauenbewegung giebt. Der gesonderten Frauenbewegung in unserer Partei ein Ende zu machen und gemeinsam für die große Sache zu kämpfen, daß müsse unser Ziel sein. Ein Schritt zu diesem Ziel sei der dem Parteitag eingereichte Antrag , wonach weibliche Delegierte nicht mehr in besonderen Frauenversammlungen gewählt werden sollen. Die Rednerin ersuchte die Delegierten des Kreises, diesen Antrag zu vertreten, und bemerkte zum Schluß, die Zukunft der Socialdemokratie werde zum großen Teil davon abhängen, daß Frauen und Männer, alles kleinliche Gezänk vergessend, Hand in Hand für das gemeinsame Ziel kämpfen. (Lebhafter Beifall.) Dem Vortrage folgte eine rege Diskussion. Eine Rednerin vertrat unter Anführung verschiedener Einzelfälle aus ihrem Bekanntenkreise die Meinung, daß es unter den socialdemokratischen Arbeitern noch viele gebe, die ihrer eigenen Frau nicht die Stellung einer gleichberechtigten Genossin einräumen. Obst legte gegen diese Auffassung Verwahrung ein und meinte, wer seine Frau so behandle, wie es die Vorrednerin hinstelle, der sei kein aufgeklärter Parteigenosse. Übrigens müsse man bedenken, daß Charakterunterschiede, Familienverhältnisse und dergleichen oft die Ursache eines unharmonischen Verhältnisses zwischen Ehegatten seien. Franke führte dagegen aus, daß Parteigenossen sich oft nicht Mühe geben, die eigene Frau aufzuklären. Lily Braun bemerkte in ihrem Schlußwort: Erst wenn der Mann die Frau nicht mehr bloß als Weib, sondern als Genossin und Freundin im tieferen Sinne des Wortes betrachte, werden beide Geschlechter gemeinsam den Kampf für die Befreiung des Proletariats führen können.“

Quelle: Vorwärts, 24.09.1899, S. 9

 

31. Dezember

1899 hatte die Zahlstelle Zossen des Zentralverbandes der Maurer Deutschlands 120 Mitglieder.

Quelle: Der Grundstein, 14.04.1900, S. 14

1900

Zossen beteiligt sich an der Gewerbeausstellung 1896 in Berlin mit einem Aussteller, der „Adler Deutsche Portland- und Zementfabrik“.

Quelle: Cremer, Christoph Josef (Hrsg.): Das gewerbliche Leben im Kreis Teltow, Berlin 1900

 

Die Firma Franz Oertel Kalkbrennerei und Cementfalzstein-Fabrik in der Wasserstraße 2 ist seit 1880 im Besitz von Franz Oertel. Zunächst erfolgte in zwei Öfen die Kalkbrennerei. Später kam noch die Zementfalzstein-Fabrikation (Dachsteine) nach dem Patent des Direktors der Deutschen Portland-Cementfabrik Müller hinzu. Die Jahresproduktion an Kalk betrug um 1900 40000 bis 80000 Ztr. Für einen Tagelohn von 2 Mark 50 und zusätzlichen Naturalien arbeiten hier 15 Arbeiter.

Quelle: Cremer, Christoph Josef (Hrsg.): Das gewerbliche Leben im Kreis Teltow, Berlin 1900, S. 259f.

 

Berichte über die Berliner Industrie

In dem kürzlich erschienenen zweiten Teile des Berichts der Ältesten der Berliner Kaufmannschft über Handel und Industrie in Berlin werden in einigen Specialberichten in betreff der Arbeiterverhältnisse Angaben gemacht, die nicht den thatsächlichen Verhältnissen entsprechen.
Seite 88 heißt es über die Cementfabrikation: „Die Preise für Cement waren im Jahre 1899 um ein Geringes höher, als im Vorjahre. Die Erhöhungen wurden aber fast gänzlich absorbiert durch sehr hohe Kohlepreise und eine außerordentliche Steigerung der Arbeitslöhne, welches besonders in Rüdersdorf erheblich fühlbar wurde, weil dort sich eine neue Cementfabrik im Bau befindet, welche der alten viele Arbeitskräfte entzog. Es wurden im Durchschnitt in Rüdersdorf und Zossen von dem erwachsenen Vollarbeiter bei Zehnstündiger Arbeitszeit 2,80 M. im Tagelohn verdient, während bei Accordarbeit über 3,25 M. Arbeitsverdienst erziehlt wurden.“
Daß seit dem Vorjahr in der Rüdersdorfer Cementfabrikation eine „außergewöhnliche Steigerung“ der Löhne gar nicht stattgefunden hat, ergiebt sich aus dem eignen Bericht der Ältesten über das Jahr 1898, in dem auf Seite 115 vermerkt ist, daß die Arbeitslöhne der Rüdersdorfer Portland-Cementfabriken für Tagelöhner bei zehnstündiger Arbeitszeit 2,75 M. und der Verdienst der Vollarbeiter 3 M. betrage. Aber die Fabriken erzielten 1899 noch weit größere Reingewinne als 1898. Für die wesentlich in Betracht kommende Aktiengesellschaft „Adler betrug dieselbe:
1896 254779,43 M
1897 399891,60 M
1898 495760,46 M
1899 850930,08

und die gezahlte Dividente betrug:

1895 4 ½ Prozent
1896 8 ½ Prozent
1897 10 Prozent
1898 14 Prozent
1899 25 Prozent

Die Preiserhöhung ist also nicht „fast“ gänzlich durch die Arbeitslöhne absorbiert worden.“

Quelle: Vorwärts, 06.07.1900, S. 9

  

31. Dezember

1900 hatte die Zahlstelle Zossen des Zentralverbandes der Maurer Deutschlands 114 Mitglieder.

Quelle: Der Grundstein, 06.04.1901, S. 15

1901

8. April

„Zossen. Nach langem Bemühen ist es uns endlich gelungen, den Anschluß an die Zimmerer Deutschlands zu vollziehen. Am 8. April fand die erste Zimmererversammlung statt. Kamerad Knüpfer aus Berlin sprach über: „Zweck und Augen des Verbandes.“ Nach dem Vortrage fand eine kurze Diskussion statt. Sämtliche Redner waren dafür, eine Zahlstelle des Verbandes zu gründen. Darauf erfolgte die Wahl des Vorstandes: Aug. Pundt, Vorsitzender, Wilhelm Schulze, Kassirer. Im Ganzen haben sich 16 Mitglieder eingezeichnet.“

Quelle: Der Zimmerer, 27.04.1901, S. 142

 

2. Juni

Mitgliederversammlung der Zossener Zimmerer. Thema: Welche Leistungen haben die Mitglieder zu erwarten? Warum wird der Zimmererverband gebraucht? Wilhelm Schulze schildert die Lage vor Ort. Es wird die Bildung eines Lokalfonds beschlossen. Mietge und Starke werden zu Revisoren gewählt.
In Zossen ist eine Zahlstelle des Verbandes eingerichtet.

Quelle: Der Zimmerer, 15.06.1901, S. 196

 

Dezember

Brotwucher und Kriegervereine.

Ein Kriegervereinler darf nicht um billiges Brot petitionieren; das könnte die agrarischen „Herren Kameraden“ unwirsch machen. So wurde in Fern-Neuendorf (Amtsgericht Zossen) ein Mann aus dem dortigen Kriegerverein durch Vorstandsbeschluß ausgeschlossen, weil er die Petition gegen den Brotwucher unterschrieben hat. Ob die Vorstandsmitglieder des Vereins selbst Großgrundbesitzer sind oder ob sie zu denen gehören, die aus – Harmlosigkeit mit Verehrung zu ihren agrarischen Ausbeutern aufblicken, selbst wenn sie nicht im stande sind, ihre Kinder zu sättigen, das konnten wir nicht in Erfahrung bringen.
Es wäre von großem Interesse, wenn der Ausgeschlossene von seinem rechte der Berufung an die Generalversammlung Gebrauch machte, wie ihm dies in dem Ausschußschreiben freigestellt wird. Er hätte dann die beste Gelegenheit, die versammelten Krieger mit den Gründen vertraut zu machen, die ihn veranlaßten, eine Petition gegen den Brotwucher zu unterschreiben und wenn er das geschickt anfängt, dann – nehmen sich vielleicht eineige der Kriegskameraden vor, bei nächster gelegenheit ihre Stimme ebenfalls gegen die Brotwucherer zu erheben.“

Quelle: Vorwärts, 13.12.1901

 

31. Dezember

Der Zum Gau Berlin gehörige Ortsverein Zossen des Zentral-Verbandes der Maurer Deutschlands hatte 1901 94 Mitglieder.

Quelle: Der Grundstein, 29.03.1902, S. 6

1902

Zu Beginn 1902 siedelte die Berliner Druckerei „Typographia“ Kunst- und Setzmaschinen GmbH nach Zossen über und wurde als neugegründete „Deutsche Buch- und Kunstdruckerei GmbH“ Eigentümerin der Anlagen in der Stubenrauchstraße und nahm den Druckbetrieb auf. Ein Großteil der Belegschaft ging mit.
Nachdem am 12. Juli 1900 die Louis Schneider und Co GmbH in „Typographia“ Kunst- und Setzmaschinen GmbH umbenannt wurde und das Stammkapital um 200000 Reichsmark auf 450000 Reichsmark erhöht worden war, musste 1901 Konkurs angemeldet werden. Am 24. August 1901 wurde deshalb ein Veräußerungsverbot für Gegenstände und Waren der „Typographia“ erlassen werden.Über die „Typographia“ wurde am 19. Oktober 1901 das Konkursverfahren eröffnet.

Reichsanzeiger, Nr. 184/1900; Reichsanzeiger, Nr. 204/1901; Reichsanzeiger, Nr. 205/1901, S. 8

„Deutsche Buch- und Kunstdruckerei in Berlin. Eine große Buchdruckerei ist unter der Firma „Deutsche Buch- und Kunstdruckerei, G. m. b. H.“ in Berlin eröffnet worden.
Die Gesellschaft hat die Konkursmasse der Druckerei „Typographia“und auch die Buchdruckerei Wilhelm Wagner in Berlin übernommen. Zu Geschäftsführern wurden bestellt als technischer Leiter Herr Buchdruckereibesitzer Wilhelm Wagner , als kaufmännischer Leiter Herr Verlagsbuchhändler Hermann Hillger.“

Archiv für Buchgewerbe, vol. 39 (1902), S. 45

„Auf einem Bau in Zossen wurde eine Lohnerhöhung von 3 Pf. pro Stunde erzielt.“

Grundstein, 22.03.1902, S. 1

10. April

„Zossen (Mark). In der am 10. April abgehaltenen Versammlung wurde ein Ortsverein gegründet. Der Vorstand setzt sich zusammen aus den Kollegen Lenz, 1. Vorsitzender; Kalmus, 2. Vorsitzender; Schulz, Kassierer; Spradau, Schriftführer; Zschau und Kienast, Beisitzer.“

Correspondent für Deutschlands Buchdrucker und Schriftgießer, 24.04.1902, S. 5

20. April

Bezirksversammlung Brandenburg des Buchdruckerverbandes: „Durch Errichtung einer Druckerei in Zossen hat sich die Zahl der Mitglieder im Bezirke wiederum erhöht, so daß dieselbe auf etwa 400 angewachsen ist.“

Correspondent für Deutschlands Buchdrucker und Schriftgießer, 03.05.1902, S. 4

1. Mai

Maifeier
„In Zossen zogen etwa 100 Buchdrucker unter Begleitung von sechs Polizisten von ihrer Druckerei nach Weinbergs Restaurant, um dort die erste Maifeier in diesem Orte zu veranstalten.“

Vorwärts, 04.05.1902, S 5f.

„Aus Zossen wird uns berichtet, daß auch dort eine Maifeier stattgefunden hat. In dies stille märkische Städtchen ist die Buchdruckerei „Typographia“ aus Berlin übergesiedelt und damit auch ein Stück moderner Arbeiterbewegung. Da in der Stadt selber kein Lokal für unsre Parteigenossen zu haben war, zog eine Anzahl Arbeiter, mit roten Nelken geschmückt, am Abend in das nahegelegene Dorf Weinberge, wo ihnen ein Saal zur Verfügung stand. Sechs Polizeibeamte waren zur Überwachung der „Umstürzler“ auf den Beinen. Man sang im Lokal fröhliche Lieder und die Beamten schienen bis 10 Uhr sich zu langweilen. Da pries ein Metallarbeiter die Einigkeit der Buchdrucker von Zossen und sprach die Hoffnung auf ein ferneres harmonisches Zusammenwirken der Arbeiterschaft aus. Sofort erklärte ein Beamter die „Versammlung für aufgelöst und forderte die Anwesenden in militärischem Ton auf, den Saal zu verlassen. So erreichte die Maifeier ihr Ende; dank der Besonnenheit der Arbeiter kamen keine störenden Zwischenfälle weiter vor.
Am 5. Mai wollten die Buchdrucker sich im selben Lokal über Angelegenheiten in ihrem Geschäft besprechen. Ein Beamter in Civil erschien; und ihm folgte eine Anzahl uniformierter Polizisten, um die gefährdete Ordnung zu retten. Solche vorkommnisse werden die Wirkung haben, die sie dank der Mannhaftigkeit der deutschen Arbeiter noch überall hatten. Auch in Zossen wird die Arbeiterbewegung unter Stürmen groß werden."

Vorwärts, 11.05.1902, S. 7

1. September

Wilhelm Wagner, Direktor der Deutschen Buch- und Kunstdruckerei in Zossen, wird Mitglied des Deutschen Buchgewerbevereins.

Archiv für Buchgewerbe, 39. Band (1902), Heft 10, S. 393.

 7. September

 Bezirksversammlung des Bezirks Brandenburg des Verbandes der Buchdrucker und Schriftgießer Deutschlands: Der Bezirk hat 370 Mitglieder in 20 Orten. „In Zossen erfreuen sich die Kollegen von seiten der Polizei ganz besonderer Aufmerksamkeit; so z.B. wurde der Vorstand des Vorstands daselbst aufgefordert, die Mitgliederliste einzureichen, welchem Verlangen man nicht nachkam. Hierauf erhielten die sieben Mitglieder des Vorstandes ein Strafmandat von je 15 Mk. Die Sache kam dann zur gerichtlichen Entscheidung und die Strafe wurde bestätigt, denn das Gericht nahm an, daß der Zossener Ortsverein ein Glied des „sozialdemokratischen“ verbandes sei. Die Kollegen hätten diese Sache gern weiter verfolgt, wenn ihnen Rechtsschutz gewährt worden wäre, weil sie der Ansicht sind, daß nur Vereine, die sich mit öffentlichen Angelegenheiten befassen, z.B. politische Vereine, Mitgliederlisten einreichen müßten. Der Zentralvorstand vereigerte den Rechtsschutz darum, weil er der Ansicht ist, daß wir uns wohl mit öffentlichen Angelegenheiten befassen, z.B. durch Absenden von Petitionen an die Behörden usw.“

 Correspondent für Deutschlands Buchdrucker und Schriftgießer, 23.09.1902, S. 3


 „Zossen (Monatsversammlung). Unter Vereinsmitteilungen brachte der Vorsitzende die Vereinigung der Gewerkschaft mit dem Verbande zur Kenntnis, die mit Freuden begrüßt sei. Die Quartalsabrechnung bot insofern ein charakteristisches Bild, als die Bewegungsstatistik eine sehr deutliche Sprache redete. Zugereist waren 30 Mitglieder, abgereist 63. Die Gesamtzahl der am Schluss des 3. Quartals verbliebenen Mitglieder betrug 59.Beschäftigt waren während des 3. Quartals 155 Mitglieder. Wie daraus ersichtlich, ist der Wechsel hierorts ein sehr starker, was hauptsächlich darauf zurückzuführen ist, daß trotz wiederholter Vorstellungen, auch seitens des Gau- und Bezirksvorstandes, eine Kündigungsfrist nicht zu erlangen war.“

 Correspondent für Deutschlands Buchdrucker und Schriftgießer, 29.11.1902, S. 2

„Zossen. Seit Anfang dieses Jahres besteht hier ein Betrieb unter dem Namen „Deutsche Buch- und Kunstdruckerei, GmbH“. Die Kollegen und Kolleginnen der Buchbindereiabtheilung, insgesammt 15 Personen, welche theils dem Verband schon angehörten, haben sich nach und nach demselben angeschlossen, dank eifriger Bemühungen einzelner Kollegen. Es sind somit ausnahmslos Alle organisirt. In diesem Betrieb ist die englische Arbeitszeit eingeführt; leider hat sich mit dieser Einrichtung zugleich ein Mißstand eingeschlichen, welchen die ersten im Betrieb beschäftigt gewesenen Kollegen verschuldete haben, nämlich die Bestimmung, daß das Buchbindereipersonal Abends eine Viertelstunde länger arbeiten muß, als das dort beschäftigte Personal der übrigen Branchen. Da unseres Erachtens für das Bestehen dieser ungerechten Bestimmung gar kein Bedürfniß vorhanden ist, so richteten wir vor circa drei Wochen an die Direktion eine von sämmtlichen Kollegen und Kolleginnen unterzeichnete Eingabe und baten um Abstellung derselben. Wir ersuchten in dieser um gleichstellende Regelung unserer Angelegenheit. Zunächst erhielten wir eine durchaus unbefriedigende Antwort mit einem deutlichen Winke als Anhängsel. Dieses veranlaßte sämmtliche Kollegen und Kolleginnen, eine Besprechung am 8. Dezember abzuhalten zwecks konsequenteren Vorgehens, wobei uns auch die Unterstützung des Arbeiterausschusses zu Gute kam. Und – was vordem so schwer erschien, war nun mit einem Male möglich. Diese plötzliche Gesinnungsänderung kann man sich daher nur als eine Wirkung des festen einmüthigen Vorgehends des Personals erklären.
Kollege Bytomski aus Berlin, welcher als Vertreter des Verbandes erschienen war, um nöthigenfalls vermittelnden Einfluß auszuüben, gab seiner Freude darüber Ausdruck, daß betreffende Angelegenheit so schnell einen günstigen Abschluß gefunden habe. Es war bereits vor seinem Eintreffen alles geregelt. Jedoch benützte Bytomski im Anschluß hieran die Gelegenheit, um den anwesenden Kollegen und Kolleginnen mit beredten Worten klar zu machen, wie noth es thut, sich dem Verband anzuschließen, treu zu ihm zu halten und am Ausbau der Organisation mitzuhelfen. Im Verlauf seiner Ausführungen betonte er besonders, daß man nicht nur zahlendes Mitglied sein dürfe, sondern auch regen Antheil nehemn solle am Verbandsleben. Nur die Einigkeit gebe uns die Gewähr, im gegebenen Moment gut ausgerüstet der Willkür und den Manipulationen des Arbeitgeberthums entgegentreten zu können, wozu wir im nächsten Jahre Vielleicht schon gezwungen werden. Die Worte Bytomskis wurden allseitig mit Begeisterung aufgenommen, und wir haben auch allen Grund, das Gehörte zu beherzigen, denn es ist den Mängeln unseres Betriebs speziell die
(SW)
Lohnfrage, welche in absehbarer Zeit besonderer Beachtung werth ist.
Mögen sich deshalb die Kollegen und Kolleginnen stets bewußt bleiben, daß zu einem zielbewußten Vorgehen immer ein einheitliches Zusammenhalten erforderlich ist, somit erwächst für jeden Einzelenen die Pflicht, organisirt zu sein.
Hat diese Erkenntniß Jeder richtig erfaßt, dann, Kollegen und Kolleginnen, wird auch die Saat, die Verband ausstreut, solche Erzeugnisse hervorbringen, die jedem Einzelnen von uns greifbare Vortheile bietet.“

 Buchbinder-Zeitung, 27.12.1902, S. 3

 Jahresbericht für 1902 der Zahlstelle Zossen des Zentralverbandes der Maurer Deutschlands:
„Die Mitgliederversammlungen wurden regelmäßig in jedem Monat einmal abgehalten, waren jedoch immer schwach besucht. Es ist daher nur zu wünschen, daß es in diesem Jahre besser wird, wenn wir nicht rückwärts marschiren wollen. Die Interesselosigkeit der Kollegen ist in unseren Zweigvereinen sehr groß, das wissen unsere Unternehmer sehr genau und sie ziehen daraus ihren Vortheil. Zum dritten Mal haben wir jetzt Forderungen betreffend Lohnerhöhungen und besseren Arbeitsschutz gestellt, aber noch nie eine Antwort erhalten. Die diesjährige Forderung von 42 ½ Pf. Stundenlohn werden unsere Unternehmer auch diesmal keiner Antwort würdigen, wenn die Kollegen nicht bald aus ihrem Schlaf erwachen. Die Baukonjunktur wird im Frühjahr günstig sein in unserem Lohngebiet, da ist es wohl Pflicht eines jeden Kollegen, das Versäumte nachzuholen und den indifferenten Kollegen auf den Arbeitsstellen in den Ruhepausen die nöthige Aufklärung zu geben. Es ist schon vorgekommen, daß Kollegen, die noch an „patriotischen“ Dingen viel Freude haben, es nicht für nöthig hielten, ihre Verbandspapiere vorzuzeigen. Ebenfalls fehlt die nöthige Umsicht auf den Bauten beim Gerüstbau. Was Baubuden anbetrifft, darüber schweigt des Sängers Höflichkeit. Im vorigen Jahre haben Kollegen von uns in Marienfelde gearbeitet für 38-40 Pf. pro Stunde, wo laut Vereinbarung ein Stundenlohn von 65 Pf. bezahlt werden muß. Diese Kollegen davon abzuhalten, war uns und dem Marienfelder Vorstand unmöglich, denn die meisten Kollegen haben der Organisation den Rrücken gekehrt. Sie wollen Liebkind beim Meister bleiben. Zu der Einsicht sind sie noch nicht gekommen, daß sie sich selbst und ihre Mitarbeiter damit schädigen, sie veremiden auch jeden freundschaftlichen Verkehr mit orgamnisierten kollegen. Sollten diese Auchkollegen sich inzwischen eines Besseren besonnen haben, dann mögen sie in unsere Reihen wieder eintreten. Auch haben wir noch einige andere Kollegen. Sie arbeiten in Berlin, halten es aber nicht für nöthig, die 65 Pf. Verbandsbeitrag zu zahlen; sie ernten wohl, haben aber keinen Pfennig zur Saat übrig
. Einige Kollegen, die hier wegen Schulden gestrichen worden sind, lassen sich in Berlin aufnehmen und erzählen dort: bei uns gibt’s keinen Verband. In Zukunft werden die Berliner Kollegen darauf mehr achten müssen. Unsere Einnahme für die Hauptkasse betrug M 1164,68, die Ausgabe M 1154,66. Die Einnahme für die Lokalkasse betrug M 398,98, die Ausgabe M 369,37, somit Kassenbestand M 2961. Neu eingetreten sind 29 Mitglieder. Einige Kollegen sind mit ihren Beiträgen noch im Rückstand; diese mögen hiermit daran erinnert sein. Die alten Beitragsmarken werden nach der Februarversammlung abgeschickt. Im Übrigen werden alle Kollegen ermahnt, in diesem Jahre eine frische, fröhliche Thätigkeit in der Organisation zu entfalten.“

 Der Grundstein, 14.02.19

1903

Nach einer Zusammenstellung der im Regierungsbezirk Potsdam erscheinenden politischen Zeitungen vom Januar 1903 gibt es in Zossen:
1) den regierungsfreundlichen Zossener Stadt- und Landboten (seit 1869). Er gehört Paul Fromm, der gleichzeitig Verleger, Drucker und Chefredakteur ist. Die Zeitung hat eine Auflage von 500 Exemplaren. Sie erscheint dreimal wöchentlich und kostet 5 Mark jährlich.
2) den regierungsfreundlichen Zossener Allgemeinen Anzeiger (seit 1901). Eigentümer, Herausgeber, Drucker und Verleger ist Paul Koch. Die Zeitung erscheint in einer Auflage von 250 Exemplaren dreimal wöchentlich und kostet 4 Mark.

Die sozialen und politischen Verhältnisse in der Provinz Brandenburg von 1871-1917, Beiheft, S. 48f.

Vier Drucker und Schriftsetzer in Zossen erhalten Unterstützung vom Verband.

Correspondent für Deutschlands Buchdrucker und Schriftgießer, 03.01.1903 S. 6

 28. Januar

 Gründung einer Zahlstelle des Verbandes der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands. Ihr gehören zur Zeit 26 Mitglieder an. Vorsitzender ist Johann Engler, Dabendorf. Kassierer ist Karl Regenberg, Chauseestraße 28.

 Solidarität, 14.02.1903, S. 1

 8. Februar

Gründung des Ortsvereins Zossen der SPD

„Zossen. Nach jahrelangem vergeblichen Bemühen war es den Socialdemokraten endlich gelungen, hier eine Versammlung abhalten zu können. Dieselbe fand am 8. Februar im Restaurant Weinberge statt und entschädigte die früheren fruchtlosen Versuche reichlich, denn sie war als eine geradezu imposante zu bezeichnen, erwies sich doch das Lokal als zu klein, um die zahlreich herbeigekommenen Besucher fassen zu können. An 300 Personen lauschten im Saal und in den Nebenräumen den Worten Zubeils, der in zweieinhalbstündiger Rede über die politische Lage Deutschlands sprach. Die Flottenpolitik, welche angeblich den deutschen Welthandel schützen soll, bezeichnete er als das Bestreben, auf dem Weltmeere die erste Geige zu spielen. Er nannte diese Politik, für welche das Volk Millionen über Millionen aufbringen muß, eine dem deutschen Handel gefährliche, da sie zu allerlei Verwicklungen führt und das Ansehen Deutschlands und somit den deutschen Handel schädigt. Sodann ging Redner auf die sogenannte Heimatpolitik ein, behandelte hierbei den Zolltarif und die Essener und Breslauer Kaiserreden. Unter dem Beifall der Versammlung wies er die gegen die Socialdemokratie gerichteten Angriffe mit gebührender Schärfe zurück. Den Lockungen, die Arbeiter sollten das Tischtuch zwischen sich und der Socialdemokratie zerschneiden, folgte man hier so wenig wie anderwärts, denn die Versammlung nahm eine Resolution an, in welcher sie sich verpflichtete, für die Ausbreitung der socialistischen Ideen zu wirken und beschloß zu diesem Zweck die Gründung eines socialdemokratischen Wahlvereins. 74 Personen erklärten sogleich ihren Beitritt zu diesem Verein.“

 Vorwärts, 13.02.1903, S. 4

 Laut einer Anzeige existiert in Zossen ein Arbeiter-Gesangsverein für den ein Dirigent gesucht wird.

 Vorwärts, 18.02.1903, S. 8

 16. Februar

 „Zahlstelle Zossen. Am 16. Februar fand hier die erste Mitgliederversammlung der neuerrichteten Zahlstelle statt. Nachdem der Vorsitzende Kollege Engler bekannt gegeben, daß sich zur Zeit 19. Mitglieder angemeldet haben, wurde in die Tagesordnung eingetreten. Dieselbe lautete: 1. Statutenberatung. 2. Verlesung der eingegangenen Schriften. 3. Verschiedenes. Das vom Vorsitzenden vorgelegte Ortsstatur wurde nach kurzer Debatte einstimmig angenommen. Ein vom Verbandsvorstand eingegangenes Schreiben fand die Zustimmung der Versammlung. Unter verschiedenem entstand eine lebhafte Debatte über die örtliche Bewegung, wobei ausgeführt wurde, wie notwendig es war, eine Zahlstelle zu errichte, da hier ein gutes Feld für
Organisationsbestrebungen vorhanden ist und der Anschluß an eine andere Zahlstelle trotz gemachter Versuche nicht möglich war. Nachdem noch verschiedene örtliche Angelegenheiten erledigt waren, schloß der Vorsitzende mit der Aufforderung an die Kollegen und Kolleginnen, rege zu agitieren, um uns würdig den anderen Zahlstellen anreihen zu können, die gutbesuchte Versammlung.“

 Solidarität, 28.03.1903, S. 2

 18. März

 Öffentliche Wahlversammlung des SPD Ortsvereins mit 250 Teilnehmern. Thema: „Die Forderungen der Sozialdemokratie“. Der Ortsverein hat 85 Mitglieder.

 Vorwärts, 20.03.1903, S 2

 25. März

 Der Ortsverein hat mittlerweile ein Versammlungslokal, C. Rüffer, Baruther Straße. Eine außerordentliche General-Versammlung des Ortsvereins der SPD berät Satzungs- und Mitgliederfragen.

 Vorwärts, 24.03.1903, S. 10

 20. April

 Im Wahlkreis Teltow-Beeskow-Storkow-Charlottenburg wird ein Frauenwahlverein zur Unterstützung der Wahl von Zubeil gegründet. Vorsitzende ist Frau Thiel-Tempelhof. 450 Mitglieder. Vertreten in: Rixdorf, Schöneberg, Charlottenburg, Tempelhof, Mariendorf, Wilmersdorf, Steglitz, Friedenau, Baumschulenweg, Johannisthal, Nieder-Schöneweide, Köpenick, Adlershof, Britz, Zossen.

 Vorwärts, 12.07. 1903, 3. Beilage, S. 13; Die Gleichheit, 29.07.1903, S. 6

 22. April

 Versammlung des Ortsvereins der SPD. Thema u.a. Vorbereitung der Maifeier.

 Vorwärts, 22.04.1903, S. 9

 1. Mai

 „Zossen. Die Maifeier, die erste, die überhaupt in Zossen abgehalten wurde, verlief in großartiger Weise. Mittags Spaziergang nach Mellen, an dem hauptsächlich die hiesigen Buchdrucker teilnahmen, abends große Feier im Rüfferschen Saale, an der sich gegen 300 Personen beteiligten und die in Bester Weise verlief, wobei nicht unerwähnt bleiben soll, daß durch das „freundliche Entgegenkommen“ unsrer Polizei die Stimmung wesentlich erhöht wurde.“

 Vorwärts, 03.05.1903, S. 2

 10. Mai

 Erste Wahlversammlung der Zossener SPD bei Rüffer. Es spricht der Reichstagsabgeordnete Fritz Zubeil über die bevorstehenden Reichstagswahlen. Er ruft dazu auf die Frauen und Mädchen stärker in die Parteiarbeit einzubeziehen. Bei den Parteimitgliedern Hermann Schwitzky, Hermann Kotte und Franz Stakemann können die Wählerlisten eingesehen werden.

 Vorwärts, 13.05.1903, S. 4

 13. Mai

 Öffentliche Wahlversammlung zur Vorstellung des Kandidaten der vereinigten bürgerlichen Parteien, Hammer aus Steglitz. 400 Teilnehmer. Gegenreden u.a. von Rönisch (Zossen/SPD). Nur die Hälfte der Teilnehmer unterstützt Hammer.

 Vorwärts, 17.05.1903, S. 14

20. Mai

 Reguläre Mitgliederversammlung des Ortsvereins. Tagesordnung: Verlesung des Protokolls, Vereinsangelegenheiten, Aufnahme neuer Mitglieder, praktische Vorführung des neuen Wahlreglements, Verschiedenes.

 Vorwärts, 20.05.1903, S. 5

 24. Mai

 Gut besuchte öffentliche Wahlversammlung der SPD bei Rüffer. Das Referat von Dr. Alberty gegen die Positionen des Kandidaten Hammer fand jubelnde Zustimmung. In der nachfolgenden sehr angeregten Diskussion stellte sich heraus, daß ein Gendarm sich des völlig ungesetzlichen Abreißens von Plakaten, die nichts als eine Einladung zur Wählerversammlung enthielten, schuldig gemacht habe. Nach Schluss der Versammlung kam eine Reihe von Wählern zum Referenten und klagte über die am Ort herrschenden Hungerlöhne und über einige brutale Misshandlungen, die in der Schule vorgekommen waren. Der Ortsverein zählt 130 Mitglieder.

 Vorwärts, 27.05.1903, S. 5

 24. Mai

 Ausschusssitzung des Arbeiter-Sängerbundes in der Brauerei Friedrichshain. Der Verein „Freie Sänger“ aus Zossen wird aufgenommen.

 Vorwärts, 28.05.1903, S. 4

 31. Mai

 19. Ordentlicher Gautag des Gaues Odergau des Deutschen Buchdrucker- und Schriftgießer-Verbandes. Aus Zossen sind die Delegierten Schelz, Hoffmann und Bonin anwesend. Die Delegierten aus der Provinz Brandenburg sprechen sich für eine Teilung des Gaues aus, die aber von der Mehrheit, insbesondere den delegierten aus Pommern abgelehnt wird.

 Correspondent für Deutschlands Buchdrucker und Schriftgießer, 11.06.1903, S. 4

 4. Juni

 Die Deutsche Buch- und Kunstdruckerei zählt zu den Betrieben, die bis 30. April 1903 den Deutschen Buchdruckertarif anerkannt haben. Die Zossener Druckereien Otte und Koch fehlen im Verzeichnis der Tariftreuen.

 Correspondent für Deutschlands Buchdrucker und Schriftgießer, 04.06.1903, S. 17 Verzeichnis der Tariftreuen, S. 6

14. Juni

 Morgens in Zossen Flugblattverteilung zur Wahl. Nachmittags öffentliche Wählerversammlung Genosse Breslauer spricht über die Bedeutung der Reichstagswahlen. Die Vorsitzende des Frauenwahlvereins, Frau Thiele, nimmt teil.

 Vorwärts, 13.06.1903, S. 10

 16. Juni

Reichstagswahlen

In der Hauptwahl erhalten die Konservativen in Zossen 533 Stimmen, die Sozialdemokraten 225 Stimmen, die Nationalliberalen 12 und die Freisinnigen (Linksliberalen) 38. Im Wahlkreis findet keine Stichwahl statt, weil Zubeil (SPD) die absolute Mehrheit der im Wahlkreis abgegebenen Stimmen erhalten hat.

 Paul Hirsch: Die Sozialdemokratie im Wahlkreise Teltow-Beeskow-Storkow-Charlottenburg, Charlottenburg 1908, S. 9

 18. Juni

 Am 18. Juni wurde Auflösung des Frauenwahlvereins bekanntgegeben, da der Zweck erfüllt war. Nach Auflösung des Vereins wurde Frau Thiel, der Vorsitzenden, mitgeteilt, dass die Gründung unzulässig war, weil nur Wahlberechtigte einen Verein gründen dürften und Frauen ja nicht wahlberechtigt wären.

 Vorwärts, 12.07.1903, 3. Beilage, S. 13

 Mit roter Farbe wurde in Zossen am Tage vor der Wahl die Aufforderung „Wählt Zubeil!“ an Bürgersteigen, Wänden und Bauzäunen aufgebracht. Die Polizei lobt 20 Mark für Hinweise auf die Täter aus.

 Vorwärts, 20.06.1903, S. 3

 29. August

 „Nachdem eine größere Berliner Druckerei nach hier verlegt wurde, welche ca. 150 Personen beschäftigt, worunter ca. 30 Hilfsarbeiter und Arbeiterinnen, ergab sich die Notwendigkeit, eine Zahlstelle zu gründen. Wir gingen hierbei von dem Gesichtspunkte aus, daß die hiesige Zahlstelle eine Zwischenstation der süddeutschen Orte mit Berlin werden sollte. Wie schwer es ist, gewerkschaftlich noch nicht organisierte Arbeiter in eine Organisation zu bringen, davon können wohl die größeren Druckorte sprechen: denn es ist leider damit zu rechnen, daß je größer der Druckort, umso mehr Gelegenheit vorhanden ist, durch Anfragen usw. Arbeit in Druckereien zu erhalten, in welchen eine Organisation noch nicht besteht. Daß unsere Gesichtspunkte die richtigen waren, ist uns durch die Folge bestätigt. Die hiesige Druckerei rechnete bei ihrem Umzuge damit, daß die auswärtigen Verhältnisse derartige sind, ein billigeres Arbeitsmaterial zu erhalten; wobei gerade der Zuzug aus süddeutschen Orten, in welchen im Verhältnis ein geringerer Lohn gezahlt wird in Betracht kam. Um den regelrechten Betrieb aufrecht zu erhalten, war die Druckerei gezwungen, sich von Berlin, welches ca. 35 Kilometer von Berlin entfernt ist, Hilfspersonal zu beschaffen, welches jedoch nur zu dem in Berlin festgesetzten Minimallohn arbeitete. Die Geschäftsleitung versuchte nun, sich ein billigeres und willigeres Personal zu beschaffen, was ihr auch für den Augenblick gelang. Nachdem jedoch die von Leipzig kommenden unorganisierten Kolleginnen durch die hiesige Zahlstelle die nötige Aufklärung über die hier am Orte bestehenden teuren Lebensverhältnisse, welche sogar die Großstadt noch übertreffen, erhalten und sich selbst davon überzeugt hatten, sahen dieselben, daß mit einem Lohn, wie derselbe in Leipzig gezahlt wird, hier in Zossen nicht auszukommen ist. Daß es uns hier an Kämpfen nicht gefehlt hat, mag folgende Tatsache (abgesehen von kleineren Chikanen) beweisen. Eine Anlegerin, welche 8,50 Mk. Lohn pro Woche erhält, wurde unter Berufung auf die Verhältnisse in Süddeutschland aufgefordert, die Walzen zu waschen, was dieselbe nach Rücksprache mit dem Vertrauensmann ablehnte. Die Folge war sofortige Entlassung durch den Obermeister, dessen rigoroses Vorgehen wohl schon vielfach bekannt ist. In einer darauf folgenden Druckereiversammlung wurde beschlossen, die Wiedereinstellung der betreffenden Kollegin zu verlangen. Nach langem Verhandeln und nachdem das gesamte Hilfspersonal erklärte, bei Nichteinstellung in den Ausstand zu treten, wurde die Entlassung der Kollegin nach anderthalbtägigem Feiern zurückgenommen, dafür sollte nun das männliche Hilfspersonal, welches bei dieser Angelegenheit den Hauptausschlag gab, durch Entziehung der Kündigungsfrist gestraft werden. Wir aber empfinden das indeß durchaus nicht als Strafe, werden aber stets über die örtlichen Verhältnisse wachen und Sorge tragen, daß auch hier zeitgemäße Fortschritte gemacht werden.“

 Solidarität, 29.08.1903, S. 4

 Zahlstelle Zossen des Verbandes der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands:: Johann Engler, Dabendorf bei Zossen; Karl Regenberg, Dabendorf 1 bei Zossen

 Solidarität, 29.08.1903, S. 4

 In Zossen weigert sich der Direktor der DBK mit den Buchbindern über deren Forderungen zu verhandeln: Gehilfen 22,50 Mark, Spezialarbeiter 24 Mark, geübte Arbeiterinnen 14,50 Mark, Lehrmädchen 6 Mark, für Maschinenarbeiterinnen 16 bis 18 Mark Minimallohn. Arbeiter und Arbeiterinnen, die schon längere Zeit Minimallohn erhalten sollen einen Zuschlag von 5 Prozent erhalten. Es kommen 6 Arbeiter und 5 Arbeiterinnen in Frage, die schön länger Verbandsmitglieder sind.
Der Verband versucht die Streikenden zu unterstützen:
„Achtung! Buchbinder und Buchbinderei-Arbeiterinnen. In der Deutschen Buch- und Kunstdruckerei in Zossen sind sämmtliche Kollegen und Kolleginnen heute wegen Lohndifferenzen in den Ausstand getreten. Zuzug ist streng fernzuhalten! Streikarbeit ersuchen wir streng zurückzuweisen!
Ortsverwaltung des Buchbinder-Verbandes“

Vorwärts, 18.08.1903, 3. Beilage, S. 10; Buchbinder-Zeitung, 26.09.1903, S. 1

  

 27. September

 Bezirksversammlung Brandenburg des Verbandes Deutscher Buchdrucker und Schriftgießer diskutiert u.a. die Lage im Ortsverein Zossen, der häufig das Schiedsgericht des Bezirks bemüht. Es wird vorgeschlagen, dass sich der Gauvorstand damit beschäftigt.

 Correspondent für Deutschlands Buchdrucker und Schriftgießer, 10.10.1903, S. 3

 „Die Parteigenossen von Zossen und Umgegend werden darauf hingewiesen, daß die Urwählerlisten vom 5. bis 7. Oktober öffentlich ausliegen. Jeder Wähler hat sich zu vergewissern, daß er in die Liste eingetragen ist: wer keine Zeit hat, wende sich an die Unterzeichneten. Namentlich werden die Parteigenossen, welche in der D.B.K. beschäftigt sind, gebeten, alle ihnen bekannten Arbeiter auf ihre Pflicht aufmerksam zu machen oder deren Namen und Wohnung den Unterzeichneten mitzuteilen, damit diese die Listen nachsehen. Kotte, Kietzstr. 10; Schwitzky, Chausseestr. 38.“

 Vorwärts, 01.10.1903, S. 10

 3. Oktober

 Der Buchbinder Bergmann schreibt über die Arbeits- und Lohnbedingungen in der DBK sowie den Verlauf des Streiks:
„Eine Zahlstelle besteht hier nicht. Die in der „Deutschen Buch- und Kunstdruckerei“ beschäftigten Kollegen und Kolleginnen gehören als Einzelmitglieder dem ersten Gaue an. Dieselben sind zum Teil ältere Verbandsmitglieder. Zurzeit sind in der Buchbinderei elf Personen beschäftigt; es sind aber in der guten Geschäftszeit mehr im Betriebe tätig. Die Arbeitszeit beträgt schon seit längerer Zeit 8 ¾ Stunden. Die Lohnverhältnisse dagegen waren nicht sehr günstige. Es war deshalb schon seit längerer Zeit der Wunsch unserer Kollegen und Kolleginnen, eine Verbesserung der Löhne herbeizuführen. Die Forderungen, welche an die Firma eingereicht wurden, sind in der vorigen Nummer der „Buchbinder-Zeitung“ bekannt gegeben. Seitens des Gauvorstandes wurden die Forderungen der Direktion unterbreitet und derselben fünf Tage Bedenkzeit gegeben. Am fünften Tage ging das Antwortschreiben ein, in dem mitgeteilt wurde, daß die Direktion am Sonnabend bzw. Sonntag wegen der aufgestellten Forderungen bereit sei zu unterhandeln. Das war am Mittwoch. Am selben Tage fand eine Besprechung mit den Kollegen und Kolleginnen der Firma statt, wo dieselben ihrer Meinung dahin Ausdruck gaben, daß die Firma schon seit einigen Tagen Arbeiten, ja sogar angefangene Arbeiten, nach Berlin schicke, um sie dort fertigstellen zu lassen. Die Firma sichere sich schon vorher, um bei einem ausbrechenden Streik nicht in die Verlegenheit zu kommen. Man vermute weiter, daß auf diese Weise die dringensten Arbeiten bis Sonntag fertig seien und die Verhandlungen am Sonntag resultatlos verlaufen würden. Die Kollegen erklärten deshalb, am nächsten Tage (Donnerstag) nochmals bei der Firma vorstellig zu werden. Sollte dieselbe nicht sofort unterhandeln wollen, so müsse die Arbeit niedergelegt werden. Die Versammlung beschloß dieses einstimmig und am Donnerstag früh wurde die Direktion befragt, ob sie die Forderungen bewilligen oder sofort in Verhandlungen eintreten wolle. Beides wurde verneint und der Direktor, Herr Wagner, erklärte, nicht eher Zeit zu haben als am Sonntag. Daraufhin legten unsere Kollegen und Kolleginnen die Arbeit nieder. Es fand dann noch am selben Tage eine telephonische Unterredung zwischen Herrn Wagner und dem Gaubevollmächtigten in Berlin statt, wobei sich Herr Wagner beschwerte, daß die Arbeiter und Arbeiterinnen ohne Grund die Arbeit niedergelegt hätten; er könne nicht eher unterhandeln, als am Sonntag, da seine Zeit es ihm nicht eher erlaubte. Es wurde dann vereinbart, daß am Sonntag die Verhandlung stattfinden solle. Selbstverständlich blieben unsere Kollegen und Kolleginnen im Ausstand, da ja nicht feststand, welches Resultat zustande kommen würde.
Am Sonntag morgen fand dann die Verhandlung in Zossen statt, an welcher die beiden Direktoren und der Werkführer, seitens der Arbeitnehmer der Gaubevollmächtigte Bergmann, der Vertrauensmann und eine Kollegin teilnahmen. Der Direktor Wagner erklärte, die Forderungen, wie sie gestellt sind, nicht bewilligen zu können, da er sonst nicht konkurrenzfähig bleiben würde. Er führte die niedrigen Löhne von Luckenwalde, Düsseldorf und anderen Orten an und meinte, daß bei solchen Löhnen die betreffenden Arbeitgeber bedeutend besser gestellt seien als er. Unsererseits wurde aber darauf hingewiesen, daß die Lebensmittelpreise und die Wohnungsverhältnisse in Zossen ziemlich dieselben sind wie in Berlin. Ein Vergleich mit anderen Städten im Reiche trifft demnach gar nicht zu. Eine Erhöhung der Löhne mache sich in Zossen unbedingt nötig. Nach zweistündiger lebhafter Beratung kam folgendes Resultat zustande:
1. Der Minimallohn für männliche Arbeiter beträgt 21 Mk.; für Arbeiter an der Beschneide- oder Heftmaschine 24 Mk.
2. Anfangslohn für ungeübte Arbeiterinnen 6 Mk.
3. Für geübte Arbeiterinnen 13 Mk. Minimallohn.
4. Für Arbeiterinnen an der Falzmaschine 16 Mk.
5. Für Arbeiterinnen an der Heftmaschine 15 Mk.
6. Die gesetzlichen, sowie vom Geschäft angeordnete Feiertage werden den Lohnarbeitern und -Arbeiterinnen bezahlt.
7. Akkordarbeiten werden nach dem Leipziger Tarif, Falzen nach dem Berliner Tarif bezahlt.
8. Überstunden werden mit Prozentzuschlägen bezahlt, dieselben decken sich mit den Berliner Zuschlägen.
Die vorstehenden Vereinbarungen gelten bis zum 1. September 1904.
Diese Zugeständnisse wurden den am Sonntag versammelten Kollegen und Kolleginnen unterbreitet und nach kurzer Debatte angenommen. Man war nicht ganz befriedigt, jedoch war unter den gegebenen Verhältnissen nicht mehr zu erreichen. Am Montag früh wurde die Arbeit wieder aufgenommen.
Sind auch nicht alle gestellten Forderungen erreicht worden, so ist immerhin einen kleine Verbesserung der Lohnverhältnisse erreicht. Jedenfalls aber sind feste Lohnsätze für eine für eine bestimmte Zeit geschaffen worden. Für unsere Kollegen und Kolleginnen muß auch dieses ein Ansporn sein, treu und fest zum Verband zu halten. Wünschenswert aber ist es, daß die Kollegen auch in den übrigen Kleinstädten endlich daran gehen, für die Verbesserung ihrer Lage etwas zu tun. Dann wird auch in Zukunft den Arbeitgebern der Einwand genommen, daß in anderen Städten, sogar in Großstädten wie Dresden und Breslau, noch so erbärmliche Löhne gezahlt werden. Drum frisch ans Werk!“

Buchbinder-Zeitung, 03.10.1903, S. 1

  

 15. Oktober

 Der Vorstand des Ortsvereins des Verbandes der Deutschen Buchdrucker und Schriftgießer: Max Blumenstetter, Baruther Str. 41, 1. Vorsitzender; Robert Meerwald, 2. Vorsitzender; Hans Ließ, Kassierer; Hermann Kotte, Schriftführer.

 Correspondent für Deutschlands Buchdrucker und Schriftgießer, 15.10.1903, S. 3

 18. Oktober

 Reichstags-Abgeordneter Zubeil referiert Sonntagnachmittag 3 ½ Uhr bei Rüffer, Barutherstraße, über die Landtagswahlen. 

 Vorwärts, 15.10.1903, 2. Beilage, S. 9

 21. Oktober

 „Zossen. Am 21. Oktober hielt der hiesige Wahlverein seine Generalversammlung ab. Unter Vereinsangelegenheiten teilte der Vorsitzende, Genosse Schwitzky mit, daß er sich zwecks Abhaltung eines Kunstabends für die Mitglieder mit dem Genossen Dr. Alberty in Verbindung gesetzt und dieser auch für den ersten Weihnachtstag zugesagt habe. Die Genossen Schulz, Müller und Freutel wurden dann als Bezirksführer gewählt. Die Parteispedition wurde dem Genossen Rakow, Barutherstr. 56, übertragen. - Neu aufgenommen wurden drei Genossen. - Hierauf erstattete Genosse Kotte den Kassenbericht für das verflossene Halbjahr. Es war eine Einnahme von 349,75 Mark und eine Ausgabe von 311,46 Mark zu verzeichnen; unter letzterer Summe befinden sich die an den Central-Wahlverein eingesandten Gelder. - Aus dem Vorstandsbericht ist folgendes zu erwähnen: Es haben 13 Vorstandssitzungen, 5 Vereinsversammlungen und 3 Volksversammlungen stattgefunden. Der Mitgliederbestand war Anfang des Halbjahres 88, am Schluß 84; die höchste Mitgliederzahl hatte der Verein im Monat Mai mit 100. Die Beteiligung an der Wahlarbeit ist eine sehr rege gewesen und konnten am Wahltage noch sieben Genossen nach auswärts geschickt werden. Leider sind auch zwei Bestrafungen vorgekommen, indem die Genossen Kade und Hoffmann vom Schöffengericht wegen angeblicher Beleidigung eines Schutzmannes am Wahltage zu 20 bezw. 10 Mark Geldstrafe verurteilt wurde. - Hierauf erstattete Genosse Kotte einen ausführlichen Bericht von der Generalversammlung des Central-Wahlvereins. Im Anschluß hieran fand eine zum Teil sehr erregte Debatte über den Parteitag statt, in der die meisten Redner ihr Bedauern über die unerquicklichen Debatten aussprachen, die das Ansehen der Partei nur schädigten, während von andren Rednern diese Debatten als notwendig bezeichnet wurden. Zum Schluß einigte sich die Versammlung auf die von der Generalversammlung des Central-Wahlvereins angenommene Resolution. - Hierauf gab der Vorsitzende die Namen der Wahlmänner – es sind die Genossen Lenz, Schmidt (1. Bezirk), Blumenstetter, Rakow (2. Bezirk) und Freutel, Lehmann (3. Bezirk) – bekannt und schloß die Versammlung mit einem kurzen Hinweis auf das vor 25 Jahren erlassene Socialistengesetz.“

 Vorwärts, 04.11.1903, S. 4

 Die Mitarbeiter der Deutschen Buch- und Kunstdruckerei in Zossen spenden 14 Mark für die streikenden Crimmitschauer Metallarbeiter. Im Dezember spenden sie nochmals 15 Mark.
Der Verein „Gemütlichkeit“ Zossen spendet 5 Mark. 

 Vorwärts, 26.11.1903, S. 4
Vorwärts, 12.12.1903, S. 4
Vorwärts, 20.12.1903, S. 25

 Dem Zossener SPD-Verein gehören 100 Mitglieder an.

 Vorwärts, 24.12.1903, S. 7

 25. Dezember

 Im Lokal des C. Rüffer findet ein Kunstabend unter Leitung des Genossen Dr. Alberty statt. Die Mitglieder des Vereins erhalten einen Vorzugspreis.

 Vorwärts, 25.12.1903, S. 9

 31. Dezember

 Der Zweigverein Zossen des Zentral-Verbandes der Maurer Deutschlands hatte 1903 84 Mitglieder. Er hat Beitragseinnahmen und -ausgaben in Höhe von 1419,05 Mark.

 Der Grundstein, 26.03.1904, S. 4

1904

Januar

 Mitgliederversammlung des Ortsvereins des Verbandes Deutscher Buchdrucker und Schriftgließer. Der Verein hat Zu Beginn des Jahres 97 Mitglieder. Ließ verliest die Quartalsrechnung. Es wird vorgeschlagen einen Vortrag zu Berufskrankheiten zu organisieren.

 Correspondent, 14.01.1904, S. 3

 „Der Drucker, Malkschies, der im November 1903 in Zossen arbeitete wird aufgefordert, das aus der Ortsvereinsbibliothek entliehene Buch sofort an den Bibliothekar Paul Freutel, Kietz 14 zurückzugeben.“

 Correspondent, 23.01.1904, S. 5

 20. Januar

 Auf der Ortswahlvereinsversammlung der SPD in Zossen hält Dr. Alberty einen Vortrag über Sozialismus in Rußland.

 Vorwärts, 17.01.1904, S. 9

 24. Januar

 Die Generalversammlung des Central-Wahlvereins für Teltow-Beeskow-Storkow-Charlottenburg vertritt 32 Ortsvereine mit 8358 Mitgliedern. Zossen wurde 1903 gegründet. Die Wahl des Vorstandes ergibt: 1. Vorsitzender Böske-Rixdorf, 2. Vorsitzender Stiefenhofer-Charlottenburg, Schriftführer Eberhard-Charlottenburg, Kassierer Wollermann-Schöneberg, Beisitzer Gruhl-Nowawes.

 Vorwärts, 26.01.1904, S. 13

 30. Januar

 „Am Sonntag hielt der Gesangverein „Freie Sänger“ im Lokal von Rüffer seinen Maskenball ab. Keiner der Besucher ahnte etwas Arges, bis der Polizeisergeant Janecke ein seltsames Interesse für das Vergnügen bekundete und vor dem Eingang Nachrichten einzog, ob die Besucher auch mit Karten versehen seien und von wem sie in diesem Falle solche erhalten hätten. Um zehn Uhr füllte sich der Hofraum des Lokals plötzlich mit Gendarmen und Polizisten. Was war geschehen? Hatte man es in den freien Sängern mit einer Räuberbande des seligen Karl Moor zu thun oder war die Zossener Polizei sonst einem verruchten Verbrechen auf die Spur gekommen? Die erstaunten Besucher des Vergnügens wurden bald aufgeklärt. Der erwähnte Polizeibeamte verkündete, daß er im Auftrage seiner Behörde komme, um den Maskenball unter allen Umständen aufzulösen, denn hier ströme alles zu und anderswo sei gar nichts los; es wären auch an Nichtmitglieder auf der Straße Eintrittskarten verkauft worden. Die Einwendungen der Festbesucher halfen nichts; man mußte sich der Polizeigewalt fügen und in dem tröstenden Bewußtsein nach Hause gehen, daß die Polizei zwar harmlosen Leuten die Laune verdorben, zu gleicher Zeit jedoch an unfreiwilliger Agitation gegen die heutige Ordnung der Dinge ausgezeichnetes geleistet hatte.“

 Vorwärts, 09.02.1904, S.11

 Vorstand des Ortsvereins der Buch- und Steindruckereihilfsarbeiter und Arbeiterinnen: Johann Engler, Dabendorf bei Berlin; Wilhelm Weise, Kietz 24

 Solidarität, 26.03.1904, S. 4

 Der Vorstand des Ortsvereins des Verbandes der Deutschen Buchdrucker und Schriftgießer besteht aus den Kollegen E. Hartmann, Kietz 28, 1. Vorsitzender<; W. Winge, zweiter Vorsitzender; R. Butz, Schriftfüher; H. Ließ, Kassierer.

 Correspondent, 14.04.1904, S. 6

 17. April

 Bezirksversammlung der Buchdrucker und Schriftgießer in Werder. Der Bezirk hat 19 Druckorte mit 589 Mitgliedern (Ende 1903), das sind 104 mehr als im Jahr davor. „In den Orten Trebbin und Zossen ist der Wechsel unter dem Personal ein gewaltiger. Z.B. seien innerhalb eines Jahres in Zossen etwa 200 Kollegen in Kondition getreten und ziemlich ebensoviel haben wieder aufgehört. Und das bei einer rund 90 Mann starken Mitgliedschaft! Erwiesen sei, daß nicht immer Arbeitsmangel diesen enormen Wechsel veranlaßte.“ 

 Correspondent, 03.05.1904, S. 2

 „Aus Zossen wird uns berichtet: In der Deutschen Buch- und Kunstdruckerei hierselbst ist am Dienstag der 26 Jahre alte Monteur Fleischel aus Berlin schwer verunglückt. Er arbeitete an einer Frankenthaler Schnellpresse, als diese im vollem Gange war. Der herumschlagende Cylinderzapfen schnitt dem Monteur dabei von allen vier Fingern der rechten Hand das erste Glied ab. In der Anstalt vergeht kaum eine Woche, ohne daß ein Unfall geschieht. Vor wenigen Wochen wurde dem Drucker Röske der Daumen der rechten Hand in derselben Weise abgeschnitten, vor einigen Tagen geriet eine Helferin mit der Hand in die Maschine und wurde arbeitsunfähig, das gleiche Unglück traf den Anleger Schallhoff. Als ein Monteur vorige Woche den Gasapparat revidieren wollte, platzte der Apparat, der Arbeiter trug schwere Brandwunden im Gesicht davon. Einige Monate sind es her, daß dem Schweizerdegen Baschin von der Tiegeldruckpresse einige Fingerglieder abgeschnitten worden. Bei einem Bestand von 30 männlichen und 20 weiblichen Arbeitskräften sind im Maschinensaal während der letzten zwei Jahre 15 schwere und ungezählte leichtere Unfälle vorgekommen. Sicherheitsvorrichtungen fehlen fast ganz, der Gewerbe-Inspektor hat sich bis jetzt noch nicht sehen lassen, der Leiter des Geschäfts handelt nach dem profitablen Grundsatz: Wem‘s nicht paßt, der kann gehen! Wieviel Unfälle sollen noch geschehen, bis die Aufsichtsbehörden energischer ihre Pflicht thun?“

Vorwärts, 21.04.1904 

 „Zossen. Der Verband der Buchdrucker am Ort sendet uns zu dem vorgestern über die Zustände in der Deutschen Buch- und Kunstdruckerei veröffentlichten Bericht folgende Zuschrift: „ In der Notiz heißt es: „Sicherheits-Vorkehrungen fehlen fast ganz. Der Gewerbe-Inspektor hat sich bis jetzt noch nicht sehen lassen“. Demgegenüber muß festgestellt werden, daß die Gewerbe-Inspektion seit dem zweijährigem Bestehen der Druckerei dreimal revidiert hat und die Schutzvorrichtungen an jeder Maschine den Vorschriften entsprechen, welche die Gewerbe-Inspektion vorschreibt. Was die Fälle Fl. Und R. Anbelangt, so sind dieselben wohl den unpraktischen, nicht aber den fehlenden Schutzvorrichtungen zuzuschreiben. Betreffs der Helferin muß bemerkt werden, daß es unmöglich ist, an der Stelle eine Schutzvorrichtung anzubringen, an der der Unfall passierte. Das gleiche trifft auch auf den Schweizerdegen B. und den Anleger Sch. zu. Auf den Unfall des Monteurs am Gasapparat eingehend, muß es jedem Laien einleuchten, daß es gefährlich ist, Reparaturen an derartigen Apparaten mit offenem Licht vorzunehmen. Die 15 schweren und die unzähligen leichten Unfälle reduzieren sich laut Unfallakten auf 5 und 18. Um nicht den Anschein zu erwecken, daß das Personal sich mit derartigen Zuständen abfinden lassen würde, senden wir diese Berichtigung ein.“

 Vorwärts, 23.04.1904, S. 10

1. Mai

 „Zossen. Die von den hiesigen Gewerkschaften arrangierte Maifeier, bestehend in Vortrag von Frau Kiesel, Konzert, Deklamation und Theater im Rüfferschen Lokale, welches der Feier entsprechend geschmackvoll dekoriert war, verlief in bester Weise. Die Zahl der Teilnehmer, an 400 Personen, bewies welche Fortschritte unsre Ideen in diesem wohl bisher schwärzesten Städtchen des Kreise gemacht haben.“

 Vorwärts, 04.05.1904, S. 9

 1. Mai

Monatsversammlung des Brandenburgischen Vereins der Maschinensetzer, abgehalten in Zossen. Der Ortsverein Zossen der Buchdrucker und Schriftgießer nahm vollzählig an der Versammlung Teil. Insgesamt sind 114 Mitglieder anwesend. Es erfolgten 5 Neuaufnahmen. Im Hauptreferat wird u.a. berichtet, dass von 72 Gewerkschaften 30 den Weg von Tarifverhandlungen gehen. Den Generalstreiksgedanken wird eine Absage erteilt. Im Anschluß wurde die Monotype Maschine vorgestellt. Die Gießmaschine soll 60000 Buchstaben pro Tag gießen können. Die Leistung des Setzers wird mit 6000 angegeben. Die Maschine kostet 15000 Mark. Nachmittags wurde die Buch- und Kunstdruckerei besichtigt. Abends trafen die Mitglieder anläßlich der Maifeier mit den anderen Zossener Gewerkschaften zusammen.

 Correspondent, 17.05.1904, S. 3

 4. Mai

 „Zossen. Der hiesige Wahlverein hielt am Mittwochabend bei Rüffer seine Generalversammlung ab, in welcher der Vorstand über seine Thätigkeit vom 1. Oktober 1903 bis 31. März 1904 Bericht erstattete. Aus dem Bericht des Kassierers ist hervorzuheben, daß eine Einnahme von 69,96 M. Zu verzeichnen war, der eine Ausgabe von 66,39 M. Inklusive der an die Centralkasse abgelieferten Summe von 46,64 M. Gegenübersteht. Bons wurden 90 Stück umgesetzt. Die Mitgliederzahl betrug am Anfang des Quartals 88, am Ende ebensoviel. Abgang und Zugang an Mitgliedern deckten sich, ausgeschlossen wurden 2 Genossen wegen restierender Beiträge. Der Vorsitzende konnte berichten, daß während des halben Jahres sechs Vereinsversammlungen stattgefunden haben, welche immer gut besucht waren. In denselben wurden drei Vorträge gehalten, von den Genossen Wetzker, Dr. Alberty und Miethke. Eine öffentliche Versammlung zu den Landtagswahlen erfreute sich ebenfalls eines guten Besuches; mit den erzielten Stimmen (im ganzen 45) konnten wir jedoch nicht zufrieden sein. An den Stadtverordnetenwahlen 1903 beteiligten wir uns nicht. Eine Versammlung zwecks Gründung von gewerkschaftlichen Organisationen hatte ebenfalls Erfolg, indem Zahlstellen des Metallarbeiter- und Erdarbeiter-Verbandes gegründet wurden, die in der Folge ihre Lebensfähigkeit bewiesen haben. Vorstandssitzungen fanden 10 statt. Der „Vorwärts“ wurde in der Anzahl von 30 Exemplaren bei Gründung des Vereins gelesen und ist jetzt auf 50 Exemplare gestiegen. Bei der Vorstandswahl wurden die Genossen Schwitzky als 1. Vorsitzender, Rakow als 2. Vorsitzender, Kotte als Kassierer, Rönisch als Schriftführer wieder- und Genosse Schulze als Beisitzer neugewählt. Aufgenommen wurden 5 Genossen.“

 Vorwärts, 6. Mai 1904, S. 11

 12. Mai

 Das Mitglied des Ortsvereins Zossen des Verbandes Deutscher Buchdrucker und Schriftgießer Ernst Kurt Meier, aus Cainsdorf bei Zwickau stammend, stirbt mit 28 Jahren Im Kreiskrankenhaus Britz.

 Correspondent, 19.05.1904, S. 6

 18. Mai

 Jahresvollversammlung des Ortsvereins der Buch- und Steindruckereihilfsarbeiter und Hilfsarbeiterinnen. Aufnahme von drei neuen Mitgliedern. Die Gewerkschaftsvorsitzende Thiede bietet an zu einem Vortrag nach Zossen zu kommen. Protest eines ehemaligen Mitgliedes gegen seinen Ausschluss.

 Solidarität, 04.06.1904, S. 3

 Aus dem Gaubericht des Buchbinderverbandes:
„In Zossen, einem kleinen Landstädtchen, befindet sich eine größere Druckerei, die im vorigen Jahre bis 16 Kollegen und Kolleginnen beschäftigte. Da die Lebensbedingungen ziemlich dieselben sind wie in Berlin, die Wohnungen für ledige Leute sogar noch teuerer als in der Großstadt, so sahen sich die Kollegen genötigt, höhere Löhne zu fordern. In einem Schreiben wurden die Forderungen der Direktion unterbreitet. Diese verhielt sich nicht direkt ablehnend, sondern suchte das Personal noch einige Tage zu vertrösten. Die Kollegen und Kolleginnen aber erblickten darin eine Verschleppung und wurden persönlich vorstellig. Als die Firma auf ihrem Standpunkte verharrte, legten sämtliche Kollegen und Kolleginnen die Arbeit nieder. Nach dreitägigem Ausstand wurden feste Vereinbarungen getroffen. Der Gaubevollmächtigte unter Hinzuziehung eines Kollegen und einer Kollegin schlossen mit der Direktion die Abmachungen ab. Auch hier suchte sich nach dem Streik die Firma an dem Lohne von drei Arbeiterinnen schadlos zu halten, wozu sie sich berechtigt fühlte wegen angeblichen Kontraktbruch des Personals. Die Betreffenden haben gegen die Firma die Klage angestrengt.

 Buchbinder-Zeitung, 28.05.1904, S. 6

 1. Juni

 Versammlung des Ortsvereins der Buch- und Steindruckereihilfsarbeiter und Hilfsarbeiterinnen. Vortrag der Gewerkschaftsvorsitzenden zur Organisation und den Beruflichen Verhältnissen im Verband. Aufruf persönliche Streitigkeiten zu vermeiden und zum Verband zu stehen.

 Solidarität, 18.06.1904, S. 3

12. Juni

„Zossen. Am Sonntag fand hier im Saal des Herrn Rüffer eine gut besuchte Volksversammlung statt, in welcher Reichstags-Abgeordneter Zubeil über das Thema: „Der Kampf der Junker im preußischen Herrenhause gegen das allgemeine Wahlrecht“ sprach. Unter Punkt 2 der Tagesordnung wurden die hiesigen Schulverhältnisse einer eingehenden Kritik unterworfen. Es genügt mitzuteilen, daß das Schulhaus im Jahre 1818 erbaut wurde, also 1904 doch nicht mehr den Ansprüchen genügen kann, die eine Verdreifachung der Einwohnerzahl gegen damals hervorgerufen hat. Einzelne Klassen sind derartig überfüllt, daß nicht einmal ein Gang frei bleibt. Will der Lehrer nach den hintersten Bänken, so muß er über die Bänke hinweg turnen. Genosse Zubeil legte den Standpunkt unsrer Partei zur Schule dar. Er kennzeichnete so recht das Verhalten des hiesigen Magistrats wie der Schulinspektion. Obgleich beiden die Mängel der Schule längst bekannt sind und sie solche auch im persönlichen Gespräch zugegeben haben, wurde bisher nichts dagegen gethan. Für ein der Post zu erbauendes Gebäude von 98000 M. wurde schnell Rat wie Geld geschafft, weil es sich gut verzinst und in 41 Jahren amortisiert ist. Aber in der Schulfrage weiß man nicht oft genug zu betonen, daß Zossen arm ist und kein Geld hat. Es wurde beschlossen, eine Petition an den Magistrat zu richten, welche das Mieten von Räumen fordert, um den dringensten Uebelständen vorläufig abzuhelfen.“

Vorwärts, 19.06.1904, S. 4

 „Staat und Schule in Preußen.
Aus Zossen schreibt man uns: Die Stadtverordneten-Versammlung hat sich mit der auch unsre Genossen stark interessierenden Frage eines Schulhaus-Neubaues beschäftigt. Vor kurzem waren Vertreter der Regierung hier anwesend, die gemeinschaftlich mit dem Schulvorstande und dem Magistrat über die erwähnte Frage berieten. Das vom Magistrat mitgeteilte Ergebnis dieser Beratung ist in manchen Stücken recht lehrreich. Seit 8 Jahren beschäftigen sich Magistrat und Stadtverordnete mit dieser Frage, und nach ihren Ausführungen waren sie davon überzeugt, daß der Ueberfüllung der Schule nur durch einen Neubau abgeholfen werden könne. Die Regierung erklärte aber: Wenn wir einen Zuschuß zu den Schulhauskosten leisten sollen, bewilligen wir einen solchen nur zu einem Anbau, da unsrer Meinung nach verschiedene Räume des 1818 erbauten Schulhauses noch als außerordentlich gut bezeichnet werden müssen. Auf die Frage eines Stadtvertreters, ob man denn auch auf einen Turnhallenbau rechnen könne, erklärte der Regierungsvertreter, daß eine Turnhalle ein Luxus sei, den sich nur solche Gemeinden leisten können, die es dazu haben. Wenn wir nicht falsch verstanden haben, soll der Herr erklärt haben, daß, wenn ein Turnhallenbau aus rein städtischen Mitteln geschaffen werde, auf einen Zuschuß zum Schulhausanbau nicht gerechnet werden könne. Die Stadtverordnetenversammlung nahm, sichtlich zufrieden, Kenntnis von dem Magistratsbericht und ging ohne Debatte zur Tagesordnung über.“

 Vorwärts, 02.07.1904, S. 7

 August

In der DBK geht die erste Monotype in Betrieb.

 Correspondent, 27.08.1904, S. 2

 28. August

 Generalversammlung des Central-Wahlvereins für Teltow-Beeskow-Storkow-Charlottenburg im Restaurant von Rüffer. Von 21 Wahlvereinen fehlten Großbeeren und Markgrafpieske. 24 Delegierte und 12 Funktionäre des Kreises waren vertreten.

 Vorwärts, 30.08.1904, S. 9

„Zossen. Die Versammlung des Wahlvereins findet schon am Dienstagabend 8 Uhr bei Rüffer statt. Wichtige Tagesordnung: Vortrag sowie Wahl eines Vorsitzenden. Durch Verzug unsres Genossen Schwitzky ist eine Neuwahl erforderlich.“

Vorwärts, 11.09.1904, S. 5

18. September

Bezirkstag des Verbandes der Buchdrucker und Schriftgießer Brandenburgs in Rathenow. Anwesend sind rund 300 Mitglieder. Es wird u.a. die Teilung des Bezirks diskutiert, um die Arbeit des Verbandes effektiver zu gestalten. Die Darstellung der Zossener Verhältnisse soll nur kurz erfolgen, um der auch „heute in Zossen stattfindenden Konferenz zweier Hauptvorstandsmitglieder mit dem Direktor der Deutschen Buch- und Kunstdruckerei nicht vorwegzugreifen.“

Correspondent, 04.10.1904, S. 3

 Die Zossener Druckerei Paul Koch erscheint im Verzeichnis der tariftreuen Druckereien.

 Correspondent, 19.11.19.04., S.8

Von 15 in Zossen beschäftigten Maschinensetzern sind nur 4 Mitglied im Brandenburgischen Maschinensetzerverein.

Correspondent, 22.11.1904, S. 2

 Vorstand Zahlstelle Zossen: Johannes Engler, Dabendorf b. Zossen; Wilhelm Weise, Zossen, Kietz 24

 Solidarität, 26.10.1904, S. 4

 31. Dezember

 Der Zweigverein Zossen des Zentral-Verbandes der Maurer Deutschlands hatte 1904 100 Mitglieder. Er hat Beitragseinnahmen und -ausgaben in Höhe von 1842,45 Mark.

 Der Grundstein, 01.04.1905, S. 144

1905

8. Januar

 Gautag des Gaues 1 des deutschen Buchbinderverbandes in Luckenwalde. 15 Orte sind vertreten. In Zossen gibt es nur Einzelmitglieder. Aus Zossen ist Rauffus anwesend. Zu Zossen heißt es:
„Die Kollegen in Zossen wollten eine Zahlstelle ins Leben rufen, da aber auf Bestehen derselben nicht gerechnet werden konnte, riet der Gauvorstand davon ab. In der „Deutschen Biuch- und Kunstdruckerei“ kam es zu einem dreitägigen Ausstand, wodurch Verbesserungen erzielt wurden, die aber wieder verloren gingen, weil die Arbeiterinnen ohne Wissen des Gauvorstandes zu den alten Bedingungen weiterarbeiteten. Versuche, die verabredeten Bedingungen wieder einzuführen, mißlangen, worauf sich ein Teil der Kollegen und Kolleginnen veranlaßt sah, den Betrieb zu verlassen, so daß nur noch 6 Mitglieder am Ort verblieben...
… Rauffus kann für Zossen keinen ausführlichen Bericht geben, da er erst kurze Zeit in Zossen ist. Die Lohnverhältnisse sind angängige und betragen für männliche Arbeiter 21-25 Mk., für weibliche Arbeiterinnen 7,50-12 Mk.: Arbeitszeit ist 8 ½ Stunden.“

Buchbinder-Zeitung, 21.01.1905, S. 5f.

Vorstand des Ortsvereins der Buchdruckerhilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands: Johann Engler, Dabendorf b. Zossen; Wilhelm Weise, Zossen, Kietz 24.

Solidarität, 11.02.1905, S. 4

 Die Adresse des derzeitigen Vorsitzenden der Zahlstelle lautet:
Franz Stangenberg, Marktstraße 95 I.

Correspondent, 11.02.1905, S. 7

29. Januar

 Mitgliederversammlung des Ortsvereins der Buchdruckerhilfsarbeiter und -Arbeiterinnen. Es wurden 1904 9 Mitglieder-, 3 General- und vier Versammlungen wegen Lohndifferenzen abgehalten, Die Kasse hat einen Gesamtbestand von 120,18 Mark. Der Vorsitzende Engler lehnt eine Wiederwahl aus Gesundheitsgründen ab. Kollege Rönnebeck wird 1. Vorsitzender, Kollege Weise Kassierer, Kollege Matuschek Schriftführer . Kollegin Brocksch wird zur 2. Vorsitzenden gewählt. 

Solidarität, 25.02.1905, S. 3.

Vom Vorstand des Tabakarbeiterverbandes sind für Zossen ernannt: Otto Rackow, 1. Bevollmächtigter; Fr. Berchem, 2. Bevollmächtigter, Rich. Lisseck, 3. Bevollmächtigter; G. Reetz und Adolf Mäder, Kontolleure

Tabak-Arbeiter, 26.02.1905, S. 4

 8. März

 „S. Zossen. Die am 8. März im Vereinslokale abgehaltene Versammlung des Ortsvereins beschloß, der Generalversammlung folgende Anträge zu unterbreiten: § 1 der Vorstandsbeschlüsse in b) Ortsunterstützung im Absatz 2, Z. 6, hinter 140 Tage noch eine Stufe folgenden Wortlautes einzuschalten: bei 500 Wochenbeiträgen bis zu 30 Wochen (210 Tage). Bei § 2 der Vorstandsbeschlüsse, Z. 4, müssen noch hinter dem Worte Arbeitszeit die Worte „und anständige Behandlung“ eingeschaltet werden, und in Z. 6 ist das Wort „Verbandes“ zu streichen. Demnach erhält § 2 dann folgende Fassung: „Wenn die Arbeitslosigkeit infolge Einführung oder Aufrechterhaltung der vom Vorstande des Verbandes als maßgebend anerkannten Bestimmungen in bezug auf Arbeitspreise, Arbeitszeit ‚und anständiger Behandlung‘ eingetreten und hierzu die vorherige Genehmigung des Gauvorstandes eingeholt worden ist usw.“ Bei c) der Vorstandsbeschlüsse, Abs. 5, sind die Worte: „Freiwillig Umziehende und“ wegzulassen.“

Correspondent, 21.03.1905, S. 5

 Vorstand des Zossener Ortsvereins des Verbandes der Buchdrucker und Schriftgießer Deutschlands: F. Stangenberg, erster Vorsitzender; P. Freutel, zweiter Vorsitzender und Bibliothekar; F. Saupe, Schriftführer; H. Ließ, Chausseestr. 27, II. Kassierer.“

Correspondent,. 18.04.1905, S. 6

 „In Zossen sind in letzter Zeit mehrere Fabrikneubauten entstanden. Das Vorhandensein geeigneten Baugeländes und billigen, vorteilhaften Fabrikterrains, sowie hinreichende Verkehrsverbindungen lassen erwarten, daß in absehbarer Zeit weitere Fabriken erstehen werden; in dieser Richtung sind bereits Unterhandlungen im Gange. Einer durch diesen Zuzug etwa entstehenden Wohnungsnot wird durch gleichzeitiges Aufführen geeigneter Wohnhäuser in entsprechender Weise gesteuert.“

Der Zimmerer, 08.07.1905, S. 243

 1.April bis 30. Juni

 Abrechnung des Ortsvereins der Buchdruckerhilfsarbeiter und -Arbeiterinnen für die Monate April bis Juni 1905: 14 männliche und 11 weibliche Mitglieder; keine Arbeitslosen; 2 Männer 24 Tage krank; eine Frau 78 Tage krank; Einnahmen 64,65 Mark, Ausgaben 13,10 Mark.

Solidarität, 04.11.1905, Beilage, S. 1

 25. Mai

„Zossen. Infolge Amtsniederlegung besteht nunmehr der Vorstand aus folgenden Kollegen: Paul Freutel, erster Vorsitzender, Kietz 14; Fr. Saupe, zweiter Vorsitzender und Bibliothekar; Adolf Zipler, Nächst-Neuendorfer Chaussee, Kassierer; R. Pätzold; Schriftführer.“

Correspondent, 25.05.1905, S. 5

 29. Mai

Der Arbeiter Hermann Schmidt, Mitglied des Sozialdemokratischen Wahlvereins Zossen, stirbt.

Vorwärts, 31.05.1905, S. 7

 1. Juni 

 „Auf Veranlassung des Vorstandes des Vereins Berliner Buchdruckmaschinenmeister fand am 1. Juni (Himmelfahrtstag) eine Versammlung der Zossener Maschinenmeister statt, zu der außer den hiesigen Druckern Vertreter des Ortsvereins, des Berliner Maschinenmeistervereins sowie der Obmann der Zentralkommission Kollege Fr. Krätke erschienen waren. Kollege Krätke hatte auch das Referat über: „Zwecke und Ziele der Maschinenmeistervereine“, Übernommen. Nach diesem sehr beifällig aufgenommenen Vortrage fand eine rege Diskussion statt, und ergänzte der Vorsitzende des Berliner Vereins, Kollege Engel, den Vortrag noch in tariflicher Hinsicht, worauf dann die Kollegen einstimmig für die Gründung eines Maschinenmeistervereins in Zossen votierten. Mit einem Hoch auf den Verband und den neugegründeten Verein wurde sodann die Versammlung geschlossen.“

Correspondent, 08.07.1905, S. 4

 Vorstand des Zossener Maschinenmeistervereins: Paul Langner, DBK, Vorsitzender; Reinhold Pätzold, Kassierer und Schriftführer; Hermann Peglow, Beisitzer.

 Correspondent, 04.07.1905, S. 4

 12. Juli

 „Zossen. Am 12. Juli hielt der hiesige Ortsverein seine Monatsversammlung ab. Auf Antrag der revisoren wurde dem Kassierer Decharge erteilt. Der Drucker günther aus Chemnitz wurde wegen Resten ausgeschlossen. Mitgliederstand Ende Juni 95. Der Versammlungsbesuch war ein guter. Das Johannisfest wurde am 8. Juli unter zahlreicher Beteiligung im Vereinslokale gefeiert. Nach einem Gartenkonzerte trug der hiesige Arbeitergesangverein einige Lieder und Quartette vor. Vorstandsvorsitzender Freutel hielt die Festrede. Er ermahnte zu ungeschwächtem Zusammenhalten im Verbande und schloß mit einem begeistert aufgenommenen Hoch auf denselben. Herr Direktor Wagner gab dem gesamten Personale an diesem Tage um 3 ½ Uhr frei. Ferner stiftete er für das Preisausschreiben der Johannisfestdrucksachen 20 Mk. Allen denen, die zum Gelingen unsers Festes beigetragen haben, sagen wir an dieser Stelle unsern besten Dank. Ein gemütliches Tänzchen hielt die Kollegen in stattlicher Anzahl bis zum frühen Morgen beisammen.“

 Correspondent, 22.07.1905, S. 4

16. August

In einer Versammlung des Berliner Vereins der Buchdrucker und Schriftgießer Deutschlands wird Zossen Thema:
„Als illustration für die Schädigung der Berliner Verhältnisse durch die Buchdruckerei in Zossen wurde angeführt, daß in einer hiesigen Druckerei den Kollegen zugemutet wurde, statt des Hundertzeilenpreises von 4 Mk. ein Werk für 3,58 Mk. für 100 Zeilen herzustellen, sonst gehe die arbeit nach Zossen. Auch sei es vorgekommen, daß russische Setzer unter falscher Flagge gesucht werden, und zwar von der Firma Lewent. Die sich Meldenden würden dann einfach nach Zossen verwiesen. Man sieht, es ist hohe Zeit, daß Zossen bei der Tarifberatung einen Lokalzuschlag bekommt. Ein Redner führte aus, es habe den Anschein, als ob die Zossener Druckerei Aktiengesellschaft verschiedener Berliner Prinzipale sei. Nach der vom Maschinensetzervereine herausgegebenen Broschüre werden in Zossen, wo 14 Setzmaschinen stehen, an jeder Maschine etwa 15 Überstunden gemacht. Gegen ein derartiges Ueberstundenunwesen sei ein energischer Protest notwendig, der aber vom Odergau ausgehen müsse.“

Der Geschäftsführer der DBK, Wagner, antwortet auf den Bericht am 16. September im „Correspondent“ (siehe da).

 V

 23. August

 Der Ortsverein der SPD hat 90 Mitglieder.

 Vorwärts, 30.08.1905

 Die Fleischnot

Der Magistratsberichterstatter teilt mit: Zur Fleischnotfrage bringt der „Reichs-Anzeiger“ eine amtliche Statistik über den Viehauftrieb an acht der größten preußischen Schlachtviehmärkte für die verflossenen acht Monate Januar bis einschließlich August, die beweisen soll, daß eine Fleischnot nicht besteht. Dem gegenüber ist es angezeigt, daß ein großer Teil des Auftriebes für den Berliner Viehhof aus minderwertigem , nicht voll schlachtreifem Vieh bestanden hat, und daß jetzt regelmäßig aus der ganzen Umgegend von Berlin die Schlächter der kleinen Städte, wie z.B. Trebbin, Spandau, Oranienburg, Bernau, Mittenwalde, Zossen usw., ferner die Tausenden von Landschlächter, die früher ihren Bedarf bei den Landwirten direkt deckten, heute ihr Fleisch bei den Berliner Engrosschlächtern einkaufen. Diese Schlächter kauften vor einem Jahre noch ganze Tiere von den Landwirten, heute kaufen sie nur das allernotwendigste, d.h. einzelne Stücke, wie z.B. ein Rinderviertel u. Dgl. in Berlin, wie sie es gerade brauchen. Dadurch ist die Nachfrage ganz gewaltig gestiegen, denn es ist ein Unterschied, ob nur der Stadtkreis Berlin oder Berlin und die Provinz von Berlin aus versorgt werden muß. Hinzu kommt noch, daß mindestens ein Drittel des ganzen Auftriebes den Berliner Viehhof lebend verläßt, um nach anderen Städten verladen zu werden und nur zwei Drittel dem Berliner Schlachthof zugeführt wird. Daß eine große Fleischnot vorhanden ist, kommt in den Preißen deutlich zum Ausdruck. Nach den Nachweisen des kaiserlichen Statistischen Amtes über den auswärtigen Handel des deutschen Zollgebietes – also einer gewiß unanfechtbaren Quelle – kosteten im Januar/März 1900 die Schweine im Durchschnitt pro Doppelzentner 90 M. - und 1905 schon 117 M.. Seitdem sind die Preise in den letzten Monaten auf 130 M. Gestiegen. Ochsen wurden 1898 im Januar/März mit 100,9 M . bezahlt, 1905 kosteten sie schon 122 M. Im Januar und 137,60 M. Im Juli d. J. Es sind dies immer nur Durchschnittspreise. Kälber kosteten 1898 im Januar/März 133,6 M., in derselben Zeit 1905 schon 164,1 M. Und im Juli/August 1905 bereits mittlere Kälber 170 N. Mastlämmer stellten sich auf 109 M. Im Jahre 1898, 1905 schon auf 135 M. Die Preissteigerungen sind also sehr bedeutend und erstrecken sich nach den Angaben des Statisrtischen Amtes nicht nur auf Berlin. Sondern, soweit die Berichte vorliegen, auf München, Danzig, Köln, Hannover, Magdeburg, Frankfurt a./M., Leipzig, Dresden und Chemnitz i./S.“

 Vorwärts, 07.09.1905, S. 13

 3. September

 Herbstversammlung des Bezirkes Brandenburg mit 250 Teilnehmern in Potsdam.
„Hatten nun wohl manche Kollegen gehofft, daß die Versammlung ebenso harmonisch ausklingen werde wie der Gesang, so sahen sie sich hierin arg getäuscht: der Bezirkstag stand unter einem ungünstigen Sterne, der an unserm „Bezirkshimmel“ vor dreieinhalb Jahren aufgegangen war, nicht weit von der großen Sonne Berlin. Zossen ist sein Name, der wohl auch vielen Kollegen außerhalb unseres Bezirks hinlänglich bekannt. Nun ist es zwar nicht der unschuldige Ort Z. An sich, der die gleiche Eigenschaft wie etwa ein am Himmel auftauchender Komet, dessen Erscheinen ja wohl Krieg in Aussicht stellt, haben soll, sondern die sich in demselben befindliche Deutsche Buch- und Kunstdruckerei. Was sich unsere Bezirksversammlungen und auch andere Instanzen schon mit diesem Geschäft befassen mußten, läßt sich kaum sagen. Nützliche Stunden sind unseren tagungen schon viele durch die Debatte darüber genommen, und man kann es keinem Kollegen verargen, wenn er verlangt, daß hiermit einmal Schluß gemacht werde. Durch die ausgedehnten debatten über Zossen war der Bezirkstag nicht in der Lage, ein vom Kollegen Kirchner [Vorsitzender des Gauvorstandes.- K.L.] freundlichst übernommenes Referat zu hören, es mußte der vorgeschrittenen Zeit wegen von der Tagesordnung abgesetzt werden. Den Hauptinhalt der Diskussion bildeten Klagen über Ueberstunden und vor allem über schlechte Behandlung des Personals. Namentlich über letztern Umstand ist schon so oft geklagt worden, so daß es wohl endlich Zeit ist, hier einmal Klarheit zu schaffen; denn wenn derartige Klagen immer wieder und jedesmal von anderen Kollegen vorgebracht werden, so drängt sich einem schließlich die Ueberzeugung auf, daß sie Berechtigung haben. Wenn man auch zugeben will, daß viele Kollegen selbst Schuld haben und Anlaß zu einer derartigen Behandlung geben, so sind doch aber Schimpfworte – und es sollen nicht gerade die gelindesten gewesen sein – gegenüber Verbandsmitgliedern zu verurteilen. Doch hierüber wird ja in Bälde Aufklärung geschaffen und untersucht werden, wo Recht und wo Unrecht ist; bisher hat die Kollegenschaft immer nur den „Ankläger“ gehört, man muß nun also auch dem „Angeklagten“ ein Wort vergönnen.“
S. 3
„Herrschte nun bei den Berichten bis zu dem von Zossen Ruhe, so war diese dahin, als dieser Ort an die Reihe kam. Die Diskussion, die gewöhnlich zum Schlusse der Berichte über dieselben eröffnet wurde drehte sich nur um Zossen. Als wenn ein Teil der Kollegen durch dieses ominöse Zossen aus seiner Ruhe gebracht wurde, setzte hier ein Tumult ein, der eine genaue Berichterstattung unmöglich macht. Daß die Kollegen von Zossen über die schlechte Behandlung in der Deutschen Buch- und Kunstdruckerei lebhaft Klage führten, ist ja eingangs erwähnt; ein genaueres Wiedergeben einzelner Fälle ist aber der großen Unruhe wegen nicht möglich und würde auch zu weit führen. Es wurde bei dieser Gelegenheit behauptet, daß die Geschäftsleitung der Deutschen Buch- und Kunstdruckerei am Haupt-, Gau- und Bezirksvorstande einen Rückhalt habe. Hätten die Kollegen einmal irgendwelche Klagen gehabt und die genannten Vorstände zum Unterhandeln hinzugezogen, so seien immer nur beschwichtigende Worte gemacht worden, aber einen Beistand hätte man nicht gefunden. Die Kollegen Kirschner und Sendke [Bezirksvorsitzender. – K.L.] wiesen diese Behauptungen entschieden zurück, indem sie anführten, daß formulierte Beschwerden mit tatsächlichen Beschwerden noch nicht eingereicht worden seien; meistens brächten die Kollegen ihre Beschwerden erst dann vor, wenn sie in dem Geschäft nicht mehr angestellt waren, so daß sie als Zeugen schwer oder gar nicht mehr erreicht werden konnten. Wie sei es denn gewesen? Bei Konferenzen mit dem Direktor der deutschen Buch- 7und Kunstdruckerei hätten die als Kronzeugen mit hinzugezogenen Kollegen meistens Herrn W. (Geschäftsführer der DBK, Wagner. – K.L.] Recht geben müssen, so daß man abzog wie ein begossener Pudel, denn der Herr Direktor hielt der Kommission immer gerade das entgegen, was sich einzelne Kollegen in seinem Geschäft zu schulden kommen ließen. Schließlich vergeht einem da die Lust zum Unterhandeln. Es solle natürlich nicht behauptet werden, daß die Kollegen sämtliche Schuld trügen, aber man müsse doch den ungläubigen Instanzen sichere Beweise liefern. Haupt-, Gau- und Bezirksvorstand hätten durchaus keine Ursache, Herrn W. Die Brücke zu halten, aber die Pflicht hätten sie doch, eine Druckerei, in der etwa 100 Kollegen ihr Brot hätten, so lange wie angängig für Verbandsmitglieder offen zu halten. Ueber das in Zossen herrschende Ueberstundenunwesen wurde gleichfalls lebhaft debatiert. Z. B. betruegen die Ueberstunden in der Woche vom 25. bis 31. August 962 bei einer Beteiligung von 85 Mann. Es wurden gemacht: im Setzmaschinensaale bei 17 Maschinen (einschließlich Metteur und Korrektor) 67 Stunden von 12 Mann, im Maschinensaale 495 Stunden von 23, Handsetzersaale 329 von 47 und Stereotypie 71 Stunden von 3 Mann. Ein Kollege stellte fest, daß der Berliner Bericht bezüglich der Ueberstunden an den Setzmaschinen in Zossen stark übertreibe, wie ja auch ein Vergleich mit den vorstehenden Zahlen ergibt. Festgestellt wurde noch, daß von verschiedenen Kollegen auf Ueberarbeit „geschoben“ werde. Auch bei diesem Ueberstundenunwesen wurden dem Vorstande Vorwürfe gemacht, daß er nicht schon längst dagegen eingeschritten sei; doch wurde dem entgegengehalten, daß dies in erster Linie Sache des Zossener Ortsvereins sei. Dem Vorstande war übrigens davon nichts bekannt, erst ein Schreiben vom 28. August machte davon Meldung. Die Debatte über Zossen kam erst dann zu Ende, als ein Antrag auf Schluß derselben angenommen wurde; wir säßen am Ende sonst heute noch in Potsdam. Beschlossen wurde in dieser Sache, daß der Zossener Vorstand in nächster Zeit eine Ortsvereinsversammlung einberufen möge, zu der der Haupt, – Gau- und Bezirksvorstand eingeladen werden soll.“

 Correspondent, 16.09.1905, S. 2f.

 9. September

 Die Zahlstelle Zossen gehört zum 15. Gau des Tabakarbeiterverbandes.
Bevollmächtigter ist Otto Rackow, Berliner Str. 4. Arbeitslosenunterstützung gibt es nur für Mitglieder, die am Ort in Arbeit treten.

 Tabak-Arbeiter, 10.09.1905, Adressverzeichnis, S. 8; Tabak-Arbeiter, 29.10.1905, S. 3

 11. September

 Das gesamte Personal der DKB tritt in den Ausstand. Gründe sind die Behandlung des Personals im allgemeinen und Beleidigung einer Vertrauensperson (Maschinenmeister). Nachdem die Beleidigungen und Entlassungen zurückgenommen waren, wurde am folgenden Tag die Arbeit wieder aufgenommen. Die Einstellung der Arbeit erfolgte einmütig, selbst alle jugendlichen und nichtorganisierten Arbeiter legten die Arbeit nieder.

 Solidarität, 07.10.1905, Beilage, S. 1

„Zossen. In Nr. 101 des „Corr.“ befindet sich ein Bericht über eine am 16. August d. J. abgehaltene Versammlung des Vereins Berliner Buchdrucker und Schriftgießer, welche sich auch mit unserer Druckerei beschäftigte. Da die in der Versammlung gemachten Ausführungen nicht den Tatsachen entsprechen, bitten wir um Aufnahme nachstehender Zeilen: Zum ersten Falle bemerken wir, daß die in Frage kommende Berliner Firma auf eine von uns am 23. August abgegebene Offerte am 29. August erwiderte, daß sie von unserer Offerte keinen Gebrauch machen könne und sich andernwärts umtun wolle. Es konnte also am 16. August niemand von einer erst am 23. August von uns gemachten Offerte Kenntnis haben. Soviel wir in Erfahrung gebracht haben, ist die ganze Sache auf eine Redensart des Faktors der betreffenden Firma zurückzuführen. Ferner sind wir seit Jahren nicht in die Verlegenheit geraten, einen russischen Setzer zu suchen, da wir auf Arbeiten in russischer Sprache so gut wie gar nicht eingerichtet sind, und wir für die wenigen Arbeiten in russischer Sprache uns ein seit mehreren Jahren bei uns beschäftigter russischer Setzer zur Verfügung steht. Auch würden wir nie und nimmer einer andern Firma zumuten, für uns Personal zu suchen, und glauben auch kaum, daß sich eine andere Firma dazu hergeben würde. Aehnlich verhält es sich mit der Behauptung, daß an jeder unserer Setzmaschinen 15 Ueberstunden gemacht werden. In dem Berichte ist freilich nicht gesagt, in welcher Zeit diese gemacht sein sollen, ein jeder Leser wird aber annehmen, daß die genannte Anzahl Stunden pro Woche gemacht worden ist. Tatsache ist, daß vom 1. Januar 1905 bis 31. August in Summa 186 Ueberstunden gemacht worden sind, also pro Woche und Maschine noch nicht eine halbe Stunde. Zur Beruhigung für den Redner, welcher der Meinung Ausdruck gab, daß unsre Druckerei ein Aktienunternehmen Berliner Buchdruckereibesitzer sei, wollen wir verraten, daß dies nicht der Fall ist, Wohl aber sind mehrere Verleger und einige Großindustrielle bei uns beteiligt, welche aber zum größten Teile ihre Arbeiten in Berlin herstellen lassen, da unsere Preise denselben nicht konvenieren.

Deutsche Buch- und Kunstdruckerei
(Gesellschaft mit beschränkter Haftung): Wagner“

 Correspondent, 16.09.1905, S. 6

 Auf der Mitgliederversammlung des Ortsvereins der SPD wird mitgeteilt, dass nunmehr auch die Gastwirte Richter (Gasthof zu den 7 Linden) und Hansche (Gasthof zur Eiche) den „Vorwärts“ auslegen. Thema des Referats waren „Religionsgeschichtliche Streifzüge“

 Vorwärts, 03.10.1905, S. 13

 „Zossen. Bekanntmachung.
In unser Handelsregister ist heute in Abteilung A unter Nummer 32 die offene Handelsgesellschaft Müller u. Wißmann Zossen, mit dem Niederlassungsorte Zossen und als deren Inhaber: Fabrikbesitzer Paul Buchholz, Zossen, Fabrikbesitzer Friedrich Zschauer, Weißensee b. Berlin neu eingetragen worden.
Die Gesellschaft hat am 1. Januar 1900 begonnen und ihr Sitz ist vom 1. Oktober 1905 ab nach Zossen von Weißensee bei Berlin verlegt worden.
Zur Vertretung der Gesellschaft ist ein Gesellschafter ermächtigt.
Zossen, den 21. November 1905
Königliches Amtsgericht.“
Am 11. September 1908 wird die Firma in eine GmbH mit einem Stammkapital von 100000 Mark umgewandelt. Geschäftsführer sind Hermann Zschauer, Kaufmann in Weißensee bei Berlin, und Paul Buchholz, Kaufmann in Zossen. Gegenstand des Unternehmens ist das bereits bisher in Zossen betriebene Fabrikgeschäft sowie allgemein die Herstellung und der Verkauf von hauswirtschaftlichen Maschinen, Geräten, Eißenkunstgusswaren und damit verbundener anderweitiger Geschäfte. Am 10. Oktober 1908 verbleibt Hermann Zschauer als alleiniger Geschäftsführer.
Nach dem Tode Hermann Tschauers 1916 wird dessen Sohn, Paul Tschauer, Inhaber der Firma. 1928 wir sie von Amtswegen aus dem Handelsregister gelöscht.

 Reichsanzeiger, Nr. 283/1905, S. 21
Reichsanzeiger, Nr. 224/1908, S. 12
Reichsanzeiger, Nr. 248/1908, S. 17
Reichsanzeiger, Nr. 34/1928, S. 12

 1. Oktober bis 31. Dezember

 Abrechnung des Ortsvereins der Buchdruckerhilfsarbeiter und -Arbeiterinnen: 10 männliche und 12 weibliche Mitglieder; eine Frau 18 Tage arbeitslos, ein Mann 18 Tage krank; Einnahmen 72,70 Mark, Ausgaben 14,55 Mark.

 Solidarität, 27.01.1906

 Der Vorsitzende des Zossener Maschinenmeistervereins ist R. Pätzold, Berlinerstr. 5; Kassierer ist A. Pietsch.

 Correspondent, 03.10.1905, S. 7

 15. Oktober

 Gautag des Odergaues des Verbandes deutscher Buchdrucker und Schriftgießer in Stettin.
Es nahmen 45 Delegierte teil.
Es „gab hierauf Kollege Zipler-Zossen als Gast eine Schilderung der dortigen Verhältnisse. Es würde zu weit führen, diese Ausführungen hier wieder zu geben. Nach langer Debatte wurde von allen Rednern dem Wunsche Ausdruck gegeben, daß jedes Mitglied im Geschäft seine Schuldigkeit tun und sich auch sonst mit seinem Verhalten so einrichten möge, daß dasselbe zu berechtigten Repressalien keinen Anlaß gebe. Man müsse sich die Achtung der Arbeitgeber erst erringen und dann werden sich auch Mittel und Wege finden, die Uebergriffe der andern Seite abzuwehren; das gelte aber nicht nur für Zossen.“
Die Kommission zur Neuaufteilung des Odergaues „empfahl den seitens des Gauvorstandes vorgelegten Plan mit einigen unbedeutenden Abänderungen...“ Der Odergau besteht nunmehr aus zwölf Bezirken: Stettin, Stettin-Land, Stralsund, Neu-Ruppin, Brandenburg, Cottbus, Eberswalde, Frankfurt a. =., Köslin, Potsdam. Spandau und Zossen. „In der Debatte wurde hervorgehoben, daß den Zossener Kollegen hierdurch ein Vertrauen entgegengebracht werde, dessen sie sich nun auch würdig zeigen möchten, was die anwesenden Zossener versprachen.“

 Correspondent, 28.10.1905, S. 4

 25. Oktober

In der letzten ordentlichen Generalversammlung wurden zunächst zehn Mitglieder aufgenommen und dann der Kassenbericht gegeben. Den Einnahmen von 54,88 M. stehen 38,79 M. Ausgabe gegenüber, so daß ein Kassenbestand von 15,79 M. verbleibt. Dann erstattete der Vorsitzende den Bericht für das vergangene Geschäftsjahr; er schloß mit einem Appell, sich immer fester zusammenzuschließen. Gerügt wurde die schwache Beteiligung an der Flugblatt-Verbreitung. Die Vorstandswahl ergab die Wiederwahl des bisherigen Vorstandes, außer dem 2. Vorsitzenden, der nicht anwesend war. Es fungieren: Rakow als 1. Vorsitzender, Vogt als Beisitzer, Saupe als Kassierer und Maurer als Schriftführer. Zum 2. Vorsitzenden wurde Genosse Greulich gewählt. Die Stadtverordneten-Wahl betreffend, wurde der Vorstand beauftragt, sich nach einem geeigneten Kandidaten umzusehen und in der in Kürze stattfindenden Wählerversammlung bekannt zu geben.“

 Vorwärts, 07.11.1905, S. 13

 26. Oktober

 Mitgliederversammlung der örtlichen Zahlstelle der Tabakarbeiter- und Arbeiterinnen Deutschlands. Quartalsrechnung: 49,20 Mark Einnahmen, 52,48 Mark Bestand aus vorigem Quartal, Gesamteinnahmen 101,68 Mark. Ausgaben 61,40 Mark. Bestand drittes Quartal: 40,28 Mark. Zum 2. Bevollmächtigten wird Kollege Lisseck gewählt, zum Kontrolleur Kollege Freiwald . Kollegen werden aufgerufen nur das Schincksche Lokal zu besuchen, das einzige, welches den Tabakarbeitern offensteht.

 Tabak-Arbeiter, 19.11.1905, S. 3

 15. November

 Unsere Genossen beteiligten sich zum erstenmal am Mittwoch an der Stadtverordnetenwahl. Es waren in der 3. Abteilung 2 Vertreter zu wählen. Trotz der für Arbeiter ungelegenen Wahlzeit, von mittags 11 bis ½ 2 Uhr nachmittags, brachten wir unsere Kandidaten, Genosse Gustav Schulz und Hans Lies auf je 43 Stimmen. Von den bürgerlichen Kandidaten erhielten Kaufmann Knöfeldt 104 und Malermeister Firk 96 Stimmen. 30 Stimmen waren zersplittert. Wir konnten konstatieren, daß die Wahlbeteiligung in bezug auf die vor 2 Jahren stattgefundene Stadtverordnetenwahl sich verdoppelt hatte. Noch gegen ¾ 1 Uhr war Stimmengleichheit, man erblickte die rote Gefahr. Es wurden nun Schleppmannschaften der bürgerlichen Partei mit Unterstützung der hiesigen Polizei requiriert, was auch Erfolg hatte. Freibier und andere „Gefälligkeiten“ spielten eine große Rolle. Haben wir auch kein Mandat erobert, so hoffen wir zuversichtlich, unsere gewonnenen Positionen nicht nur zu behaupten , sondern werden alles daran setzen, neues Terrain zu erobern. Wenn wir in zwei Jahren wieder in den Wahlkampf gehen, so hoffen wir, daß dann das „rote Gespenst“ in das Zossener Parlament einzieht.“

 Vorwärts, 21.11.1905, Beilage „Vorort“, S. 13

 28. November

 „In der am Donnerstag, den 28. November, abgehaltenen Monatsversammlung erstattete Genosse H. Schulz einen eingehenden Bericht über die letzte Kreis-Generalversammlung in Rixdorf. Unter anderm streifte er auch den „Vorwärts“_Konflikt, der eine sehr lebhafte Debatte hervorrief. Im Verlauf der Debatte brachte Dornbusch eine Resolution ein, in der es heißt: - daß die heutige Monatsversammlung sich mit der Resolution Zubeil-Südekum einverstanden erklärt. Diese Resolution wird gegen 3 Stimmen abgelehnt. Des weiteren wurde ein Antrag an die Stadtverordneten, umgehend zu der Fleischverteuerung Stellung zu nehmen, einstimmig angenommen. An Stelle des verzogenen Genossen Murrer, wurde Genosse Spalthoff zum Schriftführer gewählt. Zur Kreis-Generalversammlung wurde Genosse H. Schulz delegiert. Nachdem noch Genosse Rakow auf das Ergebnis der letzten Stadtverordnetenwahlen hingewiesen und ferner zum Abonnement auf den „Vorwärts“ aufgefordert hatte, erfolgte Schluß der leider recht schwach besuchten Versammlung.“

 Vorwärts, 28.11.1905, Beilage „Vorort“, S. 15

29. November

Die Zossener Gewerkschaften berufen auf Mittwoch, den 29. November, abends 8 Uhr, bei Schimke eine öffentliche Gewerkschaftsversammlung ein. Die Tagesordnung ist folgende: 1. Die Bedeutung des Gewerkschaftskartells. Referent: Brunner-Berlin. 2. Verschiedenes.

Vorwärts, 28.11.1905, Beilage „Vorort“, S. 15

„Zossen. Da hier am Orte Differenzen bestehen, bitten wir, den Zuzug strengstens fernzuhalten. Gleichfalls ersuchen wir die umliegenden Zahlstellen, die durchreisenden Kollegen darauf aufmerksam zu machen.
Otto Rackow, 1. Be.“

Tabak-Arbeiter, 17.12.1905, S. 5

Beendigung der Lohndifferenzen der Tabakarbeiter in Zossen.

Tabak-Arbeiter, 24.12.1905, S. 2

 31. Dezember

 Der Ortsverein der Maurer hat 156 Mitglieder.

 Grundstein, 28.04.1906, S. 4

1906

 1. Januar 

Im Odergau des Verbandes Deutscher Buchdrucker und Schriftgießer wird der Bezirk Zossen gebildet.
Vorsitzender des Bezirksvereins ist P. Mehrle, Chausseestraße 27; Kassierer A. Zipler, Neuendorfer Chaussee. 

Correspondent, 30.11.1905, S. 5.;Korrespondent, 18.01.1906, S. 5  

Das gesamte Hilfspersonal der Deutschen Buch- und Kunstdruckerei zu Zossen trat am Dienstag früh in den Ausstand. Der Anlaß war eine winzige Forderung. Vor 1 ¼ Jahren wurde folgende Vereinbarung mit der Geschäftsleitung getroffen.: Arbeiterinnen unter 16 Jahren erhalten einen Wochenlohn von 5 Mark, über 16 Jahren 6 Mark Anfangslohn, dieser Lohn steigt von Vierteljahr zu Vierteljahr um 50 Pf. und erreicht eine Höhe von 8, 12 und 14 Mark. Die Vereinbarung wurde jetzt von der Geschäftsleitung ignoriert unter der Begründung, daß diese Beamtenstaffel der Faulheit einzelner Personen Vorschub leiste. Die Forderung des Hilfspersonals lautet auf Anerkennung der früheren Vereinbarung und eine neunstündige Arbeitszeit für das gesamte Personal. Bisher mußten einzelne Leute zehn Stunden arbeiten bei Löhnen von 18-21 M. Die Verhandlungen zogen sich eine Woche lang hin, die endliche Antwort der Geschäftsleitung war, daß zehn Mitglieder des Hilfspersonals aussetzen mußten, wahrscheinlich aus Dank für die Tätigkeit, die dieselben während des flotten Geschäftsganges an Überstunden geleistet haben. Da dem Personal keine zusagende Erklärung gegeben wurde, war dasselbe gezwungen, die Arbeit niederzulegen. - Alle Arbeiterblätter werden um Abdruck gebeten. 

Vorwärts, 17.01.1906, S. 4 

19. Januar 

„Zossen. Am 19. d. Mts. Hielten die Einzelmitglieder Zossens ihre regelmäßige Monatsversammlung ab. Kollege Wulf erklärte, daß er leider seinen Posten niederlegen müsse, da er aus dem gebaren des Geschäftsführers vernommen habe, daß er wohl bald „fliegen“ müsse. Nachdem noch einige Mitglieder ihre Entrüstung über die Handlungsweise seitens des Geschäftsführers ausgesprochen hatten, wurde Becher zum Vertrauensmann gewählt. Sodann wurde der Streik der Hilfsarbeiter erwähnt und beschlossen, jede Streikarbeit zu verweigern. Da unser mit der Geschäftsleitung abgeschlossener Vertrag demnächst abläuft, so beschäftigte sich die Versammlung mit dieser Sache und stellte folgende Lohnsätze auf: Gehilfen 24 Mk. Minimallohn; Arbeiterinnen unter 16 Jahre im ersten halben Jahre 5 Mk., nachdem 6 Mk., über 16 Jahre 2 Mk. Erhöhung, ferner für alle Mädchen vierteljährlich 50 Pf. Zulage. Beschlossen wurde, den Gauvorstand zu beauftragen, einen Vertrag auszuarbeiten.“ 

Buchbinder-Zeitung, 27.01.1906, S. 31  

Das Hilfspersonal der Deutschen Buch- und Kunstdruckerei in Zossen ist ausständig geworden. Die Firma hielt eine bezüglich der Entlohnung der Hilfsarbeiterinnen vereinbarte Staffel nicht ein, gab auch auf die Forderung, für das gesamte Hilfspersonal die neunstündige Arbeitszeit einzuführen, keine Antwort. Als nun das Ansinnen gestellt wurde, 10 Hilfsarbeiter sollten aussetzen, erfolgte die Arbeitsniederlegung des übrigen Hilfspersonals. 

Korrespondent, 20.01.1906, S. 5 

21. Januar 

Protestversammlungen in Berlin, Niederbarnim und Teltow-Beeskow-Charlottenburg „Gegen Volksentrechtung und Volksknechtung“ in Zossen bei Schimke kann nicht stattfinden, weil Schimke sein Lokal verweigert. 

Vorwärts, 20.01.1906, S. 7; Vorwärts, 07.02.1906, S. 13 

24. Januar 

Situation der SPD in Zossen
„Unsere für den 24. Januar einberufene Wahlvereinsversammlung verfiel infolge verspäteter Eröffnung derselben der polizeilichen Auflösung. Wie sehr aber dieses Versehen des Vorstandes infolge der polizeilichen Aufmerksamkeit für uns agitiert hat, bewiesen die 8 Neuaufnahmen, welche in der am 31. Januar abgehaltenen Versammlung vollzogen wurden. Trotz aller Schwierigkeiten und Schikanen, gegen welche wir hier zu kämpfen haben, ist die Mitgliederzahl nunmehr auf 92 gestiegen. Das zwar langsame, aber stete Wachsen unseres Wahlvereins hier am Orte ist den Bürgerlichen höchst unbequem, und es wird alles versucht, uns in unserem Vorwärtsstreben zu behindern. Hier nur ein Beispiel: Zum Schluß des vergangenen Jahres wurde uns der einzige zur Verfügung stehende Saal vom Wirt Schimke gekündigt. Unsere über dieses Lokal verhängte Sperre hat den Wirt aber schnell belehrt, daß Arbeitergroschen doch besser sind als unerfüllbare Versprechungen anderer Leute. Wie der Vorsitzende in der letzten Versammlung mitteilte, hat uns der Wirt das Lokal nebst Saal wiederum zur Verfügung gestellt. Der Saal soll durch eine öffentliche Demonstrationsversammlung gegen das preußische Dreiklassenwahlrecht gleichsam aufs neue eingeweiht werden, um so nachzuholen, was uns in Ermangelung eines Saales am 21. Januar nicht möglich war. Für unsere Versammlungen stellte uns während unserer „Obdachlosigkeit“ der Wirt des Restaurants „Zur Flora“ in Nächst-Neuendorf, Herr Karl, seine Räumlichkeiten bereitwilligst zur Verfügung, wofür ihm seitens der Genossen allseitig Anerkennung ausgesprochen wurde. Ferner ist noch hervorzuheben, daß Zossen zum Zwecke der wirksamen Agitation in vier Bezirke eingeteilt wurde, welchen die Genossen Zibell, Lehmann, Schulz und Dornbusch als Bezirksführer vorstehen. Für Dabendorf übernahm Genosse Engler freiwillig das Amt des Bezirksführers. Die Genossen W. Blümke, Hilfsarbeiter und W. Schulz, Zimmermann, mußten wegen parteischädigenden Verhaltens ausgeschlossen werden." 

Vorwärts, 07.02.1906, S. 13 

4. Februar 

Öffentliche Volksversammlung „Gegen das Landtagswahlrecht“ bei Schimke. 

Vorwärts, 02.02.1906, S. 13  

Der 1. Bevollmächtigte der Zahlstelle der Tabakarbeiter in Zossen ist Friedrich Freiwald, Fischerstraße 125 

Der Tabak-Arbeiter, 04.02.1906, S. 3  

„Zossen. Der Setzer Franz Mieth, die Drucker Wilhekm Rudolph und Alois Stattberger werden ersucht, die der hiesigen Bibliothek entliehenen Bücher umgehend zurückzugeben. Die Herren Vertrauensleute werden gebeten, die Genannten auf diese Notiz aufmerksam zu machen.“ 

Korrespondent, 08.02.1906, S. 6 

21. Februar 

In der Wahlvereinsversammlung werden die Genossen Tausendfreund und Roßberg als Delegierte zur Generalversammlung des Wahlvereins Teltow-Beeskow-Charlottenburg gewählt. Am 18. März soll aus Anlaß des dreijährigen Bestehend des SPD-Ortsvereins ein Stiftungsfest gefeiert werden. Genosse Rackow wünscht stärkere Agitation unter Frauen. Das Mitglied Schmiedendorf wird ausgeschlossen wegen Handlungen die mit den Anschauungen seiner Genossen nicht vereinbar sind. Die Bibliothek des Ortsverein soll stärker genutzt werden. 

Vorwärts, 01.03.1906 , S. 16 

11. März 

In Zossen findet eine Flugblattaktion der SPD statt. Vorwärts, 10.02.1906, S. 15  In Zossen wurden in der letzten Versammlung des Ortsvereins der SPD 12 Personen aufgenommen. 

Vorwärts, 13.03.1906, S. 11 

18. März

Volksversammlung „für Männer und Frauen“ im Lokal Schimke. Thema: „Über die Revolution 1848“. Referent ist Genosse Ucko. An der Versammlung nahen 250 Personen teil.  

Vorwärts, 16.03.1906, S. 13; Vorwärts, 20.03.1906, S. 11 

25. März 

Der Berliner Arbeiter-Radfahrer-Verein führt eine Fahrradtour nach Zossen durch. 

Vorwärts, 23.03.1906, S. 7  

„In der letzten sehr gut besuchten Mitgliederversammlung erstattete Genosse Rohsberg den Bericht von der Kreisgeneralversammlung. Für den 1. Mai beschloß man, nachmittags 1 Uhr eine öffentliche Versammlung bei Schimke einzuberufen und um ½ 4 Uhr einen Ausflug nach Endes See und Waldschloß in Neu-Dabendorf zu unternehmen. Anstelle des von seinem Posten als Bezirksführer zurücktretenden Genossen Zibell wurde Genosse Stellmacher gewählt. Der vom Vorstand bisher nur provisorisch eingesetzte Genosse Eisenhauer als Lokalkommissionsmitglied wurde von der Versammlung einstimmig bestätigt. Genosse Rackow brachte unter Verschiedenes noch Miserable Zustände des hiesigen Herbergswesens zur Sprache, worauf die Versammlung den Beschluß faßte, durch Eingabe einer Petition bei der Behörde auf Beseitigung derselben hinzuwirken.“ 

Vorwärts, 27.03.1906, S. 15  

„In Zossen, wo wir in der dortigen Kunst- und Buchdruckerei zwölf Mitglieder haben, sind die Lohnverhältnisse, nicht ohne Schuld der dort Beschäftigten, ungünstiger geworden. Es muß unsere nächste Aufgabe sein, die seinerzeit anerkannten Forderungen, welche sich an die Berliner Abmachungen anlehnten, wieder zur Geltung zu bringen.“ 

Buchbinder-Zeitung, 21.04.1906, S. 125 

1. Mai 

„Die von den Zossener Genossen zum erstenmal anberaumte Maifeier verlief in großartiger Weise. Vor zirka 200 Personen hielt Genosse Dr. Rosenberg ein wirkungsvolles Referat.“
„In Zossen prangte an dem äußersten Zweig einer Pappel vor der Kirche eine rote Fahne mit der Inschrift: „Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit“. Nach einiger Kletterübung der Polizei war das gefährliche Instrument verhaftet." 

Vorwärts, 03.05.1906, S. 6  

Der Ortsverein Zossen der SPD hat 120 Mitglieder. Die Einnahmen betragen 81 Mark, die Ausgaben 57,07 Mark. Die Nächste Mitgliederversammlung widmet sich dem Thema „Die politische Lage Deutschlands“. 

Vorwärts, 04.05.1906, S. 10  

Die Portland-Zementfirma Guttmann u. Jeserich hat 15 Streikbrecher in Zossen anzuwerben versucht.  

Vorwärts, 10.05.1906, S. 4  

„Den streikenden Lagerarbeitern der Portland-Zementfabrik Guttmann u. Jeserich ist es gestern früh gelungen, die 15 aus Zossen angeworbenen Arbeitswilligen von der weiteren Arbeit bei dieser Firma abzuhalten. Die Arbeitswilligen wurden nämlich am Mittwoch unter Bedeckung von Schutzleuten zur Arbeit geführt und am Abend in derselben Weise wieder nach dem Potsdamer Bahnhof begleitet. Unter diesen Umständen war es schwer, die Leute über den Streik aufklären zu können. Einige von den Streikenden entschlossen sich kurzerhand, denselben Abend nach Zossen zu fahren und dort am Donnerstag früh den Arbeitern am Bahnhof vor der Abfahrt nach Berlin über die Ursache des Streiks Aufklärung zu geben. Mit Unterstützung der dortigen Parteigenossen ist es gelungen, die Arbeiter von der weiteren Arbeit in Berlin fernzuhalten. Der Streik übet weiter seine Wirkung aus. Der Neuchateler Asphalt-Compagnie mangelt es an Zement bei dem Straßenbau. Deshalb erteilte diese Gesellschaft am Donnerstag früh 6 Uhr 20 ihrer Arbeiter Auftrag, den fehlenden Zement in der Rungestraße vom Kahn per Fuhrwerk abzuholen. Dieses Ansinnen lehneten die Arbeiter einmütig ab. Mithin ist der Stand des Streiks ein sehr günstiger. Wir bitten die Arbeiterschaft um ihre weitere Unterstützung.
Zentralverband der Handels- und Transportarbeiter.“ 

Vorwärts, 11.05.1906, S. 4  

Die Direktion von Guttmann und Jeserich ließ am Donnerstag durch den Kolonnenführer Krause aus Zossen 20 Arbeiter von Zossen mit dem Motorboot in die Rungestraße bringen, weil ihm der Weg per Bahn zu unsicher war. Diese Arbeitswilligen bekommen 6 Mark am Tag bei freier Beköstigung und Unterbringung auf Strohschütten im Zementschuppen auf dem Lagerplatz. Die alten Arbeiter erhielten 45 Pf. pro Stunde. 

Vorwärts, 13.05.1906, S. 4  

„Zum Streik in der Portland-Zementfabrik von Guthmann u. Jeserich: Die Firma behütet ihre Arbeitswilligen wie die Augäpfel; Polizei und Gendarmen helfen ihr dabei. Am Sonnabend wurden die aus Zossen herbeigeholten russisch-polnischen Arbeiter vom Lagerplatz in der Rungestraße per Motorboot nach Treptow befördert, von dort ging es mit der Ringbahn nach der General Papestraße und dann nach Zossen. Diese Arbeitswilligen haben nämlich ihre Familien in der Zossener Fabrikkaserne und sind kontraktlich für den ganzen Sommer verpflichtet. Als die Streikenden am Sonntag durch Dolmetscher mit ihnen sprachen, sagten sie, sie müßten ja arbeiten, sonst würden sie ausgewiesen. Am Sonntagnachmittag wurden die Ärmsten dann unter Gendarmeriebegleitung per Wagen über Mittenwalde nach Königswusterhausen transportiert und erst auf diesem gewaltigen Umwege kamen sie wieder nach der Rungestraße. Alles das aus Besorgnis vor den Streikposten, damit diese dem Unternehmer die Polen und Russen nicht abspenstig machen. In der Rungestraße und auch in der Charlottenburger Filiale des Werks werden die lieben Arbeitswilligen von Polizisten zu Wasser und zu Lande, zu Fuß und zu Pferde, heimlichen und unheimlichen, sorgfältigst bewacht.“ 

Vorwärts, 17.05.1906, S. 4 

10. Mai 

Mitgliederversammlung der Tabakarbeiter. Im Restaurant „Flora“. Die Abrechnung vom ersten Quartal ergab 89,71 Mark Einnahmen und 40,10 Mark Ausgaben. Die Gründung einer Lokalkasse mit je 15 Pf. Beitrag pro Monat wurde beschlossen. Als Delegierte zum Zossener Gewerkschaftskartell wurden die Kollegen Rakow und Hoffmann gewählt. Über die Maifeier berichtete Kollege Freiwaldt, daß jede Gewerkschaft ein Defizit von 55 Pf. zu tragen hätte. 

Der Tabak-Arbeiter, 03.06.1906, S. 6 

13. Mai 

Der Maschinenmeisterverein Zossen begeht den ersten Jahrestag seiner Gründung im Wald- und Seeschloß „Dabendorf“ u.a. mit Maschinenmeistern aus Berlin. Der Zossener Verein zählt 10 bis 12 Mitglieder. 

Korrespondent, 31.05.1906, S. 4 

15. Mai 

Im Rahmen von 43 Volks-Versammlungen in Groß-Berlin gegen den Entwurf des Preußischen Schulgesetzes fand auch in Zossen eine Veranstaltung bei A. Schimke, Barutherstraße 51 statt. Daran nahmen 300 Personen, darunter viele Frauen teil. Die Ausführungen des Referenten Fendel wurden mit großem Beifall aufgenommen. Als Gegner sprach Lehrer Löhr. Die Resolution gegen die Vorlage wurde einstimmig angenommen. 

Vorwärts, 15.05.1906, S. 7; Vorwärts, 17.05.1906, S. 12 

31. Mai 

Im Parteilokal bei Schimke findet eine öffentliche Volksversammlung statt. Thema: Zweck und Nutzen der Gewerkschaft. 

Vorwärts, 27.05.1906, S. 21  

„Zossen. Der Setzer Willy Bonitz aus Burg bei Magdeburg, geboren am 27. April 1885 (Hptb-Nr. 33351), wird hierdurch aufgefordert, sich sofort mit dem hiesigen kassierer in Verbindung zu setzen, widrigenfalls Ausschluß beantragt wird. Desgleichen wird der Setzer Richard Schierig (Hptb.-Nr. 56341) aufgefordert, daß der hieseigen Bibliothek entliehene Buchsofort nach hier zu senden. Die verehrlichen Funktionäre werden ersucht, die Betreffenden hierauf aufmerksam zu machen.“ 

Korrespondent, 14.06.1906, S. 5  

Zwei von drei im Odergau in Betrieb befindlichen Monotypesetzmaschinen stehen in der DBK in Zossen 

Korrespondent, 19.06.1906, S. 2 

Abschluß der Lohnbewegung bei den Zimmerern in Zossen. Eine Aufbesserung des Lohnes von 47 auf 50 Pf. ist seit dem 1. April erfolgt, noch bevor eigentlich die Forderung den Arbeitgebern zugestellt war.

Der Zimmerer, 30.06.1906, S. 4 

Meldung zur Austrittskampagne aus der Evangelischen Landeskirche. Begründung und Verfahrenshinweise.

Vorwärts, 22.07.1906, S. 13 

„Zossen. „ Zeit- und Streitfragen“ lautete das Thema, welches in einer öffentlichen Gewerkvereinsversammlung auf der Tagesordnung stand. Durch diese Versammlung hofften die armen Gewerkvereinler jedenfalls, ihren gräßlich in den Dreck geratenen Vereinskarren wieder flott zu machen. Daß aber gerade das Umgekehrte eintrat, zeigte der ganze Verlauf der Versammlung. Zur Leitung der Versammlung hatten sich die Gewerkvereinler das Bureau gleich mitgebracht, was der Grund wurde zu einer erregten Geschäftsordnungsdebatte. Nachdem sich die zahlreich erschienenen Kollegen der freien Gewerkschaften mit dem rigorosen Verhalten der Leitung, um ein Scheitern der Versammlung nicht von vornherein stattfinden zu lassen, abgefunden hatten, und nachdem der Vorsitzende unter dem Gelächter der Versammlung duie Drohung fallen ließ, jeden Ruhestörer an die frische Luft befördern zu wollen, konnte endlich in die Tagesordnung eingetreten werden. Herr Neustedt-Berlin behandelte obiges Thema in ungefähr 1 1/1 stündiger Rede, wobei jedoch nichts Interessantes oder Wissenswertes weiter vorgebracht wurde. In den Versammlungsanzeigen waren die freien Gewerkschaften besonders eingeladen und ihnen freie Diskussion zugesichert worden. Um so größer war daher die Verwunderung, als vor Eintruitt in die Diskussion ohne weiteres vom Vorsitzenden eine Redezeit von 30 Minuten festgesetzt wurde, was selbstverständlich wieder eine große Mißstimmung unter den Erschienenen hervorrufen mußte. Nachj längerer Debatte und nachdem der Referent betont hatte, daß jeder einigermaßen Geschulte in 30 Minuten imstande sein müßte, das Gehörte zu widerlegen, wurde auf Beschluss der Versammlung eine unbegrenzte Redezeit festgesetzt. Als erster Diskussionsredner ließ sich ein Herr Schuhmacher vom Gewerkverein der Maschinenbauer hören, welcher in seiner 5/4 stündigen Rede über alles mögliche sprach, wobei er es selbstverstänlich an Anremplungen der freien Gewerkschaften und der Sozialdemokratie nicht fehelen ließ. So lange die beiden Redner der Gewerkvereine sprachen, herrschte in der Versammlung, abgesehen von den Störungen, welche vom Vorstandstisch kamen und an welchem inzwischen durch Zufuhr anregender Mittel für die noch folgende Diskussion vorgesehen wurde, leidliche Ruhe. Als jedoch Kollege Sickfeld-Berlin sich daran machte, die Argumente der beiden Vorredner unbarmherzig zu zerpflücken, war’s mit der Ruhe vorbei, was die Bildung der Gewerkvereinler, zu welcher sie nach Aussage ihres Referenten in ihren Mitgliederversammlungen erzogen würden, in geradezu bengalischer Beleuchtung erschienen ließ. Unser Kollege widerlegte Punkt für Punkt die Ausführungen der beiden Vorredner und rückte die Heldentaten des Gewerkvereins, welche derselbe in letzter Zeit bekanntlich in Menge verbrochen hat, ins rechte Licht. Als dann der Leib-Clowm der hiesigen Gewerkvereinler, der abgesägte Vorsitzende, ein hauptsächlich Berliner Kollegen bekannter Herr, das Wort ergriff und in an Wahnsinn genzendem Gebrüll die hiesigen Kollegen auf den rechten Weg zu weisen versuchte, hielten es die freien Gewerkschaftler mit ihrer Würde nicht mehr vereinbar, diese jämmerlichen Tiraden lange anzuhören, und verließen allesamt das Versammlungslokal, in welchem, die Referenten mitgerechnet, ganze achtzehn Mann vom Gewerkverein verblieben. Die Herren vom Gewerkverein haben mit dieser Versammlung wieder einmal bewiesen, daß es nicht gut ist, anders gesinnten Kollegen Terrorismus und dergleichen vorzuwerfen, wenn man selbst nicht frei von diesem Fehler ist, was ja dieser Abend gezeigt hat, und daß der Satz, welchen der Refent Neustedt aussprach: Man soll nicht mit Steinen werfen, wenn man im Glashaus sitzt, am besten auf den Gewerkverein paßt. Wir Kollegen vom Holzarbeiterverband können mit dem Resultat dieser Versammlung vollständig zufrieden sein, denn die Früchte derselben zeigen sich in dem massenhaften Austritt der Kollegen aus dem Gewerkverein und im Übertritt in den Deutschen Holzarbeiterverband; nur noch einige Zeit so weiter und der Gewerkverein kann sich begraben lassen.“

Holzarbeiter-Zeitung, 04.08.1906, S. 273

 In Zossen sind freie (weil von der SPD nutzbare) Lokale:
Verkehrs- und Versammlungslokal A. Schimke, Barutherstr. 51,
Restaurant „Flora“, Neuendorfer Chaussee,
Restaurant „Zur deutschen Eiche“, Weinberge.
Alle anderen Lokale sind gesperrt. 

Vorwärts, 19.08.1906, S. 21  

„Durch die letzthin erfolgten Aufnahmen ist unser Wahlverein nunmehr auf über 150 Mitglieder angewachsen. So erfreulich dieses Resultat an und für sich auch ist, so genügt es aber noch lange nicht, wie der Vorsitzende, Genosse Rakow, treffend bemerkte, sondern jeder einzelne Genosse muß auch druch tatkräftiges Mitarbeiten sein Teil dazu beitragen, immer mehr die Aufklärung in die breite Masse hineintragen zu helfen. Dies geschehe am besten durch eifrige Beteiligung an der Flugblattverteilung. Jeder Genosse muß es für seine vornehmste Pflicht halten, die Zahl der Agitationsmarken am Schluß des Jahres auf die höchste Ziffer zu bringen. Aus der letzten Monatsversammlung ist noch der Beschluß hervorzuheben, einen ständigen Berichterstatter für den „Vorwärts“ zu wählen, dessen Hauptaufgabe es sein soll, die Berichte aus dem hiesigen Stadtparlamente dem „Vorwärts“ zu übermitteln. Auch soll durch die Berichterstattung anderer die Arbeiterschaft berührenden Fragen von hier und der Umgebung das Interesse für den „Vorwärts“ rege gemacht werden. Als Berichterstatter wurde ein bekannter tätiger Genosse gewählt, auch ein Stellvertreter bestimmt. Ausgeschlossen wurden die früheren Genossen Ferd. Busak, Bauerdarbeiter und Hösel, Buchdrucker; ersterer wegen Streikbruchs, letzterer wegen unqualifizierbaren Betragesn in seinem früheren Aufenthaltsorte. Zur Kreisgeneralversammlung wurden die Genossen Kahl, Wettermann und Daske gewählt.“ 

Vorwärts, 26.08.1906, S. 18  

„Ein schwerer Unglücksfall ereignete sich am Freitagnachmittag in der hiesigen „Deutschen Buch- und Kunstdruckerei“. Der Maschinenmeister Plaßmann geriet auf bis jetzt nicht aufgeklärte Weise mit dem rechten Arm derartig zwischen Form und Walzen einer im Gange befindlichen Druckmaschine, daß es erst längerer Anstrengungen bedurfte, ihn aus der gefährlichen Lage zu befreien. Trotz der Schwere der Verletzung hofft der sofort herbeigeeilte Arzt Dr. Keilpflug dem Verletzten den Arm jedoch erhalten zu können.“ 

Vorwärts, 26.08.1906, S. 18  

Vorsitzender des Bezirksverein im Verein Zossen der Buchdrucker und Schriftgießer Deutschlands ist Franz Stangenberg, Kiez 14 c. Vorsitzender des Maschinenmeistervereins in Zossen ist Ernst Jung, Dabendorf bei Zossen. 

Korrespondent, 11.09.1906, S. 5; Korrespondent, 13.09.1906, S. 6

23. September

Konsumverein für Zossen und Umgegend eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht
Generalversammlung bei Schimke, Baruther Straßenbau
Nur Mitglieder haben Zutritt
Vorstand:
Reinhold Tschersich (Geschäftsführer)
Heinrich Schosnig (Kassierer)
Friedrich Saupe (Kontrolleur)

Vorwärts, 15.09.1906, S. 7 

Vorsitzender des Bezirksvereins der Deutschen Buchdrucker ist Franz Spangenberg, Kietz 14c: Kassierer: Karl Meyer, Chausseestraße 43.

Korrespondent, 02.10.1906, S. 6 

Der 1. Bevollmächtigte der Zahlstelle der Tabakarbeiter in Zossen wohnt jetzt in der Marktstraße 92

Der Tabak-Arbeiter, 23.09.1906, S. 4 

„Zossen. Mit den Zuständen in der hiesigen Internationalen Eisenbahn-Schlafwagengesellschaft beschäftigte sich eine kürzlich abgehaltene Fabrikversammlung. Die Wohnungs- und Lebensmittelpreise sind hier mindestens ebenso hoch wie in Berlin, doch stehen die Löhne weit zurück. Die schon früher nicht glänzenden Zustände haben sich nach dem Eintritt eines neuen Werkmeisters noch bedeutend verschlechtert. Durch Inserate herbeigelockt, sind auch viele verheiratete Kollegen hierher gekommen, ohne sich vorher über die Verhältnisse erkundigt zu haben; sie waren sehr bald enttäuscht, und die meisten suchen den Ort so schnell wie möglich wieder zu verlassen. Um die Arbeit noch billiger herzustellen, soll jetzt auch die Akkordarbeit eingeführt werden. Material und Werkzeug sind aber so mangelhaft, daß saubere Arbeit damit nicht hergestellt werden kann; dazu kommt, da es an sachkundigen Leuten bei der Leitung fehlt, eine schlechte Arbeitseinteilung. Auch in sanitärer Beziehung lassen die Arbeitsräume viel zu wünschen übrig. Die Kollegen waren einig, daß das Ansinnen, in Akkord zu arbeiten, entschieden zurückgewiesen werden muß. Es empfiehlt sich jetzt schon, den Zuzug von Holz- und Metallarbeitern fernzuhalten und beim Auftauchen von Arbeitergesuchen in den Zeitungen Erkundigigungen bei der Lokalverwaltung einzuziehen."

Holzarbeiter-Zeitung,, 29.09.1906, S. 337 

15. Oktober 

Neben anderen Ortsvereinen stellt sich auch der Zossener Ortsverein der Buchdrucker und Schriftgießer gegen die Ergebnisse der Unterhandlungen zwischen Gewerkschaftsführung und Arbeitgebern im Druckgewerbe:
„Die am 15. Oktober im Lokale des Herrn Schimke tagende stark besuchte außerordentliche Versammlung der Mitgliedschaft Zossen lehnt den Tarif und den Organisationsvertrag einstimmig ab aus folgenden Gründen:
Die Erhöhung der Grundposition um rund 10 Prozent steht nicht im geringsten Verhältnis zu der im Laufe der letzten fünf Jahre eingetretenen und noch anhaltenden enormen Steigerung aller Lebensmittelpreise und der Wohnungsmieten.
Die Versammlung hält vielmehr an einer allgemeinen 15prozentigen Lohnerhöhung und einer Verkürzung der Arbeitszeit täglich um eine halbe Stunde fest als der äußersten Grenze, innerhalb der sie einem Tarifabschluß ihre Zustimmung geben kann.
Dieses Verlangen erachtet die Versammlung um so berechtigter, als das gehilfenseitig Erreichte in gar keinem Verhältnis steht zu den Zugeständnissen, welche den Prinzipalen gemacht wurden.
Die Versammlung kann dem vorliegenden Organisationsvertrag nicht zustimmen, weil derselbe in seiner vorliegenden Fassung Paragraphen enthält, die in ihrer Auslegung zu weittragenden Folgen führen müssen, die Bewegungsfreiheit jedes einzelnen geradezu hindern und auch sonst geeignet sind, die ganze gewerkschaftliche Bewegung lahmzulegen.
Die Versammlung ersucht den Zentralvorstand, neue Verhandlungen mit der Prinzipalität auf dieser Grundlage in die Wege zu leiten. Will die Prinzipalität erneute Verhandlungen ablehnen, so ist unverzüglich eine außerordentliche Generalversammlung einzuberufen.“ 

Vorwärts, 17.10.1906, S. 9

15. Oktober 

Mitgliederversammlung der Zahlstelle der Tabakarbeiter bei Schimke. Die Abrechnung des dritten Quartals ergab 113,79 Mark Einnahmen und 66,82 Mark Ausgaben. Der Bestand der Lokalkasse war 4,40 Mark. Als Kontrolleur wurde Kollege Seifert und als Kartelldelegierter Kollege Lissek gewählt. Im Kartellbericht (Freiwald) wird vermerkt, dass ein Fabrikarbeiterverband in Zossen gegründet wurde und daß die Kollegen die gesperrten Lokale meiden sollen. „Unter dem Punkt: Wie verbessern wir unsre Lage, sprach Kollege Lissek. Er schilderte die Verhältnisse am hiesigen Orte in eingehender Weise und betonte speziell, daß der ortsübliche Minimallohn bezugnehmend auf die rapide Steigerung des Kostgeldes ein viel zu geringer sei. Gleichzeitig sprach er noch über die vorhandenen Mißstände in den einzelnen Fabriken und machte die Kollegen speziell darauf aufmerksam, ihren Arbeitgebern durch Hinweis auf die gesetzlichen Vorschriften zu zwingen, die gesundheitsschädlichen Zustände zu beseitigen. Kollege Rowusch erwiderte, daß die in Aussicht genommene Lohnbewegung der ungünstigen Konjunktur wegen zur nächsten Versammlung zurückgesetzt werden soll, was auch von der Mehrzahl der Kollegen angenommen wurde. Nachdem der 1. Vorsitzende die Aufforderung an die Kollegen erließ, sich mehr der politischen Organisation anzuschließen, wurden noch einige örtliche Verhältnisse besprochen und hierauf die Versammlung geschlossen.“ 

Der Tabak-Arbeiter, 25.11.1906, S. 2

28. Oktober

In imposanter von weit über 200 Personen besuchten Versammlung referierte am Sonntag Genosse Zubeil über „Deutschlands Politik und sein Panama“. Das Referat, in welchem Redner eingehend die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse Deutschlands kennzeichnete und zum Schluß zu lebhafter Aufklärungsarbeit aufforderte, wurde von den Versammelten mit grpoßer Begeisterung aufgenommen. Den Anfang der Versammlung hatte der hiesige Arbeitergesangverein „Freie Sänger“ mit dem stimmungsvollen Liede „Empor zum Licht“ eingeleitet.

Vorwärts, 31.10.1906, S. 11 

Zu den Lokalen, die der SPD in Zossen und Umgebung offenstehen kommen in Neu-Dabendorf bei Zossen das Restaurant von Wiese, früher Schenk, sowie das Seeschloß, jetziger Inhaber Haake, hinzu.
In Zossen steht das Lokal „Zur deutschen Eiche“ der SPD offen, während das Lokal „Große Weinberge“ gesperrt ist.

Vorwärts, 13.11.1906, S. 9; Vorwärts, 17.11.1906, S. 10

25. November

Im Vereinslokal findet die Kalenderverbreitung statt. Es ist die Pflicht jedes Parteimitgliedes sich zu derselben ½ 8 Uhr früh einzufinden.

Vorwärts, 18.11.1906, S. 21

5. Dezember

Ordentliche Generalversammlung des Ortevereins der SPD. Tagesordnung: 1. Wahl des Gesamtvorstandes; 2. Jahresbericht; 3. Wahl eines Bezirksführers; 4. Wahl zweier Delegierter zur Kreisgeneralversammlung.

Vorwärts, 02.12.1906, S. 13 

In Dabendorf bei Zossen veranstaltet am ersten Weihnachtsfeiertage der dortige Gesangsverein in dem gesperrten Lokal „Gasthof zum deutschen Kaiser“ ein Konzert mit anschließendem Ball. Wir ersuchen die Parteigenossen alle angebotenen Billets entschieden zurückzuweisen.
Die Lokalkommission

Vorwärts, 22.12.1906, S. 13

30. Dezember

„In Zossen nahm am Sonntag eine Volksversammlung zu den bevorstehenden Wahlen Stellung. Das Referat hatte Genosse Gebert-Charlottenburg übernommen, der in trefflicher Weise die verbrecherische Kolonialpolitik kennzeichnete. Das Verhalten des Freisinns, als dem Schildknappen der kulturwidrigen Politik der Regierung, fand die schärfste Verurteilung des Redners. Nach dem mit lebhaftem Beifall aufgenommenen Vortrag forderte Genosse Saupe zu reger Agitation auf. Am 15. Januar wird der Kandidat des Kreises, Genosse Zubeil in einer Wählerversammlung referieren.“

Vorwärts, 03.01.1907, S. 931. Dezember

Der Ortsverein des Metallarbeiterverbandes hat 27 Mitglieder. Der Ortsverein des Central-Verbandes der Maurer Deutschlands hat 159 Mitglieder.Metallarbeiter-

Zeitung,, 13.04.1907, S. 5; Der Grundstein, 30.03.1907, S. 4
 

1907

15. Januar

„Zossen. Hier tagte am Dienstag im Schimkeschen Lokal eine überaus stark besuchte Versammlung. Genosse Baake-Charlottenburg führte den Versammlungsteilnehmern unter großem Beifall vor Augen, daß sie in der Sozialdemokratie nur noch die Wahrerin und Vertreterin ihrer Interessen erblicken können. Die Stimmung der Versammelten läßt auch hier auf ein gutes Resultat hoffen. Den Schluß der Versammlung bildete das stimmungsvolle Lied des Gesangsvereins „Freie Sänger“ „Daß wir als Menschen Brüder sind“.

Vorwärts, 19.01.1907, S. 10

19. Januar

 Am heutigen Sonnabend findet die Wahlvereinsversammlung im Lokale von Herrn A. Schimke statt. Tagesordnung: „Die Reichstagswahl“. Es ist Pflicht, daß alle Genossen erscheinen.
Am Sonntag, den 20. Janauar, nachmittags 3 Uhr, findet in Dabendorf bei Zossen im Lokale des Herrn G. Fiedler eine Reichstagswählerversammlung statt. Referent: Genosse Obst.“

Vorwärts, 19.01.1907, S. 11

 25. Januar

 Reichstagswahlen
Die Konservativen erhalten 521 Stimmen, die SPD 268 Stimmen. Auf die Freisinnigen entfallen 167 Stimmen, auf Splitterparteien 1 Stimme. Eine Stichwahl erfolgt nicht, weil Zubeil bereits in der Hauptwahl die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen im Wahlkreis erhalten hat.

Paul Hirsch: Die Sozialdemokratie im Wahlkreise Teltow-Beeskow-Storkow-Charlottenburg, Charlottenburg 1908, S. 9

Der Ortsverein Zossen des Deutschen Holzarbeiter-Verbandes erhebt einen zusätzlichen Lokalbeitrag von 55 Pf. pro Woche

Holzarbeiter-Zeitung, 26.01.1907

17. Februar

Generalversammlung des Konsumverein für Zossen und Umgebung e.G.m.b.H. Tagesordnung: 1. Rechenschaftsbericht; 2. Ersatzwahl des Geschäftsführers; 3. Anstellung eines besoldeten Lagerhalters; 4. Verschiedenes. Vorsitzender des Aufsichtsrates: Franz Stangenberg.

Vorwärts, 10.02.1907, S. 14

25. Februar

Mitgliederversammlung der Tabakarbeiter. Tagesordnung: 1. Abrechnung vom 4. Quartal; 2. Wahl des Vorstandes; 3. Bericht vom Kartell; 4. Wahl der Kartelldelegierten; 5. Verbandsangelegenheiten. Die Rechnung verlas Kollege Freiwald. Die Einnahmen betrugen 88,89 Mk, die Ausgaben 43,96 Mk. Als 1. Bevollmächtigter wurde Kollege (Friedrich) Freiwald, als 2. Bevollmächtigter (Gustav) Krause und als Kontrolleure Rowusch und Seifert gewählt. Den Kartellbericht erstattete Kollege Lissek. Die Lackierer, welche der Zahlstelle Berlin angehörten, haben sich dem hiesigen Kartell angeschlossen. Ferner wurde ein Gesetzbuch zum Betrage von 10 Mk. Angeschafft und die Neue Zeit abonniert. Der Kassenbestand betrug am 1. Oktober 24,05 Mk. Und am 31. Dezember 72 Mk. Als Delegierter wurde Kollege Rowusch gewählt. Unter Verbandsangelegenheiten wurde der von voriger Versammlung zurückgesetzte Punkt, Wie verbessern wir unsre Lage?, besprochen. Es kam die Versammlung zu dem Entschluß, bei den Fabrikanten eine Lohnerhöhung von 50 Pf. zu fordern und die ganze Angelegenheit einer Kommission zu übertragen. Auch wurde betont, daß in der Fabrik von Gaebert als Spucknapf eine Kautabakkiste zur Verfügung gestellt wurde.“

Der Tabak-Arbeiter, 10.03.1907, S. 3

10. März

Außerordentliche Generalversammlung des Konsumvereins Zossen und Umgebubg. Tagesordnung: 1. Ersatzwahlen a) eines Kassierers, b) eines Kontrolleurs, c) sieben Aufsichtsratsmitglieder und zweier Stellvertretter; 2. Statutenänderung:
Aufsichtsratsvors. Franz Stangenberg

Vorwärts, 03.03.1907, S. 20

Die Zimmerer in Zossen fordern einen neunstündigen Arbeitstag und 60 Pf. Arbeitslohn. Bisher arbeiten Sie 10 Stunden und erhalten 40 Pf.

Der Zimmerer, 13.04.1907, S. 133f

12. April

Nach langer Krankheit stirbt im Alter von 39 Jahren der Mitbegründer des Zossener Ortsvereins der SPD Johannes Engler

Vorwärts, 14.04.1907, S. 7 und S. 18

1. Mai

Versammlung mit Tagesordnung: „Die Bedeutung des 1. Mai“, Referentin: Frau Anna Hesch und H. Mietz.
Es nehmen 100 bis 120 Personen teil.

Vorwärts, 28.04.1907, S. 6; Vorwärs, 03.05.1907, S. 11 

Die „Freien Sänger“ Zossen proben Sonnabends in Schimkes Lokal.

Vorwärts, 16.05.1907, S. 10

26. Mai

Gautag des Gaues 1 des Deutschen Buchbinderverbandes in Brandenburg. 19 Delegierte und 3 Vertreter des Gauvorstandes anwesend. Zossener Delegierter ist Milz. Die Situation hinsichtlich der Organisation wird von Milz als gut bezeichnet.
„Am Ort ist eine Kunstdruckerei, in welcher sämtliche Kollegen organisiert sind. Die Fluktuation ist eine sehr große. Der Lohn beträgt jetzt 24 Mk. Bei neunstündiger Arbeitszeit. Durch ein geschlossenes Vorgehen konnten die Kollegen eine Lohnzulage von 1,50 Mk. Pro Woche erreichen.

Buchbinder-Zeitung, 08.06.1907, S. 184

7. Juli

Generalversammlung des Zentralwahlvereins Teltow-Beeskow-Storkow-Charlottenburg. 24 Orte mit 3, 10 Orte mit 2 und 7 Orte mit 1 Delegierten vertreten. Deutsch-Wusterhausen und Mittenwalde fehlten. Darüber hinaus waren 7 Mitglieder des Vorstandes, 3 Revisoren, 3 Vertreter der Preßkommission, 2 der Lokalkommission und 1 Delegierter der Agitationskommission sowie der Reichstagsabgeordenet Zubeil zugegen. Zum Thema „Der internationale Sozialistenkongreß in Stuttgart“ wurde vom Redner Paul Hirsch hinsichtlich des 1. Mai eine Resolution unterbreitet: „Die Kreisgeneralversammlung verpflichtete ihre Delegierten, sich in bezug auf die Frage der Maifeier auf den Boden des Beschlusses des Mannheimer Parteitages zu stellen, d.h. für die allgemeine Arbeitsruhe am 1. Mai einzutreten.“
In der Diskussion trat der Zossener Delegierte Wainzier gegen ein gebundenes Mandat auf. Der Antrag des Vorstandes wurde nahezu einstimmig angenommen. Als Delegierte zum Sozialistenkonkress wurden Hirsch-Charlottenburg, Zietsch-Charlottenburg und Pagel-Rixdorf gewählt.

Vorwärts, 09.07.1907, S. 5

1. August

„Am 1. August fand in dem Restaurant Flora eine Mitgliederversammlung mit folgender Tagesordnung statt: 1. Abrechnung vom 2. Quartal; 2. Stellungnahme zum Internationalen Tabakarbeiterkongreß; 3. Kartellbericht; 4. Verbandsangelegenheiten. Zum 1. Punkt erstattete Kollege Freiwaldt die Abrechnung vom 2. Quartal, danach beliefen sich die Einnahmen auf 106,53 Mark, die Ausgaben auf 68,39 Mark, bleibt mithin ein Kassenbestand von 37,99 Mark. Zum 2. Punkt wurde Kollege Max Kiesel-Berlin als Delegierter vorgeschlagen und einstimmig gewählt. Dann gab Kollege Freiwaldt den Kartellbericht. Auf seinem Antrag wurde vom Kartell beschlossen, in den hiesigen Gewerkschaften für die ausgesperrten Tabakarbeiter und Arbeiterinnen Sammlungen zu veranstalten. Zu diesem Zwecke werden Listen ausgegeben und dieselben den Delegierten der betr. Gewerkschaften zugestellt. Außerdem wurde beschlossen, auch einen Beitrag aus der Kartellkasse, sowie auch aus den verschiedenen Lokalkassen zu bewilligen. Zum 4. Punkt wurde beschlossen, das Mitglied A. Wartig aus Mittenwalde aus dem Verbande auszuschließen, da derselbe mehrfacher Aufforderung, seine Beiträge zu bezahlen, nicht nachgekommen ist. Es machte sich dadurch die Wahl eines Kontrolleurs notwendig; hierzu wurde Kollege Wollitz vorgeschlagen und gewählt. Die Versammlung wurde von dem ersten Bevollmächtigten Freiwaldt mit der Ermahnung, die Versammlungen in Zukunft besser zu besuchen und mit einem Hoch auf die Organisation geschlossen.“

Der Tabak-Arbeiter, 25.08.1907, S. 8

4. August

Öffentliche Versammlung bei Schimke. Thema: „Die Frau im öffentlichen Leben“. Referent Fritz Zubeil.

Vorwärts, 03.08.1907, S. 9

11. August

Der Arbeiterturnverein in Zossen hält sein Sommerfest bei Schimke, Barutherstr. 10 ab. Der Vorstand des Wahlvereins bittet die Genossen daran teilzunehmen. Nachmittags 3 Uhr beginnt der Festzug durch die Stadt nach dem Festlokal. Festkarten sind beim Genossen Rakow, Berlinerstr. 4 zu haben.

Vorwärts, 08.08.1907, S. 10

8. September

Sommerfest des Wahlvereins im Lokal Schimke.

Vorwärts, 04.09.1907, S. 9

26. September

Gewerkschaftskartell Zossen erstmals im Adressverzeichnis
Vorsitzender: Alfred Günther, Stubenrauchstr. 4 III

Correspondenz-Blatt des ADGB, Adressbeilage 4, 26.09.1907, S. 7

2. Oktober

Kunstabend des Gewerkschaftskartells im Lokal Schimke

Vorwärts, 02.10.1907, S. 9  

9. Oktober

Außerordentliche Mitgliederversammlung des Wahlvereins. Tagesordnung: Stellungnahme zu der vom Gewerkschaftskartell eingereichten Petition betreffend Beteiligung an der im November stattfindenden Stadtverordnetenwahl.

Vorwärts, 08.10.1907, S. 9

18. Oktober

Öffentliche Versammlung zur bevorstehenden Stadtverordnetenwahl. Redner: Fritz Zubeil.

Vorwärts, 15.10.1907, S. 9 

18. Oktober

Über die bevorstehenden Stadtverordnetenwahlen referierte in einer öffentlichen Versammlung der Genosse Küter-Schöneberg. Er betonte die Notwendigkeit der Vertretung der Sozialdemokratie in der SVV. Die Versammlung nahm eine Resolution an, nach welcher sie sich verpflichtete, bei den bevorstehenden SVV-Wahlen für die Kandidaten der SPD einzutreten.
Als Kandidaten für die II. Wählerklasse wurden die Genossen Bauhilfsarbeiter Bernhard Schulze und Schlosser Adolf Vogt aufgestellt.

Vorwärts, 22.10.1907, S. 11

 „Die Stadtverordnetenwahlen finden für die dritte Wählerabteilung am 8. November von vormittags 11 Uhr bis nachmittags 2 Uhr statt. Die Petition, die wahlzeit auf nachmittags von 5 bis 8 Uhr zu verlegen, um somit auch der großen Msse der Arbeiter die Möglichkeit zu geben, ihr Wahlrecht ohne größeren Arbeitsverlust ausüben zu können, ist unberücksichtigt geblieben.
Es muß nunmehr erst recht jedes Genossen Pflicht sein, für die Wahl der sozialdemokratischen Kandidaten Bernh. Schulze und Ad. Vogt zu agitieren. Die Arbeiterschaft wird zeigen müssen, daß sie sich trotz der Nichtberücksichtigung der Petition ihr Wahlrecht ausübt.“

Vorwärts, 26.10.1907, S. 14

31. Oktober

Öffentliche Versammlung „Welche Interessen vertritt der Haus- und Grundbesitzerverein in der Kommune?“ Referent Ewald-Berlin.

Vorwärts, 29.10.1907, S. 9   

„Achtung Zossen! Die ehemaligen Sänger des Gesangsvereins „Freie Sänger“ werden hiermit zu unserer am Sonnabend, dem 16. Novbr., abends 8 Uhr im Lokale des Herrn Scimke stattfindenden Feier des 5. Gründungstages eingeladen. I.A.: F. Saupe, Stubenrauchstr.4“

Vorwärts, 06.11.1907, S. 13

1. Dezember

Demonstrationsversammlung bei Schimke.. Es spricht Paul John vor 200 Versammelten zur Frage der Wahlrechtsreform.Wie auf allen gleichzeitig stattfindenden Demonstrationsversammlungen wurde über die Resolution des Parteivorstandes abgestimmt, die einstimmig angenommen wurde.

Vorwärts, 03.12.1907, S. 14.

16. Dezember

“Boykottposten. Die Fälle, in denen man das „Mädchen für alles“, den berüchtigten groben Unfugparagraphen, trotz der Judikatur des Reichsgerichts und Kammergerichts gegen gesetzlich erlaubtes Boykottpostenstehen anmarschieren läßt, mehren sich neuerdings. So fand am Montag vor dem Zossener Schöffengericht eine Verhandlung gegen den Boykottposten-Sünder Genossen Landskron statt. Er hatte vor dem gesperrten Lokal „Zur deutschen Eiche“ (Besitzer Hansche) Boykottposten gestanden. Das war von der Wohllöblichen als „grober unfug“ angesehen und ihm ein Strafmandat von 15 Mk. Auf den Hals geschickt worden. Er beantragte gerichtliche Entscheidung. In der Verhandlung wetterte der Amtsanwalt Bürgermeister Dr. Wirth fürchterlich gegen die böse Sozialdemokratie. Unter naderem führte er aus, „die hiesige Sozialdemokratie wolle den Wirt Hansche vernichten“, ferner marschierte der „sozialdemokratische Terrorismus“ auf, überhaupt sei der ganze Fall „ein Bild des Zukunftstaates“. Er beantragte 30 Mark Geldstrafe oder drei Tage Haft. Das Urteil lautete auf 15 Mark Geldstrafe und Tragung der Kosten. Zweifellos wird Genosse Landskron gegen dieses Urteil. Welches mit dem Gesetz und den Urteilen des reichs- und Kammergerichts unvereinbar ist, Berufung einlegen.“ In der Berufung wurde Landskron auf Antrag der Staatsanwaltschaft freigesprochen.

Vorwärts, 19.12.1907, S. 11; Vorwärts, 21.03.1908, S. 6

31. Dezember

Der Ortsverein des Metallarbeiterverbandes hatte 1907 52 Mitglieder. Der Ortsverein des Zentralverbandes der Maurer hatte 135 Mitglieder. Das Gewerkschaftskartell vereinigte 8 Gewerkschaften und hatte 381 Mitglieder.

Metallarbeiter-Zeitung, 18.04.1907, S. 5.
Der Grundstein, 04.04.1907, S. 4
Statistische Beilage des Correspondenz-Blatt, Nr. 4, 30. Mai 1908, S. 124.

1908

 19. Januar

 Flugblattverbreitungsaktion; Treffpunkt bei Schimke

Nachmittags bei Fiedler, Dabendorf, von Gewerkschaftskartell organisierter humoristischer Abend.

Vorwärts, 19.01.1908, S. 13

 20. Januar

 Versammlung der Tabakarbeiterzahlstelle Zossen: u.a. Wahl
1. Bevollmächtigter F. Freiwaldt, 2. Bevollmächtigter W. Busack; Kontrolleure G. Reetz und M. Seifert.

Tabakarbeiter-Zeitung, 19.01.1908, S. 4; Tabakarbeiter-Zeitung,02.02.1908, S. 3

 „Wie notwendig es ist, Polizeibeamte Unterricht in Gesetzeskunde nehmen zu lassen, zeigt folgender Fall: Bei der Flugblattverbreitung am letzten Sonntag (vor der Kirchzeit) gab ein Genosse auch ein Flugblatt in der Wohnung des Polizeibeamten Janecke ab. Dasselbe wurde von der Frau des Janecke mit Entrüstung zurückgewiesen. Der betreffende Flugblattverbreiter ging dann seines Weges und wurde, nachdem derselbe noch einige Zettel verteilt hatte, von dem Polizeibeamten Janecke angehalten. Der Beamte wollte nun den Genossen belehren, daß das Flugblattverbreiten am Sonntag eine öffentliche Arbeit sei und er das Verbreiten verbieten müßte. Auf die gegenteiligen und energischen Vorhaltungen des Genossen wurde derselbe sistiert und zur Wache gebracht, Dort wurden seine Personalien festgestellt. Der Polizeisergeant verschwand auf einige Augenblicke, um den Bürgermeister Dr. Wirth um Rat zu fragen. Nach der kurzen Beratung wurde dem Flugblattverbreiter eröffnet, daß die Flugblätter beschlagnahmt seien, er selbst könne gehen. Nach zwei Tagen erhielt der sistierte Flugblattverbreiter ein Schreiben folgenden Inhalts:
„Die von dem Polizeisegeanten Janecke weggenommenen Flugblätter können Sie im Zimmer Nr. 8 wieder abholen. Gez. Dr. Wirth.“
Der Genosse schrieb der Polizeibehörde zurück, daß er die „weggenommenen Flugblätter“ in sein Haus gebracht haben wolle. Eine Antwort hierauf sowie die Flugblätter sind bisher ausgeblieben. Was geschieht nun?“

Vorwärts, 25.01.1908, S. 11

 22. Januar

 In der Generalversammlung des Wahlvereins erstatteten der erste Vorsitzende, Genosse B. Schulz, sowie der Kassierer, Genosse Fritz Saupe, ihren Jahresbericht. Es fanden statt: 8 öffentliche und 12 Mitgliederversammlungen und 2 Flugblattverbreitungen. Die Mitgliederzahl beträgt zurzeit 96. Der Kassenbericht weist eine Jahreseinnahme von 344,52 M. und eine Ausgabe von 340,60 M. auf. Die Neuwahl des Vorstandes ergab folgendes Resultat: Willi Gieske, erster Vorsitzender; Hermann Wißmann, zweiter Vorsitzender; Fritz Saupe, Kassierer; W. Sandmann, Schriftführer; Bernhard Schulze, Beisitzer. Als Revisoren wurden die Genossen Ernst Rönnebeck und Lorenz Voigt gewählt. Von dem Vorsitzenden wurde aufgefordert, sich an allen Parteiarbeiten lebhaft zu betätigen. Eine lebhafte Diskussion entspann sich über die Berliner Polizeiattacken anläßlich der Wahlrechtsdemonstration am 12. Januar. Zum Schluß wurde durch die Annahme einer Resolution den Genossen Berlins für ihr taktvolles Verhalten volle Anerkennung ausgesprochen und das geradezu widersinnige und unberechtigte Vorgehen der Polizei scharf verurteilt.

Vorwärts, 28.01.1908, S. 11

Im Zusammenhang mit der am 24. Januar in Leipzig stattgefundenen Gaumitgliederversammlung wird im Bericht im „Korrespondent“ festgehalten: „Der Setzer Andr. Pessel, der hier in der tarifuntreuen Firma Karl Marquart stand, ist in Zossen aufgetaucht, mutmaßlich unter Protektion des frühern Mitgliedes Crackow, welches sich den Import von Tarifsündern scheint angelegen sein zu lassen. Hoffentlich zeigen ihm die dortigen Mitglieder, inwieweit er diesen Sport treiben darf.“
Darauf stellt Crackow in Nr. 24 des „Korrespondent“ richtig: „In Nr. 20 des „Korr.“ befindet sich unter Leipzig eine Notiz, die sich mit meiner Person beschäftigt. Ich erkläre hiermit, daß ein Import eines nichttariftreuen Gehilfen von mir nicht stattgefunden hat, im Gegenteile mir die Herkunft des pp. Pessel erst aus der fraglichen Notiz bekannt wurde. Adolf Crackow.“

Korrespondent für Deutschlands Buchdrucker und Schriftgießer, 18.02.1908, S. 2; Korrespondent für Deutschlands Buchdrucker und Schriftgießer, 27.02.1908, S. 4

 29. Januar

 „In der am 29. Januar abgehaltenen Generalversammlung des hiesigen Ortsvereins wurde der alte Vorstand wiedergewählt. Ferner wurde die Einführung des „Korr.“-Obligatoriums beschlossen, und zwar pro Mitglied ein Exemplar.. In dem gegebenen Jahresberichte wurde erwähnt, daß das vergangene Jahr ein arbeitsreiches war und sich die Versammlungen leider allzuviel mit internen Sachen zu befassen hatten. Es wurde allgemein der Wunsch laut, daß das nächste Jahr in dieser Beziehung ein besseres Bild zeitigen möchte. Die Orts- sowie Bezirkskasse wiesen trotz mancher Verluste und sonstigen größeren Ausgaben einen günstigen Stand auf. Die Versammlungen waren durchschnittlich von der Hälfte der Mitglieder besucht."

 Korrespondent für Deutschlands Buchdrucker und Schriftgießer, 13.02.1908; S. 6

 „Mit 1034 Mark flüchtig geworden ist der in der Deutschen Buch- und Kunstdruckerei beschäftigte Heizer Rauter. R. Erhielt vom Direktor Wagner obige Summe, um dieselbe bei der Post einzuzahlen. Als er nach Ablauf einer Stunde nicht zurückkehrte, fragte man telephonisch bei der Post an; von hier wurde der Bescheid, daß kein Bote dagewesen sei. Eine Nachfrage in seiner Wohnung führte zu demselben Ergebnis. Später stellte sich heraus, daß Rauter mit dem nächsten Zug nach Berlin gefahren ist.“

Vorwärts, 02.02.1908, S. 19

 26. Februar

 „In der letzten sehr gut besuchten Wahlvereinsversammlung gedachte zunächst der Vorsitzende in warm empfundenen Worten der verstorbenen Parteigenossen Meist und Kloß. Hierauf hielt Genosse Saupe ein Referat über „Landtagswahlen“. Dem interessanten Vortrag folgte eine rege Diskussion. Den Bericht von der Kreis-Generalversammlung gab Genosse Wißmann. Mit Befriedigung wurde aufgenommen, daß im Kreise eine Zunahme der Mitgliederzahl zu verzeichnen ist. Als Delegierter zur Verbands-Generalversammlung wurde der Vorsitzende Genosse Gieske gewählt. Zum Beisitzer wählte die Versammlung den Genossen Zibell. - In der Boykottangelegenheit wurde vom Vorsitzenden mitgeteilt, daß das Lokal von Hansche „Zur Eiche“ noch immer gesperrt und nicht, wie angenommen, freigegeben ist. Es wurde auch darauf hingewiesen, daß sich verschiedene freigewerkschaftlich Organisierte sich des Kontraktbruchs schuldig gemacht haben.“ (Kontraktbruch wurde zu Boykottbruch geändert.

Vorwärts, 01.03.1908, S. 18; Vorwärts, 03.03.1908, S. 15

 Neu-Dabendorf bei Zossen. Bei der Gemeindewahl erhielt der von uns aufgestellte Kandidat Genosse Kahl 8 Stimmen, der Kandidat des Interessentenvereins 5 und der Bauernkandidat 26 Stimmen., letzterer ist somit gewählt. Daß unsere Stimmenzahl eine so niedrige ist, liegt daran, daß sogar freigewerkschaftlich organisierte Maurer ihre Stimme dem Bauernkandidaten gaben. Viele hielten es gar nicht für nötig, zur Wahl zu gehen. Das ist sicherlich ein Beweis, daß wir noch viel Aufklärungsarbeit zu verrichten haben.“

Vorwärts, 18.03.1908, S. 14

 22. März

 Wahlrechtsversammlung „Preußen 1848-1908“. In Zossen sprach Genosse Kubig-Pankow vor 150 Versammelten. Der Gesang-Verein „Freie Sänger“ trug vor wie nach der Versammlung einige Stimmungsvolle Lieder vor. Die Polizei war stark vertreten, auch hatte man die Gendarmerie aus der Umgebung herangezogen; sogar der hiesige Bahnhof war von Gendarmen besetzt. Wahrscheinlich glaubte man, daß sich eine Anzahl Berliner am Demonstrationszuge beteiligen würden. Es verlief jedoch alles ruhig.“

 Vorwärts, 25.03.1908, S. 11

 „Zossen. Eine unliebsame Störung erfuhr das Begräbnis des verstorbenen Genossen Flentja. Der Friedhofsverwalter Harms untersagte den Kranzträgern die üblichen Widmungsworte am Grabe zu sprechen. Genosse Rönnebeck, der einen Kranz im Auftrage des Gewerkschaftskartells niederlegte, glaubte nicht notwendig zu haben, den eigenartigen Anordnungen des Friedhofsverwalters Folge zu leisten. Als er die Worte: „Gewidmet vom Gewerkschaftskartell“ ausgesprochen hatte, erschien auch schon der Gendarm Goldbach auf der Bildfläche zund stellte die Personalien Rönnebecks fest. Durch diesen Akt war natürlich die Begräbnisfeier erheblich gestört worden. Und wenn kurz vorher noch der Superintendent Herr Schmitt in seiner Trauerrede von Liebe usw. gesprochen hatte, so wurde durch diesen Zwischenfall der ganze Trauerakt in eine ganz entgegengesetzte Beleuchtung gerückt.“

 Vorwärts, 28.03.1908, S. 19

 „In Zossen, wo in einem größeren Betriebe (Buchdruckerei) alle unsere Berufsangehörigen der Organisation angehören, sollte eine Lohnbewegung eingeleitet werden. Durch besondere Umstände mußte aber davon abgesehen und diese fürs nächste Jahr vertagt werden. (Ist bereits geschehen und mit Erfolg abgeschlossen.)“
In Zossen besteht keine Zahlstelle. 

 Buchbinder-Zeitung, 04.04.1908, S. 106

 Das Lokal von A. Schimke in der Barutherstr. 10 wird im April 1908 von P. Kurzner übernommen. 

 Vorwärts, 22.04.1908, S. 13

 Zur Landtagswahl liegen die Urwählerlisten an folgenden Orten in Zossen aus: Otto Rackow, Berliner Straße; W. Gieske, Barutherstr. 12; Kurzner, Reataurant, Barutherstr.; Restaurant „Flora“ Nächst-Neuendorf; Wilhelm Sandmann, Nächst-Neuendorf.“

 Vorwärts, 29.04.1908, S. 13

 4. Mai

 „Am 4. Mai hielte unser Gauleiter, Kollege Unger, hier einen Vortag über: „Die Bedeutung der Organisation“. Infolge der Zerfahrenheit und Zerwürfnisse, unter denen die hiesige Ortsverwaltung zu leiden hatte, betonte der Redner insbesondere die Pflege der Kollegialität. Nur dadurch könne etwas Gemeinsames geschaffen werden. Die Diskussion war eine sehr lebhafte, und wird allgemein die Erwartung gehegt, daß die Klärung der Differenzen den Fortbestand der Filiale sichert. Nach Erledigung der Vorstandswahl, welche sehr glatt vonstatten ging, wurden noch einige Internas erledigt, worauf Schluß der Versammlung erfolgte.“

 Sattler-Zeitung, 22.05.1908, S. 85

11. Mai

 „Zossen. Die vereinigten Freisinnigen und Nationalliberalen hatten am Montag eine Wählerversammlung im Dähneschen Lokal einberufen, zu der sich im ganzen 22 Wähler eingefunden hatten. Referenten waren die Herren Dr. Tubenthal und Dr. Liepmann. Letzterem kam der schwache Versammlungsbesuch insofern zustatten, als er ganz heiser war und sich nur den Wählern Zossens vorstellen wollte. Beide Redner gaben sich denn auch redliche Mühe, den paar Leuten begreiflich zu machen, daß das Dreiklassenwahlrecht nur abgeschafft werden kann, wenn der Freisinn seine am 10. Januar im preußischen Landtage bereits gezeigte „Mannhaftigkeit“ auch später zur Geltung bringe, d. h. sich von Bülow auch in Zukunft wieder ohne Murren ohrfeigen lasse. Daß die beiden Redner und „Wahlrechtskämpfer“ die Liberalen Breitscheid und Barth mit der Sozialdemokratie auf eine Stufe stellten und betonten, daß dieselben genau so zu bekämpfen seien wie die Sozialdemokratie, läßt ihren Enthusiasmus für die Beseitigung des Dreiklassenwahlsystems in ganz besonderem Lichte erscheinen. Alles in allem: Beide Redner haben mit ihren Ausführungen den Beweis erbracht, daß sie sich den Gegnern des gleichen und geheimen Wahlrechts absolut würdig zeigen.“

 Vorwärts, 14.05.1908, S. 9

 26. Mai

 „In der Landtagswählerversammlung am 26. Mai referierte vor 150 Personen Genosse Ucko. Der Beifall der Versammelten am Schlusse seines Referats bewies, daß der Referent die Zustände Preußens richtig gewürdigt hatte. In einer einstimmig angenommenen Resolution verpflichten sich die Versammelten, ihr Teil dazu beizutragen, daß an Stelle des Dreiklassenwahlrechts das allgemeine, gleiche und geheime Wahlrecht zum preußischen Landtag eingeführt wird. Zum Schluß forderte der Vorsitzende zum Beitritt in den Wahlverein und Abonnement auf den „Vorwärts“ auf.“

 Vorwärts, 28.05.1908, S. 13

 2. August

 Der Zossener Arbeiterturnverein (Mitglied des Arbeiterturnerbundes) feiert im Lokal des Herrn Kurzner sein dreijähriges Bestehen. Es wird ein Schauturnen neben sonstigen Vorführungen durchgeführt. 

 Vorwärts, 31.07.1908, S. 10

 16. August

 Das Gewerkschaftskartell führt im Lokal Barutherstr. 10 ein Gewerkschaftsfest durch.

 Vorwärts, 15.08.1908, S. 10

 20. August

 „Zossen. Am 20. August fand hier unsere regelmäßige Mitgliederversammlung statt, in welcher Kollege Exner-Berlin einen belehrenden und interessanten Vortrag hielt über die gegenwärtige Lage in der deutschen Holzindustrie. Zum Schlusse seiner Ausführungen ermahnte der Referent die Kollegen, sich nicht abschrecken zu lassen und trotz der schlechten Konjunktur fest zur Organisation zu halten. Jeder Kollege sollte noch immer werben, damit auch hier unsere Lebenshaltung nicht noch weiter herabgedrückt wird, als sie es ohnehin schon ist. In der Graf Arnimschen Hoftischlerei gibt es Kollegen, die 15, 20, ja 25 Jahre in demselben Betriebe stehen und mit 15 Mk. Wochenlohn abgespeist werden. Es ist aber allbekannt, daß wo die Organisation schlecht ist, auch die Löhne schlecht sind, und daß dort die längste Arbeitszeit herrscht. Darum, Kollegen, wachet auf und besucht auch hier besser die Mitgliederversammlungen, welche jeden Donnerstag nach dem 15. stattfinden, um das Notwendige zu besprechen und zu beraten. Denn es tut doch jedem not, da wir hier doch auch nicht auf Rosen gebettet sind.“

 Holzarbeiter-Zeitung12.09.1908, S. 310

 26. August

 „Zossen. Schlecht besucht war die am Mittwoch, den 26. August, stattgefundene Wahlvereinsversammlung. Aufgenommen wurden fünf Mitglieder. Den Bericht von der Kreisgeneralversammlung erstattete Genosse Lau, den Bericht der Verbandsgeneralversammlung Genosse Wiesen. Eine lebhaftere Debatte trat nur bei dem letzteren Bericht ein. Bei dem Punkt Frauenfrage wurde beschlossen, in nächster Zeit eine öffentliche Versammlung für Frauen abzuhalten und hierzu eine Referentin zu bestimmen. Die Einrichtung der Bibliothek erfolgt in diesem Monat und wird dieselbe Ende September eröffnet. Zum Schluß wurde die Verlegung des Versammlungstages beschlossen. Die Versammlungen finden jetzt jeden Donnerstag nach dem 20. im Monat statt.“

 Vorwärts, 30.08.1908, S. 15

 „Zossen. Die im August einberufene außerordentliche Generalversammlung hatte sich u.a. mit der Neuwahl des gesamten Vorstandes zu beschäftigen. Da der alte Vorstand wegen einiger Vorkommnisse das Amt nicht weiter verwalten zu können vermeinte und auch nicht zu bewegen war, wenigstens bis zum Jahresschlusse zu bleiben, so wurde zur Neuwahl geschritten und zum Vorsitzenden Kollege Wiedemann, zum Kassierer Kollege Dannappel gewählt. Außerdem wurde ein Antrag angenommen, wonach die Monatsversammlungen am Mittwoch auf den ersten Donnerstag im Monate verlegt werden. Da sich hier in letzter Zeit das Restantenunwesen unangenehm bemerkbar macht, fühlte sich der Vorstand veranlaßt, die Restanten der letzten Monatsversammlung bekannt zu geben und Gegenmaßregeln zu ergreifen. Es wurde der Versammlung folgender Antrag unterbreitet: „Gewohnheitsrestanten, welche im Laufe dieses Monats ihren Verpflichtungen dem Verbande gegenüber nicht nachkommen, werden, nachdem sie vorher nochmals auf die Konsequenzen hingewiesen sind, dem Gauvorstande zum Ausschluß empfohlen.“ Dieser Antrag wurde von der Versammlung auch einstimmig angenommen.“

 Korrespondent, 19.09.1908, S. 5

 5. September

 In Zossen ist nur noch das Lokal Kurzner, Barutherstr. 10, für die SPD offen.

 Vorwärts, 05.09.1908, Lokalliste für Berlin und die Provinz Brandenburg

 Eine von etwa 200 Personen besuchte Volksversammlung protestierte gegen die vom Reichsschatzsekretär Sydow geplanten neuen indirekten Steuern. In seinem 1 ½ stündigen Vortrage führte der Referent, Genosse Max Müller-Berlin, die geplante ungeheure Belastung der breiten Masse des Volkes den Anwesenden vor Augen und beleuchtete besonders die Steuerprojekte, die bezwecken, den Tabak noch mehr zu belasten. Durch die jetzt bestehende Zigarettenbanderolesteuer sind nach einer Statistik zirka 5000 Arbeiterinnen gezwungen worden, in andere Berufe überzutreten, teilweise wurden sie durch die schlechte Lage auf dem Arbeitsmarkte genötigt, sich der Prostitution hinzugeben. Auch die neue geplante Tabaksteuer würde gleichfalls Tausende von Arbeitern auf das Straßenpflaster werfen, eine um so verwerflichere Maßregel, als ein großer Teil der Tabakarbeiter aus körperlich minderwertigen Arbeitern besteht. Eine im Sinne des Referats gehaltene Resolution wurde nach kurzer Diskussion einstimmig angenommen.“

 Vorwärts, 07.10.1908, S. 11

 Den Bericht vom Nürnberger Parteitag erstattete in der gut besuchten Mitgliederversammlung des Wahlvereins Genosse Küter-Schöneberg. Nach der Diskussion über den mit lebhaftem Beifall aufgenommenen Vortrag gelangte eine Resolution zur Annahme, in welcher sich die Versammelten mit den Beschlüssen des Parteitages einverstanden erklärten. Insbesondere wendet sich die Resolution gegen die revisionistischen Bestrebungen und gegen das Vorgehen der süddeutschen genossen in der Budgetfrage.“

 Vorwärts, 28.10.1908, S 10

 8. November

 Ab 8 Uhr findet vom Lokal Kurzner aus eine Agitationstour statt.

 Vorwärts, 06.11.1908, S. 9

 12. November

 Frauenversammlung im Lokal Kurzner. Es spricht Frau Thiele-Tempelhof zum Thema „Weshalb sollen sich Frauen organisieren?“ Die Parteimitglieder sollen ihre Frauen darauf aufmerksam machen.

 Vorwärts, 11.11.1908, S. 13

 18. Dezember

 Flugblattaktion

 Vorwärts, 12.12.1908, S. 13

 „Zossen verursacht viele Mühen. Obgleich ich (Emil Unger, Gauleiter.- K.L.) sowohl wie Kollege Müntner insgesamt fünfmal hinüberreisten, konnten wir doch nicht den Keim der Unzufriedenheit unter den dortigen Mitgliedern beseitigen. Die ernsten, wichtigen und tiefeinschneidenden Lebensfragen verschwinden hinter kleinlichem Tagesgezänk. Während die Unternehmer einiger denn zuvor im Kampfe gegen die Arbeiterschaft zusammenhalten, reiben sich die Arbeiter in gegenseitigen Eifersuchteleien auf. Angeblich der Streitereien wegen traten 2 Kollegen in den Tapeziererverband über, wogegen wir aber in Zukunft protestieren müssen. Jeder hat an seiner Stelle zu bleiben und mitzuarbeiten, damit es besser wird.“

 Sattler-Zeitung, 18.12.1908, S. 203

31. Oktober

 Der Ortsverein des Deutschen Metallarbeiterverbandes hatte 1908 43 Mitglieder. Der Ortsverein Zossen des Zentralverbandes der Maurer hatte 122 Mitglieder. Das Ortskartell der Gewerkschaften umfaßt 11 Gewerkschaften mit 410 Mitgliedern.

Metallarbeiter-Zeitung, 17.04.1909, S. 125; Der Grundstein, 03.04.1909, S. 145; Statistische Beilage des Correspondenz-Blatt, Nr. 4, 15. Mai 1909, S. 117.

 

1909

„Zossen. Als brutal sind die Maßregeln zu bezeichnen, die sich die Leitung der Firma „Internationale Schlafwagengesellschaft“ gegen den Arbeiterausschuß erlaubt. Dieser besteht noch kein Jahr und doch sind bis jetzt schon fünf seiner Mitglieder gemaßregelt worden. Dies geschah immer dann, wenn der Arbeiterausschuß seine Pflicht erfüllte und Mißstände zu beseitigen suchte. Welcher Art diese Mißstände waren, zeigt uns die Tagesordnung, die in der ersten Ausschußsitzung zur Beratung stand: 1. Beratung der Geschäftsordnung. 2. Regelung des Akkordwesens. 3. Beschaffung eines Speiseraums. 4. Beschaffung von Waschgelegenheit. 5. Beschaffung von Kleiderspinden. Ist es für eine Firma, wie die in Frage stehende schon beschämend genug, daß die Arbeiter erst das fordern müssen, was von jeder anständigen Firma als selbstverständlich anerkannt und ohne Zutun der Arbeiter eingeführt wird, so wirft die Tatsache, daß wegen Eintretens für Beseitigung dieser Mißstände fünf Arbeiter in dem Zeitraum von dreiviertel Jahren gemaßregelt wurden, ein bezeichnendes Licht auf den Charakter der Zossener Betriebsleitung. Zuerst suchte der die Filiale Zossen leitende Ingenieur Bender den Arbeiterausschuß durch Versprechen einzulullen. Als dies mißlang, versuchte er einzelne Mitglieder desselben für seine Zwecke zu gewinnen. So erklärte er dem Obmann des Arbeiterausschusses gelegentlich: „B....., Sie haben einen solch klaren Blick über die Einrichtung unseres Betriebes, daß ich geneigt wäre, alle Fragen mit Ihnen allein zu verhandeln. Außerdem wissen Sie sich auch in der Form richtig auszudrücken.“ Als aber dieser Arbeiter das Ansinnen dankend ablehnte, da fand der Herr Bender sehr bald andere Worte. Man sagte dem Kollegen zunächst nach, er habe an einem Wagen für 225 M Material verbraucht. Zum Glück konnte unser Kollege durch Kopierbuch nachweisen, daß sich die Herren in der Leitung geirrt hatten. Dann aber entwickelte sich der Ton immer mehr zu der Art, aus der der Haß gegen die Arbeiter deutlich herausklang. Und doch sollte man es gerade dem Arbeiterausschuß danken, daß er dahin wirkte, aus der Filiale Zossen eine den Zeitverhältnissen einigermaßen entsprechende Werkstätte zu machen. Mehreremal hat der Ausschuß gefordert, die Betriebsleitung möge angesichts der vielen Unglücksfälle, die dort vorkommen, einen Verbandkasten und eine Krankentragbahre anschaffen, allein dies hält der Herr Bender nicht für notwendig, trotzdem wiederholt Arbeiter verunglückten. Wie es einem solchen Unglücklichen ergeht, mag folgender Vorfall illustrieren: Am 24. Juli 1908 geriet der im Hirsch-Dunckerschen Werkverein organisierte Kollege K. - nicht durch seine Schuld, sondern durch den Mangel an gesetzlich vorgeschriebenen Schutzvorrichtungen – in die Transmission einer elektrisch betriebenen Hebevorrichtung. Seine Kleidung wurde erfaßt, er selbst zur Erde geworfen., ein Arm und ein Bein in die Transmission gezogen und zerquetscht. Nachdem man den Armen durch Zerschneiden der Kleidung losgemacht hatte, war keine Bahre zur Stelle und so wurde er, bis der Arzt hinzukam, auf den Fußboden zwischen Klamotten, Öl, Dreck und sonstigen Unrat gelegt. Dabei blutete K. Stark, denn vom Arme war das Fleisch bis zum Ellenbogen vollständig abgetrennt, so daß Knochen und Sehnen frei lagen. Als der Arzt seine Überführung in ein Krankenhaus anordnete, mußte sich die Firma „Internationale Schlafwagengesellschaft“ erst eine Bahre leihen. K. Liegt noch heute im Krankenhaus und wird ein Unglücklicher sein ganzes Leben lang bleiben. Als der Arbeiterausschuß nach diesem Unglück abermals eine Krankenbahre und einen Verbandkasten für den „Neubau“ forderte, versprach man, dieses Verlangen zu erfüllen, es ist aber bis in den letzten Tagen das Versprechen unerfüllt geblieben, obwohl schon wieder ein Lackierer schwer verunglückt ist. Anstatt durch Erfüllung des berechtigten Verlangens des Arbeiterausschusses die Unglücksfälle zu vermindern zu suchen, stellte der Herr Betriebsleiter an die Arbeiter das Ansinnen, sie sollten alles Kupfergeld, also 1 Pf.- und 2 Pf.-Stücke, die sie bei der Löhnung erhalten, in eine Krankenunterstützungsfonds abführen, um dadurch der Not der Verunglückten abzuhelfen. Anstatt daß also die „Internationale Schlafwagengesellschaft“ das Leben und die Gesundheit ihrer Arbeiter durch Schutzvorrichtungen sichert, will man die, die durch das Fehlen dieser Schutzvorrichtungen zu Krüppeln geworden sind, durch die Kupferpfennige der Arbeiter unterstützen. Wirklich eine bequeme Methode. Wir erlauben uns aber am die Firma die unbequeme Frage: Wie lange noch soll dieses Spiel dauern? Der Arbeiterausschuß hat denn auch diese Zumutung abgelehnt, wie er auch einen ander3en Vorschlag des Herrn Betriebsleiters ablehnte, der dahin ging, bei der Löhnung nur die vollen Mark zur Auszahlung zu bringen, das übrige Silber- und Nickelgeld aber so lange in den Händen der Firma zu lassen, bis die Mark voll ist. Ob dieser Vorschlag der Bequemlichkeit beim Lohnauszahlen wegen oder einem „gelben“ Ziel zuliebe gemacht wurde, entzieht sich unserer Kenntnis. Daß der Arbeiterausschuß bei solchen Zuständen keine leichte Arbeit hatte, ist erklärlich, und deshalb sollte am 30. November 1908 abermals eine Sitzung mit der Betriebsleitung stattfinden. In unserem Kollegen, mit dem der Herr Bender früher so gerne „allein“ verhandeln wollte, und dem er nachsagte, er habe einen Blick für die Betriebsverhältnisse, er finde die richtige Form und die richtigen Worte in der Unterhandlung, erblickte derselbe Herr Bender jetzt die treibende Kraft, die die Ausschußsitzung verlangte. Und just zu demselben Zeitpunkt – oder war es doch eine ganze Stunde früher -, zu dem die Sitzung festgesetzt war, wurde er entlassen. Dies war am 30. November 1908. Am Mittwoch den 2. Dezember befaßte sich mit dieser Angelegenheit eine Betriebsversammlung, in der beschlossen wurde, den Arbeiterausschuß aufzufordern, sein Amt niederzulegen. Der Arbeiterausschuß kam dieser Aufforderung nach und erklärte der Betriebsleitung, daß er sich selbst seines Amtes enthebt. Fünf Mitglieder des Ausschusses sind in dreiviertel Jahren entlassen worden, in derselben Zeit sind vier schwerde Unglücksfälle vorgekommen. Von 186 Arbeitern verdienen ganze 6 über 50 Pf. die Stunde, aber nicht einer erreicht 60 Pf.; hingegen erhalten verheiratete Sattlergesellen 84 Pf. pro Stunde. Die Erklärung des Betriebsführers, „es melden sich täglich massenhaft Arbeiter“, ist kein Beweis dafür, daß die Verhältnisse erträglich sind, sondern nur dafür, daß die meisten der sich Meldenden die bei der Firma „Internationale Schlafwagengesellschaft“ herrschenden Mißstände nicht vermuten. Wir ersuchen daher die Kollegen, bevor sie bei dieser Firma, Filiale Zossen, in Arbeit treten, sich erst über die dortigen Verhältnisse zu orientieren.“

 Metallarbeiter-Zeitung, 09.01.1909, S. 15

 21. Januar

 „Die Krisis! Heute wurden 32 Arbeiter der hiesigen Internationalen Schlafwagenfabrik wegen Arbeitsmangel sofort entlassen. Darunter befinden sich auch Familienväter.“

 Vorwärts, 22.01.1909, S. 14

 Für Zossen ist bei den Tabakarbeitern Wilhelm Busak 1. Bevollmächtigter, Barutherstr. 7; Georg Reetz 2. Bevollmächtigter, Mittenwalder Chausseee; G. Krause und Max Seifert sind Kontrolleure.

 Der Tabak-Arbeiter, 24.01.1909, S. 3; Der Tabak-Arbeiter, 07.03.1909, Adressverzeichnis

 24. Januar

 „In der gut besuchten Generalversammlung (der SPD) gab Genosse Gieske den Jahresbericht. Aus demselben ist zu entnehmen, daß am 17. Januar 1909 121 männliche und 17 weibliche Mitglieder vorhanden waren. Es fanden statt: 12 Mitgliederversammlungen, 3 Volksversammlungen, außerdem 2 Agitationsversammlungen in Dabendorf und Nächst-Neuendorf. Der Jahresbericht des Kassierers Genossen Saupe ergab folgendes: Die Gesamteinnahme betrug 485,02 M., die Ausgabe 409,31 M., mithin blieb ein Bestand von 25,71 M. An den Zentralvorstand wurden 243,93 M. abgeführt. Die Neuwahl des Vorstandes hatte folgendes Resultat: 1. Vorsitzender Genosse Saupe; 2. Vorsitzender Genosse Budeus; Kassiere Genosse Wißmann; Schriftführer Genosse Tschersich; als Beisitzerin Genossin Tschersich; Lokalkommission Genosse Wischendorf und Genosse Robert Scholz; Revisoren Genosse Rakow und Genosse Rönnebeck; Parteispediteur Genosse Matuschek; Berichterstatter und Bibliothekar Genosse Gieske. Bezirksführer: 1. Bezirk Genosse G. Lehmann; 2. Bezirk Genosse Piesnack; 3. bezirk Genosse Börnicke; 4. Bezirk Genosse Wiesen; 5. Bezirk (Dabendorf) Genosse Wendorf. Zur Kreisgeneralversammlung wurden die Genossen Tschersich und Wißmann sowie Genossin Tschersich Delegiert. Unter Verschiedenem wurde noch eine fünfgliedrige Kommission gewählt, welche die Vorbereitung der in diesem Jahre stattfindenden Stadtverordnetenwahlen zu erledigen hat. In die Kommission wurden gewählt die Genossen O. Rakoe, E. Rönnebeck, W. Gieske, K. Grobe und Jul. Piesnack.

 Vorwärts, 27.01.1909, S. 14

 „Die letzte Stadtverordnetenversammlung beschäftigte sich in der Hauptsache mit der Kenntnisnahme des Verwaltungsberichtes für 1908. Nach den Ausführungen des Bürgermeisters sind für die Stadt im Jahre 1908 sehr wesentliche Fortschritte zu verzeichnen, wie Neupflasterungen verschiedener Straßen, Errichtung eines Gemeindehauses zur Pflege echt christlicher Gesinnung, die Errichtung der Volksbibliothek sowie die Inangrifnahme des Baus einer Gasanstalt, die bereits im Oktober 1909 fertiggestellt sein soll. Die Einwohnerzahl beträgt jetzt 4830 und hat sich um 56 vermehrt. Die Zahl der stimmfähigen Bürger ist von 777 auf 815 gestiegen. Der Punkt: Errichtung einer Fortbildungsschule fand sehr schnell seine Erledigung dadurch, daß der Bürgermeister erklärte, daß ihm von der Regierung mitgeteilt worden wäre, daß in diesem Jahre keine Gelder für neue Fortbildungsschulen im Staatshaushalt vorgesehen wären und somit kein Zuschuß gewährt werden könne. Die Stadt allein sei nicht imstande, die Kosten einer Schule zu übernehmen, denn dieselben betrügen 1400 M.
Nach unerheblicher Debatte wurde dann noch auf Befürwortung des Bürgermeisters die Errichtung einer Fortbildungsschule zurückgestellt. – Ferner wurde noch der Prozentsatz der Steuern für 1909 festgestellt. Danach ist auf Antrag des Magistrats derselbe Steuersatz vorgesehen wie im Vorjahr und zwar 160 Proz. Gemeindesteuern, 160 Proz. fingierte Kommunalsteuern, 270 Proz. Grundsteuern, 200 Proz. Gewerbesteuer, 200 Proz. Betriebsteuer. Der Antrag des Magistrats wurde debattelos angenommen.
Nachdem noch für die in Messina Geschädigten 50 M.bewilligt wurden, wurde die nur 1 ¾ Stunden dauernde Stadtverordnetenversammlung geschlossen. Es ist beschämend, zu sehen, mit welcher Verständnislosigkeit und Gemütlichkeit diese sogenannten Vertreter der Bürgerschaft die wichtigsten Dinge behandeln. Was der Magistrat empfiehlt, wird angenommen. Die geistige Höhe der Verhandlungen wird durch folgendes Beispiel charakterisiert: Als es sich um die Bewilligung einer Summe für die Geschädigten in Messina handelte, meinte ein Stadtverordneter: „Mein Vorredner ist im Unrecht, wenn er meint, das Geld bekommen doch nicht die Armen und deshalb sollte man die Bewilligung ablehnen. Es müßte schon deshalb bewilligt werden, weil Italien zum Dreibund gehört und ein jeder Patriot soviel Menschlichkeitsgefühl haben müßte, um für die Geschädigten unserer Bundesgenossen einzutreten.“

 Vorwärts, 10.02.1909, S. 10

 „Zossen. (Vierteljahresbericht.) In Tariflicher Beziehung hatte sich der Bezirksvorstand in letzter Zeit zunächst mit dem zum Bezirke Zossen gehörigen Orte Dahme (Mark) zu beschäftigen. Es bestehen dort zwei Druckereien, wovon die eine einen Gehilfen und vier Lehrlinge beschäftigt, während in dem anderen Kunsttempel sechs Lehrlinge ausgeb—ildet werden. Da eine Einigung auf Einführung tariflicher Verhältnisse trotz vorheriger Zusage nicht erzielt wurde, mußte auch dieser eine Gehilfe die Stätte seines Wirkens verlassen. Jedenfalls wird es sich der Bezirksvorstand angelegen sein lassen, mit dieser Lehrlingszüchterei sich näher zu befassen. Des weitern war es die Firma Fromm (Inh. Otte) in Zossen, mit welcher sich eine Versammlung wegen tariflicher Mißstände zu beschäftigen hatte. Doch wurde hier, nachdem eine Kommission mit dem Inhaber der Firma Rücksprache genommen, das europäische Gleichgewicht wieder hergestellt, und es wird an den dort beschäftigten Kollegen selbst liegen, darauf zu achten, daß die ihnen zustehenden tariflichen Rechte gewahrt bleiben. – Im November hatten die Faktore der Deutschen Buch- und Kunstdruckerei eine schön arrangierte Drucksachenausstellung arrangiert, zu welcher sämtliche Kollegen unentgeltlich Zutritt hatten. Außerdem fanden an drei Abenden Vorträge über die Herstellungsweise der einzelnen Druckarbeiten statt. Für die Bemühungen sei den Herren noch an dieser Stelle Dank erstattet. – Am 13. Dezember hatten wir Gelegenheit den stellvertretenden Gehilfenvorsitzenden Faber (Berlin) in Zossen zu begrüßen. Derselbe referierte in eineinhalbstündigen Ausführungen über einige wichtige Punkte unseres Tarifs, wofür ihm der Dank der Versammlung wurde. – Von der am 28. Januar abgehaltenen Generalversammlung ist zu erwähnen, daß der Gesamtvorstand per Akklamation wiedergewählt wurde. Eingehend befaßte sich die Versammlung mit der gegenwärtigen Lage des Odergaus. Nachdem der Gautag, dann später eine erweiterte Bezirksleiterkonferenz im Beisein des Zentralvorstandes die Teilung definitiv beschlossen, kommt nun vom Zentralvorstande die Order, daß gegen die Teilung Protest erhoben ist und infolgedessen „vorläufig“ davon abgesehen werden muß. Des weiteren wurde ausgeführt, daß der Gauvorstand des Odergaus nur ein provisorischer sei und der Gehilfenvertreter (laut Versammlungsbericht aus Stettin) sein Amt niedergelegt habe. Um geregelte Verhältnisse im Gau wiederherzustellen, erklärte sich die Versammlung einstimmig für Abhaltung eines außerordentlichen Gautags und beauftragte den Vorstand, die übrigen Bezirke des Gaus von dem Beschluß in Kenntnis zu setzen. Der Vorsitzende Wiedemann gab noch bekannt, daß der aus Königsberg gebürtige und vom Gau Oberrhein ausgeschlossene Setzer W. Meyer, nachdem er hier eine kurze Gastrolle gegeben, Zossen unter Hinterlassung mehrerer „Leidtragender“ verlassen hat. Da M. in mehreren Druckorten dies Manöver schon vollführt hat und auch in der Hauptsache wegen Schuldenmachens sein Ausschluß erfolgt ist, seien die Kollegen vor ihm gewartnt. Zum Schlusse wollen wir noch erwähnen, daß es mehrere Mitglieder fertiggebracht haben, im Laufe des Jahres nicht eine Versammlung zu besuchen. Hoffen wir, daß diese Kollegen künftig etwas mehr Verbandsinteresse an den Tag legen!“

 Korrespondent, 13.02.1909, S. 4

 „Zossen. Bleibt die hiesige Kommune gegenüber der Arbeitslosigkeit und dem Elend untätig? Die vom hiesigen Wahlverein mit den Gewerkschaften unternommene Arbeitslosenzählung hatte folgendes Ergebnis:
Es wurden gezählt 152 Arbeitslose, davon waren 111 Familienväter mit 243 Kindern. Ein großer Teil der Arbeitslosen war bereits seit November vorigen Jahres ohne Arbeit. Der Zossener Arbeiterschaft war es leider in Ermangelung eines Vertreters nicht möglich, den Herren Stadträten das große Elend vor Augen zu führen. Es wurde daher an den Magistrat eine Petition gerichtet, worin um Bewilligung einer angemessenen Geldsumme zur Linderung der großen Not ersucht wird. Der Magistrat hatte hierauf die bei der Zählung benutzten Hauslisten eingefordert, dieselben wurden auch prompt zugestellt. Seitdem sind bereits vierzehn Tage verstrichen und noch immer ist weder eine Stadtverordnetenversammlung einberufen worden, noch sind irgendwelche Maßnahmen zur Linderung der Not getroffen. Aus vorstehendem mag die Arbeiterschaft ersehen, wie notwendig es ist, daß sie Vertreter in die Stadtverordnetenversammlung entsendet. Schon jetzt gilt es, auf die im November dieses Jahres stattfindende Stadtverordnetenwahl die arbeitende Bevölkerung aufmerksam zu machen.“

 Vorwärts, 26.02.1909, S. 10

 „In Zossen wurde am Anfang des Jahres mit der Geschäftsleitung der Deutschen Kunst- und Buchdruckerei ein Tarif abgeschlossen. Alle in den drei am Ort befindlichen Betrieben beschäftigten Kollegen und Kolleginnen sind organisiert.“

 Buchbinder-Zeitung, 06.03.1909, S. 76

 „3 bis 4 tüchtige Justierer und Wageneinbauer, seßhaft und selbständig arbeitend, werden für dauernd gesucht. Firma Hermann Zschauer G.m.b.H. Zossen bei Berlin.“

 Vorwärts, 14.03.1909, S. 24

 „Zossen. Einen Unterhaltungsabend veranstaltet der Arbeitergesangverein „Freie Sänger“ am Sonntag, den 21. März, abends 7 Uhr im Lokal von Kurzner. Da genannter Verein bei Arbeiterfestlichkeiten stets bereitwilligst mitgewirkt hat, werden die Genossen ersucht, das Fest nach Möglichkeit zu unterstützen.
Am gleichen Abend hält auch der Turnverein „Jahn“ im Lokal von Dähne ein Vergnügen ab. Der Verein sucht Eintrittskarten zum Preise von 60 und 75 Pf. auch unter der organisierten Arbeiterschaft abzusetzen. Die Genossen werden darauf hingewiesen, daß die Arbeiterbewegung von Mitgliedern dieses Vereins nicht selten aufs heftigste bekämpft worden ist.“

 Vorwärts, 18.03.1909, S. 15

 21. März

 „Die am letzten Sonntag stattgefundene Wahlvereinsversammlung zeichnete sich durch schlechten Besuch aus. Der Vorsitzende teilte mit, daß am 25. März ein zweiter Vortragsabend stattfindet. Zum provisorischen Bezirksführer für den dritten Bezirk wurde der Genosse Stamm gewählt. Nachdem der Vorsitzende auf die am Sonntag, den 28. März, stattfindende Agitationstour nach Schöneiche hingewiesen und die anwesenden Mitglieder aufgefordert hatte, für unsere Sache mehr wie bisher zu agitieren, erfolgte Schluß der Versammlung.“

 Vorwärts, 24.03.1909, S. 14

 28. März

 Öffentliche Versammlung im Lokal Kuzner zum Thema „Unsere Stadtverwaltung und die Arbeitslosigkeit“::
„In einer von zirka 300 Personen besuchten Protestversammlung der Arbeitslosen referierte am Sonntagabend Genosse Hetzschold-Berlin. Der Referent kennzeichnete in treffender Weise die wirtschaftliche Lage im allgemeinen und die Stellung der hiesigen Stadtverwaltung zu der Arbeitslosigkeit am Ort im besonderen. Daß der Magistrat nicht einmal eine an ihn gerichtete Petition des Gewerkschaftskartells, in welcher derselbe um Linderung der Arbeitslosigkeit ersucht wird, beantwortete, kritisierte der Redner scharf; desgleichen auch, daß die Stadtverwaltung noch nichts zur Linderung der Not getan habe. Viel schneller fänden die gleichgültigsten Dinge ihre Erledigung in der beratenden Körperschaft. Mit der Aufforderung an die Erschienenen, sich dem Sozialdemokratischem Wahlverein anzuschließen, schloß Redner seinen fesselnden sowie lehrreichen Vortrag. In der nun folgenden Diskussion wurde von allen Rednern aufs schärfste das Verhalten der Stadtverwaltung verurteilt. Eine in diesem Sinne vorgelegte Resolution wurde mit einigen Stimmenthaltungen angenommen. Von den eingeladenen Stadtverordneten waren sechs erschienen, die es aber vorzogen, schon während des Referats zu verschwinden. Dieser Vorgang beweist, daß den Herren das Herz in die Hosen fällt, wenn sie über ihr Tun und Lassen Rechenschaft ablegen sollen. Bei der nächsten Stadtverordnetenwahl wird die Arbeiterschaft mit den Bürgerlichen abrechnen.“

 Vorwärts, 01.04.1909, S. 10

 26. April

 Volksversammlung im Lokal Kurzner. Referent Fritz Zubeil; Thema: „Neue Volkslasten als Reichsfinanzreform“

  Vorwärts, 30.04.1909, S. 10

 1. Mai

„In der Stadtverordnetenversammlung am 1. Mai wurde nach warmer Befürwortung des Bürgermeisters der Bau der Gasanstalt für die Stadt an die Berlin-Anhalter Maschinenfabrik endgültig vergeben. Zugleich schloß die Versammlung einen auf 25 Jahre lautenden Pachtvertrag über den Betrieb der Gasanstalt mit dieser Firma. Die Stadt hat eine Gewinnbeteiligung von 75 Prozent jährlich. Bei genügender Rentabilität der Anstalt steht der Stadt das Recht zu, den Vertrag nach einjähriger Kündigungsfrist zu lösen, jedoch nicht vor Ablauf der ersten 4 ½ Jahre. Die Baufirma hat das Monopol auf sämtliche Hausanschlüsse und Installationen. Die Inbetriebsetzung der Anstalt soll am 1. Oktober dieses Jahres erfolgen. Zu dem Bau der Gasanstalt hat die Stadt eine Anleihe von 200.000 M. aufgenommen. Die gegenwärtige mangelhafte Beleuchtung unserer Stadt liegt bekanntlich in den Händen der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft, die zweifellos mit der neuen Gasanstalt in einen schweren Konkurrenzkampf treten dürfte. – Der Unterricht in der Fortbildungsschule wurde im Rechnen, Deutsch und Zeichnen obligatorisch eingeführt, wobei sich die Herren Stadtväter wieder recht rückständig zeigten, indem sie die Zeichenstunden auf Sonntag vormittag festgesetzt sind.
Mit dem Verhalten des früheren Rendanten der Allgemeinen Ortskrankenkasse „Aeskulap“, Herrn Stadtverordneten F. Bartels, beschäftigten sich zwei Generalversammlungen obengenannter Kasse. Wie man uns meldet, hat die Revisionskommission der Kasse schon im vergangenen Jahre dem Vorstande die Mitteilung gemacht, daß sich die Bücher des Rendanten nicht in Ordnung befänden. Spätere Revisionen bestätigten diese Angaben; sie führten dazu, daß der Vorstand dem Rendanten die Bücher abnahm und dieselben der Aufsichtsbehörde (Magistrat) übergab. Einige Tage später übergab Herr Bartels auch die Kasse dem Magistrat. Auch dieser soll, wie in der Generalversammlung mitgeteilt wurde, eine Unordnung der Bücher festgestellt haben. Einstimmige Annahme fand ein Antrag, wodurch Herr Bartels ersucht wird, sein Stadtverordnetenmandat sowie seine sonstigen öffentlichen Ämter niederzulegen."

 Vorwärts, 05.05.1909, S. 14

 9. Mai

 Gautag des Odergaus der Deutschen Buchdrucker und Schriftgießer in Stettin. Der neugebildete Bezirk Zossen wird durch die Delegierten Wiedemann, August Krüger, Robert Schulze und Dannappel vertreten.

 Korrespondent, 20.05.1909, S. 1

 6. Juni

 Beim Gautag der Buchbinder in Rathenow sind die Einzelmitglieder Zossens nicht vertreten.

 Buchbinder-Zeitung, 19.06.1909, S. 196

 27. Juni

 Konferenz des 13. Gaues des Deutschen Tabakarbeiterverbandes. Delegierter aus Zossen, Freiwald, beteiligt sich an der Diskussion.

 Der Tabak-Arbeiter, 18.07.1909, S. 5

 22. Juli

 „Die letzte Wahlvereinsversammlung war gut besucht, auch Frauen waren anwesend. Genosse Dentzer-Berlin referierte über die Kommunalpolitik. Derselbe verbreitete sich in seinem zirka zweistündigen Referat über alle Gebiete der Kommunalpolitik. An der Hand von statistischem Material führte er den Anwesenden vor Augen, in wie ungerechter Weise die Wahlen zu den Kommunen gemacht werden, daß durch diesen Wahlmodus nur der „Verein zur Erhebung der Miete“ zu seiner Vertretung käme und der größte Teil der Wählerschaft fast völlig einflußlos bleibe. Gerade jetzt, wo wir am hiesigen Orte vor den Stadtverordnetenwahlen stehen, sei es Zeit, weiteren Kreisen die Rechtlosigkeit vor Augen zu führen und dafür zu wirken, daß auch endlich in diesem Hinterland Bresche in die Hochburg der Geldsackvertreter gelegt werde. Als Bibliothekar wurde Genosse Ridziewski, zum Bezirksführer für den 3. Bezirk der Genosse Edler gewählt. Zum Schluß wies der Vorsitzende auf die bevorstehenden Stadtverordnetenwahlen hin und forderte die anwesenden Genossen zur fleißigen Mitarbeit, wie Ausfüllen der Hauslisten usw. auf.“

 Vorwärts, 25.07.1909, S. 14

 25. Juli

 „Zossen. Eine Straßendemonstration fand am Sonntag am hiesigen Orte statt. Allerdings handelte es sich nicht etwa um Sozialdemokraten, sondern um Patrioten. Anläßlich des Schützenfestes fand ein Umzug durch die Straßen des Orts statt unter polizeilicher Begleitung; natürlich fehlte auch die Musik nicht. Die Leute marschierten durch die Stadt mit Tesching und Seitengewehr, als wären sie ganz allein da. Unter den Schützenbrüdern befinden sich viele Geschäftsleute, die dafür gesorgt hatten, daß an diesem Tage offenbar zur besonderen Weihe die Geschäfte bis abends 7 Uhr geöffnet sein durften; für die Angestellten kein besonderes Vergnügen. Wir wollen sehen, ob auch den Sozialdemokraten bei der nächsten Gelegenheit ähnliches gestattet wird. Wir zweifeln.“

 Vorwärts, 29.07.1909, S. 10

 Tarife bestehen im Gau 1 des Buchbinder-Verbandes an 6 Orten: Luckenwalde, Potsdam, Nowawes, Neu-Babelsberg, Rathenow und Zossen. Der Minimallohn beträgt für Gehilfen in Luckenwalde 18,24 Mk., in Potsdam-Nowawes und Rathenow 22 Mk., in Zossen 24 Mk.; für Arbeiterinnen in Luckenwalde 5,70 Mk. Bis 8,55 Mk., in Neu-Babelsberg 6 Mk. Bis 13,50 Mk. Und in Zossen 7 Mk. Bis 13,50 Mk.

 Buchbinder-Zeitung, 31.07.1909, S. 244

 „Zossen. Mit der Klagesache gegen den früheren Kassenbeamten der hiesigen Ortskrankenkasse Aeskulap, Berrtheld (Bartels!-- K.L.), der seiner Zeit wegen unordentlicher Buchführung und eines bei der Revision festgestellten Fehlbetrages entlassen wurde, beschäftigte sich neben anderen Angelegenheiten die letzte Generalversammlung genanter Kasse. Wie berichtet wurde, hat B. den Fehlbetrag ersetzt. Dem jetzigen Kassenbeamten Golmar ist für die Regulierung der Bücher der Betrag von 125 M. zugebilligt worden., für welchen die Kasse B. ersatzpflichtig machen will. B. hat sich geweigert diesen Betrag zu zahlen, weshalb die Kasse beim Amtsgericht den Klageweg gegen B. beschritten hat. Da B. bestreitet, die Bücher nicht ordnungsmäßig geführt zu haben, sollen dieselben durch einen vereideten Sachverständigen geprüft werden.“

 Vorwärts, 03.08.1909, S. 10

 „Zossen. Aus der Stadtverordnetenversammlung. Zunächst wurde der Pflasterung der Mittenwalder Straße in einer Länge von 60 Metern zugestimmt. Die mit den Gasanstaltsarbeiten betraute Firma hat statt 150 Röhren, wie vereinbart, nur 125 verlegt; die Versammlung beschloß, daß die Firma den Fehler auf eigene Kosten abändern soll. In der Debatte über die höhere Knabenschule zeigte sich wieder, daß, sobald es sich um Dinge handelt, die die Besitzenden angehen, Geld keine Rolle spielt. Der Magistrat hat für den Bau der achtklassigen Schule noch 26.000 M. beantragt. Man war sich nun noch nicht recht einig, ob in dieser Summe die Utensilien mit enthalten seien. Der Bürgermeister gab eine Aufklärung dahin, daß noch die Kosten für eine Zentralheizung in Höhe von 1000 M., ein Bauleiter mit 800 M. und die Ausgaben für die Utensilien hinzukämen; im allgemeinen wäre die Summe äußerst niedrig.
Dieser Bau, in dem ganze 50 Schüler unterrichtet werden sollen, kostet der Stadt die Summe von 75000 M. Allem Anschein bleibt es noch nicht bei obiger Summe, denn der Bürgermeister erklärte, daß, wenn mehr Mittel benötigt würden, der Magistrat an die Stadtverordnetenversammlung herantreten würde. Das kann ja schön werden.“

 Vorwärts, 29.08.1909, S. 19

 Im Zusammenhang mit der Krise der Tabakindustrie kommt es auch in Zossen zu Entlassungen. Die Firma Gustav Krause entläßt einen Arbeiter. (Zum Vergleich: In Trebbin werden 160 Arbeiter auf 14 Tage entlassen)

 Tabak-Arbeiter, 05.09.1909, S. 2T; (Tabak-Arbeiter, 29.08.1909, S. 1)

 18. September

 „Zossen. Am heutigen Abend veranstaltet die „Freie Turnerschaft“ im Lokale von P. Kurzner ihre diesjährige Rekrutenabschiedsfeier. Das Programm der Feier ist ein reichhaltiges, weshalb den Parteigenossen anheimgestellt wird, den Turnverein, der zu Arbeiterfestlichkeiten stets mitgewirkt hat, durch ihren Besuch zu unterstützen.“

 Vorwärts, 18.09.1909, S. 14

 Im September werden im Bereich der Drucker und Schriftgießer in Zossen 9 Erwerbslose gezählt, im Oktober 4.

 Korrespondent, 04.11.1909, S. 6; Korrespondent, 11.12.1909, S. 6

 4. Oktober

 Auf dem Brandenburgischen Deutschnationalen Handlungsgehilfentag wird festgestellt, dass der Bezirk Zossen des Handlungsgehilfenverbandes eingegangen ist.

 Vorwärts, 05.10.1909, S. 4

 „Ausgeschlossen werden nach § 22 des Statuts:

Auf Antrag einer Untersuchungskommission in Zossen:
Der Schlosser Fritz Budeus, geb. am 12. April 1873 zu Sutropp, Lit. A. Buch-Nr. 280153, wegen Schädigung des Verbandsinteresses.“

 Metallarbeiter-Zeitung, 16.10.1909, S. 333

 16. Oktober

 „Zur bevorstehenden Stadtverordnetenwahl wird am Sonnabendabend (16.10.- K.L.) 8 Uhr eine nach dem Lokal des Genossen P. Kurzner einberufenen Wählerversammlung Stellung nehmen. Genosse Dr. Bruno Borchardt- Charlottenburg spricht über das Thema: „Warum müssen wir Sozialdemokraten in die Stadtverordnetenversammlung wählen?“
Bisher ist die Sozialdemokratie in der Stadtverordnetenversammlung noch nicht vertreten. Daß dem so ist, hat seine Ursache darin, daß sich ein großer Teil hier ansässiger Arbeiter bisher noch von „berufener“ Seite an die Wahlurne dirigieren ließ und dort die Stimme den bürgerlichen Kandidaten gab. So befanden sich bei der letzten Wahl unter 187 gegnerischen Stimmen allein über 100 Arbeiterstimmen. Dieser Zustand darf nicht länger dauern; jeder einzelne muß nun bestrebt sein, die Indifferenten aufzurütteln, damit es gelingt, der Sozialdemokratie im Rathause Eingang zu verschaffen.
Am Donnerstagabend 7 Uhr findet vom Lokale des Genossen Kurzner aus eine Flugblattverbreitung mit Kuvert an die Stadtverordnetenwähler der dritten Abteilung statt. Es wird erwartet, daß sich jeder Genosse an dieser wichtigen Arbeit beteiligt.“

Bericht über die Versammlung:
„Die Aufstellung der sozialdemokratischen Kandidaten zu den bevorstehenden Stadtverordnetenwahlen erfolgte in einer am Sonnabend einberufenen Kommunalwählerversammlung. Nach einem sehr instruktiven Vortrage des Genossen Dr. Borchardt über: „Warum müssen wir Sozialdemokraten in die Stadtverordnetenversammlung wählen?“ und einer darauf stattgefundenen lebhaften Diskussion wurden die Genossen Friedrich Saupe, Buchdrucker, und Hermann Wißmann, Lackierer, einstimmig als Kandidaten für die dritte Wählerklasse nominiert.
Am Schlusse der Versammlung wurden die Anwesenden aufgefordert, nun auch alles einzusetzen, damit den sozialdemokratischen Kandidaten am Tage der Wahl zum Siege verholfen werde.“

 Vorwärts, 13.10.1909, S. 10; Vorwärts, 19.10.1909, S. 15

 „Die Stadtverordnetenergänzungswahlen finden, wie jetzt der Magistrat bekannt macht, bereits am Donnerstag, den 4. November, im Rathaus, Zimmer 1, statt. Die dritte Abteilung wählt von vormittags 11 bis nachmittags 2 Uhr. Daß die Wahl schon am 4. November angesetzt ist, überrascht allgemein. Allem Anschein will man der Sozialdemokratie möglichst wenig Zeit zur Agitation lassen. Unsere Genossen werden indessen die kurze Frist ausnützen, um für die Kandidaten der Sozialdemokratie, die Genossen Buchdrucker Friedrich Saupe und Lackierer Hermann Wißmann eine nachdrückliche Propaganda zu entfalten.“

 Vorwärts, 21.10.1909, S. 14f.

26. Oktober

Der Stadtverordnetensitzung am Dienstag lag ein Vertrag der Stadt mit der Elektrizitäts-Gesellschaft, die Energie außerhalb der Gemarkung Zossen abgeben will, vor. Nach dem Antrage darf der Preis für Strom an hiesige Abnehmer nicht teurer als an auswärtige berechnet werden. Die Stadt erhält vom Bruttogewinn für auswärtige Anschlüsse im Umkreis von 4 Kilometer 3 Proz., innerhalb 4 Kilometer bei Abgabe von Licht 10 Proz., bei Kraft 5 Proz. Die Stadt ist berechtigt, alle Anlagen zum Taxwerte übernehmen zu können, jedoch nur im ganzen. In dem Vertrage ist gleichzeitig der Mindeststeuersatz, den die Gesellschaft zu zahlen hat, auf 940 M. festgelegt. Betreffs der Beleuchtung der Straßen mit Gas, die die Stadt wegen mangelnder elektrischer Beleuchtung vornehmen will und deshalb schon eine Anzahl von Gaslaternen aufgestellt hat, ist es noch zu keinem Resultat gekommen. Das Elektrizitätswerk will nur an neuen Straßen, die noch keine elektrische Beleuchtung haben, die Gasbeleuchtung zur Hälfte zulassen. Ein Prozeß wird in diese Angelegenheit Aufklärung bringen. Bekanntlich beansprucht das Elektrizitätswerk eine Art Monopol auf Grund eines früheren Vertrages. Der jetzt vorgelegte Vertrag wurde vom Kollegium einstimmig angenommen. Die Art der Tilgung einer Anleihe in Höhe von 95000 M., die in einer früheren Versammlung beschlossen wurde, fand beim Regierungspräsidenten keine Genehmigung. Es wurde verlangt, die Tilgung mit 1 ¾ Proz. unter Zuwachs der ersparten Zinsen vorzunehmen. Man einigte sich auf 1 ½ Proz.“

Vorwärts, 29.10.1909, S. 14

31. Oktober

„Zossen. Die Stadtverordnetenwahl für die dritte Klasse findet am Donnerstag, den 4. November, von vormittags 11 bis 2 Uhr nachmittags statt. Am Sonntag nahm nochmals eine öffentliche Wählerversammlung hierzu Stellung. Genosse Grauer-Lichtenberg hielt ein vorzügliches Referat über „Die bevorstehenden Stadtverordnetenwahlen und die Steuerausplünderung durch die bürgerlichen Parteien“. In der Diskussion wurde an der Hand der örtlichen Vorgänge dargelegt, daß die Wahl von Sozialdemokraten unbedingtes Erfordernis ist. Leider mußte, da Genosse Saupe bis zur Stunde eine Nachricht über die von ihm beantragte Naturalisation noch nicht erhalten hat, ein anderer Kandidat aufgestellt werden. An seine Stelle wurde der Kaufmann Ridzewski als Kandidat aufgestellt. An die Arbeiterschaft liegt es nun, dafür Sorge zu tragen, daß die sozialdemokratischen Kandidaten Lackierer Hermann Wißmann und Kaufmann H. Ridzewski gewählt werden.“

Vorwärts, 03.11.1909, S. 10

4. November

„Zossen. Auf zur Stadtverordnetenwahl! Die hiesige Bevölkerung wird nochmals auf die heute Donnerstag stattfindende Ergänzungswahl zur Stadtverordnetenversammlung aufmerksam gemacht. Die III. Klasse wählt vormittags von 11 Uhr bis nachmittags 2 Uhr. Unsere Kandidaten sind die Genossen Heinrich Ridzewski und Hermann Wißmann. – Die II. Klasse wählt nachmittags von 2 1/“ bis 3 ½ Uhr. Unsere Kandidaten sind die Genossen Otto Rakow und Paul Kurzner. Arbeiter, Parteigenossen! Tut heute nach besten Kräften Eure Pflicht!“

Vorwärts, 04.11.1909, S. 10

„Zossen. In der letzten Stadtverordnetenversammlung teilte der Stadtverordnetenvorsteher Spiegel zunächst mit, daß die Behauptung des Pastors Stier in Motzen, der Bürgermeister Dr. Wirth habe bei dem Erwerb eines Grundstückes, das später vom Fiskus zum Truppenübungsplatz angekauft wurde, spekulative Interessen verfolgt, als unbegründet zurückgewiesen werden müsse. Die Deputation, bestehend aus Stadtverordneten und Magistratsmitgliedern, sei im Kriegsministerium vorstellig geworden. Dort habe sie den Bescheid erhalten, daß, als 1904 der Bürgermeister das betreffende Terrain gekauft habe, man im Ministerium noch keine Kenntnis vpn der Anlegung eines Übungsplatzes haben konnte. Hierauf wurden die neugewählten Stadtverordneten, darunter auch unsere Genossen Ridzenski und Wißmann, in ihr Amt eingeführt. Alsdann beschäftigte sich die Versammlung mit dem Kaufmann Maswig, der seit 1889 die Durchreisenden beherbergte und dem seinerzeit deshalb die Schankkonzession erteilt wurde. M. hat der Stadt angezeigt, daß er vom 1. November ab keine Fremden mehr beherberge. Verhandlungen, die die Stadt mit M. einleitete, scheiterten, weshalb die Stadt die Fremden unterbringen mußte. Der Magistrat beschloß daher, beim Kreisausschuß die Einziehung der Konzession zu beantragen und ferner M. auf Schadenersatz zu verklagen. Die Versammlung stimmte dem Beschlusse des Magistrats zu. Die zu Schulzwecken angekaufte Steffeksche Villa wurde Dr. Ruprecht zum Preise von 3000 M. pro Jahr überlassen.“

Vorwärts, 05.12.1909, S. 22

Aus dem Gaubericht Berlin des Sattlerverbandes für das 2. HJ 1909:
„Als letzter Ort, in dem eine Zahlstelle unterhalten wird, käme Zossen in Frage. Sieben Mitglieder zählte die Zahlstelle am Jahresabschluß, die wohl alle in der Werkstatt der „Internationalen Schlafwagengesellschaft“ beschäftigt sind. Der Durchschnittslohn beträgt 44 Pf. bei elfstündiger Arbeit.“

Sattler- und Portefeuiller-Zeitung, 18.02.1910, S. 5

31. Dezember

Der Ortsverein Zossen des Deutschen Metallarbeiterverbandes hatte 1909 89 Mitglieder.
Der Ortsverein des Verbandes der Maurer zählt 103 Mitglieder.
Das Gewerkschaftskartell umfaßt 11 Gewerkschaften mit 309 Mitgliedern.

Metallarbeiter-Zeitung, 26.03.1910, S. 103; Der Grundstein, 02.04.1910, S. 6; Statistische Beilage des Correspondenz-Blatt, Nr. 4, 11. Juni 1910, S. 115.

1910

15. Januar

 Generalversammlung des Bezirksvereins der Buchdrucker und Schriftgießer in der „Flora“.

 Korrespondent, 13.01.1910, S. 4

 16. Januar

 Volksversammlung zum Thema „Wird die Regierung das Versprechen des Königs einhalten?“ im Lokal von Paul Kurzner

 Vorwärts, 14.01.1910, S. 12

 „Zossen. In der letzten Stadtverordnetenversammlung wurden die neu gewählten Vertreter eingeführt. Unter anderen auch unsere Genossen Wißmann und Ridzewski. In den Stadtverordnetenvorstand wurden die Herren Rentier Spiegel zum Vorsteher, Knöfeldt zum Stellvertreter, Selz zum Schriftführer und Guerke zu dessen Stellvertreter, in die Felddeputation Herr Präger gewählt. Bei Punkt Beschlußfassung in der Prozeßsache gegen die Elektrizitäts-Aktien-Gesellschaft wurde beschlossen, diese Angelegenheit einem ordentlichem Gericht zu übergeben. Die Elektrizitäts-Aktien-Gesellschaft hatte bekanntlich mit der Stadt einen Vertrag abgeschlossen dahingehend, daß die Stadt bei eventueller Einführung von Gas eine bestimmte Anzahl von Gaslaternen aufstellen dürfte. Jetzt bei der Einführung des Gases ist die Stadt über die Zahl der aufzustellenden Gaslaternen hinausgegangen. . Die Gesellschaft machte nun die Stadt in einem Schreiben auf die Übertretung des Vertrages aufmerksam. Die Stadtverordnetensitzung entschied wie bereits erwähnt. Bei der Abstimmung enthielten sich unsere Genossen der Stimme. Der Herr Vorsteher Spiegel stellte aber fest, daß der Antrag gegen zwei Stimmen angenommen sei. Genosse Ridzewski wollte nun den Herrn Spiegel belehren, daß der Antrag mit zwei Stimmenthaltungen angenommen sei. Nun brauste der alte Herr auf und erwiderte darauf, daß er die Geschäftsordnung mache. – Für die Errichtung einer neuen Lehrerstelle an der Gemeindeschule wurde beschlossen, eine Lehrerin anzustellen. Bei dieser Gelegenheit wurden die hiesigen Schulverhältnisse als in keiner Weise zureichend bezeichnet. Trotz der Anstellung der neuen Lehrerin kommen auf jede Klasse noch 52 Kinder. Genosse Ridzewski betonte, daß die Klagen wegen mangelnden Unterrichts auf die hohe Frequenz der Klassen zurückzuführen sei. Herr Bürgermeister Dr. Wirth versprach, nach besten Kräften diese Zustände zu beseitigen. Hierauf wurde die Anstellung eines Schularztes beschlossen. An Untersuchungskosten wurden pro Kind 35 Pf. bewilligt. Genosse Wißmann beantragte 50 Pf. Untersuchungskosten pro Kind, da auf eine sorgfältige Untersuchung der Kinder Wert gelegt werden müßte. Die Summe erschien dem Schuhmachermeister Ambach als viel zu hoch. Genosse Ridzewski brachte dem Herrn in Erinnerung, daß er damals für die Bewilligung der Kosten zum Ankauf eines Grundstücks für die höhere Schule (Schülerfrequenz 14 Schüler) 95000 M. mitbewilligt hätte, ohne irgendwelche Bedenken über die Überbürdung des Stadtsäckels geäußert zu haben. Für die Feuerwehr wurden zur Anschaffung eines Gerätewagens und anderer Geräte in ungefährer Höhe 2000 M. bewilligt. Genosse Ridzewski empfahl noch die Anschaffung eines Sauerstoffapparates. Unter Verschiedenem kündigte der Bürgermeister eine Vorlage in Form einer Schanksteuer an.“

 Vorwärts, 16.01.1910, S. 23

 Für die Zahlstelle Zossen des Tabakarbeiter-Verbandes sind ernannt:
Wilhelm Busak als 1. Bevollmächtigter, Georg (Gustav?_ K.L.) Reetz als 2. Bevollmächtigter; Max Seifert und Otto Schulz als Kontrolleure.

 Der Tabakarbeiter, 30.01.1910, S. 7

 30. Januar

 „Zossen. In der gut besuchten Generalversammlung gab Genosse Saupe den Jahresbericht. Nach demselben hat sich auch im letzten Jahre die Organisation entwickelt. Der Mitgliederbestand beträgt 142, einschließlich 19 weiblicher Mitglieder. Daß auch die Bewegung sonst im Berichtsjahre sehr rege gewesen ist, bewiesen die zahlreichen Versammlungen, welche abgehalten worden sind. Die wichtigste Aktion im verflossenen Jahre war die Stadtverordnetenwahl, wo es uns möglich war, zwei sozialdemokratischen Kandidaten zum Siege zu verhelfen. Der Kassenbericht vom 4. Quartal ergab eine Einnahme von 113,20 M., eine Ausgabe von 97,77 M. In nächster Zeit soll eine Petition zum Zwecke der Abschaffung der Erwerbung des Bürgerrechts in die Wege geleitet werden. Das Stiftungsfest soll am 6. März abgehalten werden.“

 Vorwärts, 03.02.1910, S. 11

 5. Februar

 Totesanzeige:
„Wahlverein Zossen und Umgegend.
Am Sonnabend, den 5. Februar, verschied in der Heilstätte Eberswalde nach langem, schweren Leiden unser Parteigenosse
Reinhold Rönisch
im Alter von 34 Jahren.
Der Dahingegangene stand vor seinem Leiden an der Spitze des Zossener Wahlvereins und verlieren wir in ihm einen treuen Kämpfer für Freiheit und Recht.
Ehre seinem Andenken!
Die Beerdigung findet am Mittwoch nachmittags 4 Uhr vom Trauerhause in Zossen, Kirchplatz 10 aus statt. Der Vorstand.“

 Vorwärts, 08.02.1910, S. 11

 9. Februar

 „Zossen, Unter zahlreicher Beteiligung von Gewerkschafts- und Parteigenossen wurde am Mittwochnachmittag der Genosse Reinhold Rönisch zur letzten Ruhe geleitet. Auch der Vertreter des Kreises Genosse Zubeil war erschienen und legte im Auftrage des Zentral-Wahlvereins für Teltow-Beeskow einen Kranz am Grabe nieder. Der Gesangverein „Freie Sänger“ beschloß die Trauerfeier mit einem entsprechenden Liede.“

 Vorwärts, 11.02.1910, S. 14

 „Danksagung. Für die herzliche Teilnahme bei der Beerdigung meines lieben Mannes, unseres guten Bruders, des Buchdruckereihilfsarbeiters Reinhold Rönisch, sage ich dem Sozialdemokratischen Wahlverein des Kreises Teltow-Beeskow-Storkow-Charlottenburg, dem Zossener Sozialdemokratischen Wahlverein, dem Gewerkschaftskartell, Gesangverein Freie Sänger, Freie Turnerschaft, dem Personal der Deutschen Buch- und Kunstdruckerei sowie den Hilfsarbeiterinnen für die überaus zahlreichen Kranzspenden auf diesem Wege meinen innigsten Dank. Die trauernde Witwe Anna Rönisch, Zossen.“

 Vorwärts, 23.02.1910, S. 22

 „Zossen. Stadtverordnetensitzung. Zunächst erstattete der Bürgermeister Dr. Wirth den Verwaltungsbericht. Aus diesem sei hervorzuheben, daß die Einwohnerzahl der Stadt Zossen um 160 zurückgegangen ist. Die Einwohnerzahl beträgt jetzt 4670. Der Rückgang ist zum großen Teile der Betriebseinschränkung der Internationalen Schlafwagenfabrik zuzuschreiben. Ferner ist noch bemerkenswert, daß die Lehrerbesoldungsvorlage der Stadt eine Mehrausgabe von 7200 M. verursacht hat. Zu dem Bericht machte Genosse Wißmann darauf aufmerksam, daß doch der Friedhof städtisches Eigentum sei und man nicht verstehen könne, daß bei Begräbnissen die Kranzträger der Arbeiterschaft auf dem Friedhof aufgefordert werden, die roten Schleifen von den Kränzen zu entfernen. Man sollte doch mit diesen Maßnahmen brechen und Gleichberechtigung walten lassen. Bürgermeister Dr. Wirth erklärte, daß es ein Beschluß des Magistrats sei, der das Tragen von Kränzen mit roten Schleifen auf dem Friedhof verbietet. Genosse Ridzewski ersuchte den Bürgermeister, dahin zu wirken, daß dieser Beschluß baldigst aufgehoben wird. Die Gemeindesteuern betragen für das Rechnungsjahr 1910 wieder 160 Proz. Alsdann wurde beschlossen, daß die Gasanstaltsbetriebsgesellschaft eine Bürgschaft in Höhe von 10000 M., anstatt in Wechseln in Bürgschaftspapieren der Berliner Handelsgesellschaft zu hinterlegen hat. Unsere Genossen enthielten sich der Stimme. Hierauf wurden der Feuerwehr 2200 M. zur Anschaffung eines Gerätewagens und anderer Ausrüstungsgegenstände bewilligt. Die Einführung einer Schankkonzessionssteuer wurde nach längerer Debatte gegen 2 Stimmen angenommen. Die Abgaben richten sich nach der Veranlagung der Gewerbesteuer und betragen in der niedrigsten Klasse 300 und in der höchsten 2000 M. Abkömmlinge von Schankkonzessionsinhabern und Witwen sind von der Steuer befreit. Trotz längerer Ausführungen des Genossen Ridzewski gegen die Steuer waren die Bürgerlichen nicht zu überzeugen. Herr Weege trat mit aller Kraft für die Schankkonzession ein; er bemerkte, man soll unbeschränkt Konzessionen erteilen, da ja auch andere Geschäftsleute nicht durch Konzessionen geschützt seien. Die Steuer sei sehr „gerecht“ und werde von den Interessenten gern bezahlt. Ferner wurde beschlossen, die Steigeleitungen zum Befördern von Gas auf das Baukonto der Gasanstalt zu nehmen, wozu sich die Gesellschaft bereiterklärt hat. Es werden zirka 6000 M. erforderlich sein.“

 Vorwärts, 12.02.1910, S. 20

27. Februar

 „In der Mitgliederversammlung des Wahlvereins wurde zunächst auf das am Sonntag. Den 6. März stattfindende Stiftungsfest hingewiesen und ersucht, für regen Besuch desselben Sorge zu tragen. Der Vorsitzende machte darauf aufmerksam, daß in kürzester Zeit eine Volksversammlung stattfindet, in welcher das Thema: „Die Frau im öffentlichen Leben“ behandelt werden soll. Des weiteren wurden die Genossen aufgefordert, reger wie bisher an der für das Gedeihen der Bewegung unerläßlichen Kleinarbeit teilzunehmen. Zur Aufnahme hatten sich 6 Genossen gemeldet.“

 Vorwärts, 02.03.1910, S. 14

 Wahlrechtsdemonstrationen, u.a. in Zossen:
„Hier sprach Genosse Poetzsch vor etwa 400 Teilnehmern. Anschließend an die Versammlung formierte sich ein Demonstrationszug durch die Stadt bis zum Bahnhof, wohin die Versammelten den Referenten unter Absingen von Freiheitsliedern und Hochrufen auf das gleiche Wahlrecht begleiteten.“

 Vorwärts, 08.03.1910, S. 14

7. März

 „Dabendorf bei Zossen. Bei der am Montag stattgefundenen Gemeindevertreterwahl unterlag unser Genosse Karl Wendorf in der dritten Abteilung mit 17 gegen 28 Stimmen, welche auf den Bauernkandidaten entfielen. Unsere Stimmen haben sich seit der Wahl vor zwei Jahren verdoppelt. In der zweiten Abteilung siegete der Kandidat des Grundbesitzervereins Herr Welk gegenüber dem Bauernkamndidaten. Hoffentlich wird es unseren Genossen bei der nächsten Wahl gelingen, einen Sozialdemokraten in das Dorfparlament zu entsenden.“

 Vorwärts, 10.03.1910, S. 14

 2. April

 Bezirksvorsteher des Buchdrucker- und Schriftgießer Bezirks Zossen: Ewald Wiedemann, Kassierer: Robert Scholz, Wasserstraße 7

 Korrespondent, 02.04.1910, S. 5, Adressverzeichnis der Gauvorsteher, Gaukassierer, Bezirksvorsteher u.a, 2. April 1910

 20. April

 „Zossen. In der Stadtverordnetenversammlung wurde für den verstorbenen Herrn Meißner Stadtv. Knöfeld (Knoefeldt. – K.L.) als Schiedsmann und als Stellvertreter Stadtv. Weege gewählt. Die von der Kirche beantragten 300 M. für die Kleinkinderschule wurden bewilligt. Genosse Ridzewski sprach die Ansicht aus, daß die Stadt diese Angelegenheit selbst in die Hand nehmen müsse. Hierauf machte Genosse Weißmann (Wißmann. – K.L.) auf Übelstände in der Volksbadeanstalt aufmerksam. Nicht nur erweise sich die Anstalt als zu klein, sondern es seien nicht einmal Ankleideräume vorhanden; eine Badegelegenheit für Frauen fehle überhaupt. Der Bürgermeister versprach für Abstellung des vorgebrachten Übelstandes Sorge tragen zu wollen. Insbesondere wies er darauf hin, daß sich vielleicht in der neuerbauten Gasanstalt Warmbäder einrichten ließen. Am Schlusse der Sitzung machte Genosse Ridzewski noch darauf aufmerksam, daß in der Freibank das bessere Fleisch schon vorher an bessergestellte Leute abgegeben werde. Redner ersuchte, für eine bessere Kontrolle Sorge zu tragen. Diesem Wunsche versprach der Bürgermeister nachzukommen.“

 Vorwärts, 23.04.1910, S. 14

 1. Mai

Planung der Maifeier:
„Die Zossener Arbeiterschaft hat die Genehmigung zum Maifestumzug erhalten. Das Maifeierprogramm ist folgendermaßen: Morgens 8 Uhr Abmarsch von Kurzner über Neuendorf nach Dabendorf. Vormittags 11 Uhr öffentliche Versammlung in Dabendorf bei Haaker mit dem Thema: „Bedeutung des 1. Mai.“ Mittags 12 Uhr Rückmarsch nach Zossen. Abends 6 Uhr Abendfeier, bestehend in Konzert, Theater und Ball. Die Arbeiterschaft wird aufgefordert, diesen Tag zu einer würdigen Feier zu gestalten.“

Bericht:
„In Zossen hatten sich früh 8 Uhr vor dem Vereinslokal etwa 250 Personen zu einem Maiausfluge eingefunden: Der Zug bewegte sich mit Musik über Nächst-Neuendorf nach Dabendorf, wo um 11 Uhr im Garten des Gasthofs von Haaker Genosse Wücke über die Bedeutung des Tages referierte. Um 12 Uhr ging es nach Zossen zurück. Die um 6 Uhr beginnende Abendfeier nahm gleichfalls einen würdevollen Verlauf.“

Vorwärts, 26.04.1910. S. 14; Vorwärts, 04.05.1910, S. 14

 Urabstimmung über die Erhöhung des Verbandsbeitrages des Deutschen Holzarbeiter-Verbandes in Zossen: 24 abgegebene Stimmen, davon 20 für und 4 gegen eine Erhöhung.

 Holzarbeiter-Zeitung, 07.05.1910, S. 160

 „Zossen. Stadtverordnetenversammlung. Der Vorsteher gab zunächst die Kassenrevision bekannt, welche einen Kassenbestand von 9080,98 M. aufwies. Hierauf erfolgte die Wiederwahl des Bürgermeisters Dr. Wirth auf weitere 12 Jahre. Herr Spiegel gibt den Jahresbericht der gewerblichen Fortbildungsschule bekannt. Derselbe hob hervor, daß der Verlauf des ersten Schuljahres ein zufriedenstellender sei. Ein Lehrmeister hatte es sogar fertig gebracht, seine Lehrlinge von der Fortbildungsschule fernzuhalten; gegen diesen sollen die erforderlichen Maßnahmen getroffen werden. Ferner wurde Klage geführt, daß einige Lehrlinge zum Unterricht unpünktlich erscheinen. Auch diesen Mängeln soll energisch entgegengetreten werden. Eine heftige Debatte entspann sich, als der Vorsteher, Herr Spiegel, dem Kollegium einen vom Magistrat gestellten Antrag um Bewilligung von 25 M.zur Errichtung eines Denkmals in Kottbus für den General Alvensleben vorlas. Bei dieser Gelegenheit wurden einige Städte genannt, welche zur Errichtung des Denkmals aus dem Stadtsäckel Summen bewilligten. Genosse Ridzewski wendete sich gegen den Magistratsantrag; Redner betonte, daß man mit den Steuergroschen der Bürger nicht so leichtfertig wirtschaften soll. Als die Arbeiterschaft vor zwei Jahren an das Stadtparlament um Bewilligung von Geldmitteln zur Linderung der Arbeitslosigkeit petitionierte, hatt man taube Ohren. Die Ausführungen unseres Redners schienen dem Vorsteher Herrn Spiegel nicht in den Kram zu passen, weshalb dieser ihm das Wort abschnitt. Auch der Stadtverordnete Fink meinte, daß Zossen keine Veranlassung hätte, irgend etwas zur Errichtung des Denkmals zu bewilligen. Genosse Wißmann wendete sich gegen Herrn Spiegels Praxis in puncto Wortentziehung und ersuchte das Kollegium dringend, die 25 M. nicht zu bewilligen, da eine derartige Bewilligung unverantwortlich sei. Herr Stadtverordneter Weege hob die Verdienste des Generals Alvensleben hervor, dabei betonend, daß es sein Korpsgenerals gewesen sei und man mit ruhigem Gewissen 25 M. für das Denkmal bewilligen könne. Mit 10 gegen 6 Stimmen wurde der Antrag angenommen. Zum Schluß machte der Bürgermeister Dr. Wirth darauf aufmerksam, daß in einer der nächsten Sitzungen eine größere Summe von dem Stadtparlament zur Entwässerung der Weinberge nachbewilligt werden müsse.“

 Vorwärts, 22.05.1910, S 14

 26. Mai

 Mitgliederversammlung des SPD-Wahlvereins Zossen. Tagesordnung: 1. Aufnahme neuer Mitglieder; 2. Vortrag „Der Weg zur Macht“, Referent Karl Wermuth-Berlin; 3. Bericht über die Tätigkeit der Stadtverordneten im hiesigen Stadtparlament, Referent Genosse Ridzewski; 4. Lokalfragen; 5. Verschiedenes.

 Vorwärts, 26.05.1910, S. 13

 15. Juni/16. Juni

 In Berlin und Umgebung wurden in 32 Bezirken Versammlungen der Zimmerer durchgeführt, um über den Stand der Tarifverhandlungen zu informieren. Die örtlichen Verhandlungen sind überall gescheitert, offensichtlich weil der Hauptvorstand des Arbeitgeberverbandes die Parole ausgegeben hatt, keine Zugeständnisse hinsichtlich Arbeitszeit und Lohn zu machen. „Bei den örtlichen Verhandlungen in Zossen erklärte dieser Tage ein Unternehmer ausdrücklich, daß die Arbeitgeber über die Löhne nicht verhandeln wollten noch könnten, denn sie hätten einen Brief vom Bundesvorstand empfangen, worin ihnen diese Anweisung erteilt worden sei.“

 Vorwärts, 17.06.1910, S. 4

 17. Juni

 „Zossen. Dreizehn neue Genossinnen meldeten sich am Schlusse einer am Freitag stattgefundenen Frauenversammlung, in der die Genossin Bohm-Schuch (Rixdorf) über „Wie versündigt sich die heutige Gesellschaftsordnung an Frauen und Kindern?“ referierte, zur Aufnahme in den Wahlverein.“

 Vorwärts, 23.06.1910, S. 10

28. Juni

Außerordentliche Generalversammlung im Lokal von Paul Kurzner. Thema waren „Die internationalen Bestrebungen der Arbeiterschaft, Referent der Reichstagsabgeordnete Emil Eichhorn. Es wurde mitgeteilt, daß 13 Genossinnen und 5 Genossen neu in den Wahlverein in Zossen eingetreten sind. Des weiteren machte der Vorsitzende auf die bevorstehende Agitation gegen den Entwurf der Reichsversicherungsordnung aufmerksam. Zur Verbandsgeneralversammlung wurde Genosse Saupe delegiert.“

Vorwärts 21.06.1910, S. 9; Vorwärts, 28.06.1910, S. 10

2. Juli

Bezirksvorsteher des Buchdrucker- und Schriftgießer Bezirks Zossen: Ewald Wiedemann, Kassierer: Robert Scholz, Wasserstraße 7

Korrespondent, 02.07.1910, S. 5, Adressverzeichnis der Gauvorsteher, Gaukassierer, Bezirksvorsteher u.a, 2. Juli 1910

 In Dabendorf ist das Lokal „Zum deutschen Kaiser“ der SPD entzogen worden. In Zossen steht das Lokal von Posselt, früher Jänicke, in der Bahnhofstraße zur Verfügung.

 Vorwärts, 06.07.1910, S. 9

 „Zossen. Aus der Stadtverordnetenversammlung. Vor Eingang in die Tagesordnung wurde bekannt gegeben, daß der Genosse Ridzewski wegen Verzugs nach außerhalb sein Stadtverordnetenmandat niedergelegt hat.
Auf Antrag des Schularztes soll eine Laufgewichtspersonenwage und ein Sehprobekarton angeschafft werden. Bei dieser Gelegenheit regte Genosse Wißmann an, kränklich befundenen bedürftigen Kindern auf Gemeindekosten Erhohlungsgelegenheit zu gewähren.
Die Wahl des Bürgermeisters auf 12 Jahre ist von der Regierung bestätigt worden.
Dann brachte Genosse Wißmann die Mängel der Badeanstalt zur Sprache und ersuchte um Hilfe. Auch einige andere Vertreter wünschten eine baldige Erneuerung. Der Bürgermeister entgegnete, daß wegen Zeitmangel die Angelegenheit geruht habe, es solle aber baldigst etwas geschehen.
Schließlich rügte Genosse Wißmann noch die schlechte Beleuchtung in der Stubenrauchstraße und Machnower Chaussee, worauf der Bürgermeister auf die großen Kosten hinwies, die erwachsen würden, zumal nur eine kleine Anzahl Einwohner in Frage kämen.“

 Vorwärts, 08.07.1910, S. 10

 28. Juli

 „Zossen. Mit der Neuwahl der Funktionäre beschäftigte sich die letzte Generalversammlung. Gewählt wurde zum 1. Vorsitzenden Saupe, zum Schriftführer Sandmann, Kassierer Kaimling, 2. Vorsitzenden Lies. Als Beisitzerin soll eine Genossin gewählt werden und wurde die Wahl den Genossinnen selbst überlassen. Als Parteispediteur fungiert Matuscheck, Bibliothekar Budeus, Lokalkommission Wißmann und Wendorf, Stadtverordnetenkommission Saupe, Tschersich und Rakow, Leiter der Landagitation Budeus, Revisoren Rakow, Scholz, Binder. Zu der am 7. August stattfindenden Kreisgeneralversammlung wurden die Genossen Waiker und Wendorf gewählt. Angenommen wurde eine Resolution, die badische Landtagsfraktion betreffend, in der die Haltung derselben ganz entschieden verurteilt wird. Die Delegierten wurden beauftragt, Protest in der General-Versammlung Groß-Berlins zu erheben. Der Verein zählt 160 Mitglieder. 4 Genossen traten ein, einer wurde neu aufgenommen.“

 Vorwärts, 31.07.1910, S. 15

 7. August

 Fünf Jahre „Freie Turner“. Festzug vom Lokal Kurzner aus.

Vorwärts, 06.08.1910, S. 15

 „Zossen. In der stattgefundenen Kartellsitzung wurde der Vorstand neu gewählt, da der alte teils aus Gesundheitsrücksichten, teils wegen Arbeitsüberbürdung von seinem Posten zurücktrat. Es wurden gewählt: Karl Grobe als Vorsitzender, F. Gottschling als Kassierer, Emil Hamann als Schriftführer, Fritz Brändle als Lokalkommissionsmitglied, Otto Schüler als Mitglied zum Jugendausschuß. Die Abrechnung pro 1. und 2. Quartal hatte folgendes Ergebnis: Einnahme 518,45 M., Ausgabe 454,90 M., Überschuß 63,55 M. Für die Bauarbeiter wurden außer von Gewerkschaften direkt abgeschickten Geldern 220 M. abgesandt.“

 Vorwärts, 21.08.1910, S. 18

25. August

„Zossen. In der Wahlversammlung am Donnerstag wurde der Bericht von der Kreisgeneralversammlung und der Bericht von der Verbandsgeneralversammlung Groß-Berlins entgegengenommen. Der Bericht des Genossen Wendorf von der Kreisgeneralversammlung wurde von der Versammlung zustimmend entgegengenommen, während der Bericht von der Generalversammlung Groß-Berlins, den Genosse Saupe erstattete, eine lebhafte Diskussion entfesselte. Der Beschluß, daß die Arbeitslosen Beiträge zahlen sollen, wurde als wenig sozial bezeichnet. Zugestimmt wurde der Erhöhung des Beitrages auf 40 Pf. Einem Wochenbeitrage sind die hiesigen Genossen abgeneigt aus Gründen der Mehrbelastung der Funktionäre und der damit verbundenen Eintreibung der Beiträge. – Unter Verschiedenem wurden einige interne Sachen erledigt. Der Jugendausschuß, der auch bei uns endlich ins Leben tritt, hält am Sonntag, den 2. Oktober, nachmittags 3 Uhr, im P. Kurznerschen Lokal, Baruther Straße 10, eine konstituierende Sitzung ab. Die Genossen werden gebeten, schon jetzt für den guten Besuch dieser Versammlung Sorge zu tragen.“

Vorwärts, 28.08.1910, S. 23

 13. Oktober

 „Zossen. Die letzte Wahlvereinsversammlung beschäftigte sich zunächst mit dem Bericht vom Magdeburger Parteitag. Genosse Wilk-Charlottenburg schilderte in anschaulicher Weise die Parteitagsverhandlungen. Die Versammlung erklärte sich mit den Parteitagsbeschlüssen einverstanden. – Den Kassenbericht gab Gen. Keimling. An den Zentralvorstand wurden 86 M. abgeführt. Unter Verschiedenem wurde vom Genossen Wißmann darauf hingewiesen, daß die Lokalkommission von dem Saalbesitzer Korn (Restaurant „Hohenzollern“) in höchst unpassender Weise beschieden worden sei. Nach längerer Debatte wurde der Boykott über das betreffende Lokal verhängt. Des weiteren wurde zu einem besseren Besuch des Parteilokals aufgefordert. Aufgenommen wurden 4 neue Mitglieder.“

 Vorwärts, 18.10.1910, S. 14

20. Oktober

„Zossen. In der Stadtverordnetensitzung am Donnerstag gab es bei dem Punkte „Erteilung des Zuschlages zur Verpachtung von städtischen Ländereien“ eine lebhafte Debatte. Einen Teil der Ländereien hatte das Kommissionsmitglied Herr Lorenz an die alten Pächter unter der Hand verpachtet. Dieser Herr zog es vor, die Sitzung zu schwänzen. Genosse Wißmann forderte die Versammlung auf, einen Beschluß dahin zu fassen, daß eine nochmalige Ausschreibung zwecks Verpachtung der fraglichen Ländereien stattzufinden habe. Herr Weege will die Kommission decken und legt „Verwahrung“ gegen den Vorwurf des Genossen Wißmann ein, die Kommission hätte eine Schiebung vorgenommen. Der Bürgermeister und der Stadtverordnetenvorsteher wendeten sich gegen das Verfahren der Kommission. Trotzdem beschloß das Kollegium, diese Art und Weise der Verpachtung anzuerkennen. Zu Kandidaten zur Ratsmannswahl werden die Herren Schwietzke, Lorenz und Knöfeld vorgeschlagen. Infolge Neubaues der Brücke wird eine Verlegung der Waschbank beschlossen. Genosse Wißmann ersucht noch den Magistrat, den Schulkindern für den Winter Turngelegenheit zu beschaffen. Hierauf findet geheime Sitzung statt.“

Vorwärts, 23.10.1910, S. 19

29. Oktober

„Zossen. Das Gewerkschaftskartell veranstaltet am kommenden Sonnabend, abends 8 ½ Uhr, in P. Kurzners Lokal einen Streichkonzertabend. Den vielfältigen Wünschen der organisierten Arbeiterschaft, einmal einen genußreichen Abend zu bieten, hat das Kartell Rechnung getragen. Es ist daher zu erwarten, daß die Arbeiterschaft das Unternehmen durch zahlreichen Besuch unterstützt.“

Vorwärts, 27.10.1910, S. 14

„Die Ausführung des Reichsvereinsgesetzes.

Der Kampf, den unsere Genossen im Kreise Teltow-Beeskow seit sieben Monaten gegen den Amtsvorsteher in Zossen sowie den Landrat des kreises Teltow um das Versammlungsrecht in Motzen führen, scheint sich nunmehr doch seinem Ende zu nähern.
Nachdem eine Unzahl von Beschwerden in dieser Sache anhängig gemacht worden, sind endlich zwei Bescheide des Herrn Regierungspräsidenten eingelaufen, worin bekundet wird, daß die unteren Verwaltungsorgane dem Paragraph 7 des Reichsvereinigungsgesetzes eine Auslegung gegeben haben, die ihre Befugnisse überschreitet.
Die eine Beschwerde betrifft das Verbot einer Versammlung unter freien Himmel, die zu Sonntag, den 8. Mai nach dem Hofe des Eigentümers Hertel in Motzen einberufen werden sollte. – Der Herr Amtsvorsteher teilte damals mit, daß die Genehmigung hierzu versagt werden müsse, – „da durch diese Veranstaltung in mehrfacher Hinsicht Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu befürchten sei.“
Der Herr Landrat erklärte ebenfalls, daß er unter den obwaltenden Umständen nicht anzuerkennen vermöge, daß es dem Verbot an einer ausreichenden gesetzlichen Begründung fehle, und wies deshalb die Beschwerde als unbegründet zurück.
Der Herr Regierungspräsident ließ jedoch nunmehr dem Beschwerdeführer durch den Landrat folgenden Bescheid zugehen:
„Die Genehmigung zur Abhaltung einer Versammlung unter freiem Himmel am 8. Mai d. J. Auf dem Grundstück des Eigentümers Hertel in Motzen ist Ihnen vom Herrn Amtsvorsteher versagt worden, weil er Gefahr für die öffentliche Sicherheit befürchtete.
Ich vermag diese Befürchtung nicht zu teilen und habe den Herrn Amtsvorsteher mit entsprechender Anweisung versehen lassen.
Der zweite Fall betrifft eine Versammlung, die zum Sonntag, den 28. August, nach dem Grundstück der Witwe Buschack in Motzen einberufen werden sollte. – Der Herr Amtsvorsteher hatte vorher schon zweimal die Genehmigung versagt, – weil ihm der Zweck der Versammlung nicht mitgeteilt worden war, worauf ihm am 15. August schriftlich erklärt wurde, daß die Versammlung den Zweck habe, – „nach einem Vortrage des Reichstagsabgeordneten Fritz Zubeil Anhänger für die Sozialdemokratie zu werden“.
Der Amtsvorsteher verweigerte trotzdem noch die Genehmigung, weil, wie er ausführte, die Versammlung inmitten einer den Bestrebungen der Sozialdemokratie abgeneigten Bevölkerung stattfinden solle, sich hauptsächlich aus Ziegeleiarbeitern zusammensetzen würde, Schlägereien in der dortigen Gegend an der Tagesordnung seien, und alle diese Dinge bei ihm die Befürchtung begründeten, daß es zur Störung der öfentlichen Sicherheit kommen könnte.
Auch der Herr Landrat schloß sich in seinem Bescheide vom 16. September dieser Begründung der Ablehnung an und wies auch diese Beschwerde zurück.
Der Herr Regierungspräsident ließ jedoch auch in diesem Falle durch den Landrat folgenden Bescheid zustellen:
„Soweit sich Ihre Beschwerde auf das Versammlungsverbot am 28. August d. Js. erstreckt, ist sie gerechtfertigt. Dem Herrn Amtsvorssteher in Zossen habe ich in letzter Hinsicht entsprechend anweisen lassen.“
So werden sich ja wohl nun Landrat und Amtsvorsteher unter diese Anweisung beugen müssen. – Für die Bevölkerung hat der Beschwerdeweg jedoch nur einen recht problematischen Wert, weil die Erledigung solcher Beschwerden, wie dieser Fall beweist, unter Umständen (sieben) Monate lang auf sich warten läßt.“

Vorwärts, 13.12.1910, S. 2

Bei den Zimmerern in Zossen lag bisher die Arbeitszeit bei 10 Stunden und der Lohn bei 47 Pfennig pro Stunde. Für 1910 sind 48 Pf., für 1911 51 und 1912 53 Pf. vereinbart.

Der Zimmerer, 03.09.1910, S. 347

„Zossen. Infolge der Tabaksteuer läßt die Firma C. Nürrenbach nur 5 Tage in der Woche arbeite.“

Der Tabak-Arbeiter, 02.10.1910, S. 1

„Der Gesamtbetrieb der in Konkurs geratenen Deutschen Buch- und Kunstdruckerei, GmbH, in Berlin und Zossen wurde nach einer uns zugegangenen Mitteilung von der Berliner Buch- und Kunstdruckerei, GmbH, in der Zwangsversteigerung erstanden. Letztere Gesellschaft ist eigens zu dem Zwecke gegründet worden und übernimmt den Weiterbetrieb der Firma. Der frühere Geschäftsführer und Mitinhaber der salliten Firma, Wilhelm Wagner, wurde bei Beginn des Konkurses von der Konkursverwaltung seines Amts entsetzt, so daß auch die Geschäftsführung eine andre geworden ist.“

Korrespondent, 11.10.1910, S. 5

Die Berliner Buch- und Kunstdruckerei GmbH in Zossen ist in das Verzeichnis der tariftreuen Drucker (7. Nachtrag zum Verzeichnis vom 30. April 1910) aufgenommen.

Korrespondent, 15.11.1910, S. 8

Aus dem Bericht des Gauvorstandes 1 des Deutschen Buchbinder-Verbandes:
„In Zossen gelang es, den Tarif mit erheblichen Verbesserungen zu erneuern. Der Minimallohn der Kollegen wurde auf 26 bezw. 28 Mk. Gehoben. Die Anfangslöhne der Arbeiterinnen (Lehrmädchen) wurden auf 7,50 bezw. 8,50 Mk., steigend bis 14 Mk., festgelegt.“

Buchbinder-Zeitung, 08.04.1911, S. 116

31. Dezember

Dem Gewerkschaftskartell gehören 11 Gewerkschaften mit insgesamt 383 Mitgliedern an.

Statistische Beilage des Correspondenz-Blatt, Nr. 4, 20. Mai 1911, S. 115.

 31. Dezember

 Der Zahlstelle des Metallarbeiterverbandes in Zossen gehören 80 Mitglieder an. 

 Metallarbeiter-Zeitung, 01.04.1911, S. 454

1911


 Vorstand des Ortsvereins des Verbandes der Buchdrucker und Schriftgießer: Ewald Wiedemann, Zossen-Nächst-Neuendorf; Robert Schulze, Wasserstraße 7

 Korrespondent, 03.01.1911, S. 6

 15. Januar

 „Zossen. Bei gutem Besuche fand am 15. Januar unsre Generalversammlung statt. An Stelle des vor kurzem zurückgetretenen Vorsitzenden Wiedemann wurde der bisherige Schriftführer Kollege Möller gewählt. Die übrigen Kollegen blieben weiter im Amte, besonders deshalb, um in den ernsten Situationen dieses wichtigen Jahrs ihre Erfahrung in den Dienst der Kollegen zu stellen. Neu hinzugewählt wurde der langjährige Obmann der Vertrauensleute Kollege Küken. Der Kassenbericht ergab einen reichlichen Bestand. In weiteren Ausgaben soll vorläufig die größte Sparsamkeit Platz greifen, aus welchem Grund auch das Bezirksstiftungsfest ausfallen soll.“

 Korrespondent, 31.01.1911, S. 5

 21. Januar

 „Zossen. Nachdem in einer Vorstands- und Vertrauensmännersitzung bereits die einleitenden Vorarbeiten für die Anträge zur diesjährigen Tarifrevision erledigt worden waren, fand am 21. Januar eine außerordentliche Bezirksversammlung statt, die zu den Anträgen Stellung nehmen sollte. Trotzdem eine größere Anzahl der Kollegen in Berlin wohnt, waren nach Ausweis der Präsenzliste immer noch vier Fünftel der Mitglieder anwesend, gewiß ein Zeichen großen Interesses an den Verhandlungen. Nach einem einleitenden Referat unsres Gauvorstehers Hannack (Stettin) wurden die vorbereiteten Anträge eingehend diskutiert, zum Teil aus der Versammlung heraus ergänzt und sodann einstimmig angenommen. Hoffen wir, daß das große und einmütige Interesse, welches sich während der Diskussion zeigte, auch ferner bestehen bleibt. Die Aufstellung der Kandidaten zur Generalversammlung wurde wegen vorgerückter Zeit auch die nächste im Februar stattfindende Bezirksversammlung verschoben.“

 Korrespondent, 07.02.1911, S. 5

 Vom Vorstand des Verbandes der Tabakarbeiter Deutschlands sind ernannt für Zossen:
1. Bevollmächtigter Wilhelm Busack; 2. Bevollmächtigter Oskar Noack; Max Seifert und Otto Schulz Kontrolleure. Alle Zuschriften gehen an den 2. Bevollmächtigten, Marktstraße 5. I.

 Der Tabak-Arbeiter, 22.01.1911, S. 7

 8. Februar

 Volksversammlung bei Kurzner. Thema: „Die Wahrheitsliebe der Diener Gottes und der hiesige christliche Volksverein“. Referent: E. Unger-Berlin
„Zossen. Eine imposante von über 400 Personen besuchte Volksversammlung im Kurznerschen Lokal hörte einen interessanten Vortrag des Genossen Unger über: Die Wahrheitsliebe der Diener Gottes und der christliche Volksverein. In der Diskussion klärten die Genossen Saupe und Walter die Anwesenden über den hier kürzlich gegründeten christlichen Volksverein auf. Dabei beschäftigten sich die Redner auch mit dem Superintendenten und Protegé des Vereins, Herrn Schmidt, der sich in dieser Eigenschaft die Bekämpfung der Sozialdemokratie zur Aufgabe gestellt hat. Er sowohl wie die übrigen Geistlichen waren zu der Versammlung geladen aber nicht erschienen. Herr Schmidt hat, wie der Versammlung mitgeteilt wurde, sein Fernbleiben dadurch entschuldigt, daß er einmal einem Juden nicht gegenüber treten werde und auch aus anderen Gründen nicht erscheinen könne.
Diese Mitteilung rief um so größere Verwunderung unter den Versammelten hervor, als der Referent einmal kein Jude ist und außerdem der Herr und Meister des Herrn Schmidt, Jesus, bekanntlich selbst jüdische r Abstammung war. Eine Resolution, die sich gegen das Verhalten des Herrn Schmidt richtet und die Versammelten zum Austritt aus der Landeskirche auffordert, fand hierauf Annahme. Zum Schluß meldeten 30 Personen ihren Austritt aus der Landeskirche an“.

 Vorwärts, 31.01.1911, S. 13; Vorwärts, 08.02.1911, S. 14

 17. Februar

 „Zossen. Noch glänzender wie die am 8. Fenruar stattgefundene Volksversammlung, in der das Thema: „Die Wahrheitsliebe der Diener Gottes und der christliche Volksverein“ zur Verhandlung stand, gestaltete sich die am 17. Februar tagende Versammlung. Wegen vorgerückter Nachtzeit mußte die am 8. Februar stattgefundene Volksversammlung vertagt werden. Es waren diesmal wohl über 500 Personen, die den Ausführungen des Genossen Unger lauschten. In der Diskussion sprachen noch im Sinne des Referenten die Genossen Reichert, Rönnebeck, Budeus und Walter, welche als Protest gegen das Gebaren des hiesigen Superintendenten Schmidt zum Austritt aus der Landeskirche aufforderten. Gegener meldeten sich trotz mehrmaliger Aufforderung nicht zum Wort. Am Schluß richtete der Versammlungsleiter, Genosse Lies, an die Versammelten die Aufforderung, sich der gewerkschaftlichen wie der politischen Organisation anzuschließen. Das Fazit der Versammlung war, daß eine Anzahl Personen den Austritt aus der Landeskirche erklärten. Auch war eine stattliche Zahl Neuaufnahmen in den Wahlverein zu verzeichnen.“

 Vorwärts, 23.02.1911, S. 9

 „Zossen. Wie wohl überall, so sind auch hier die alten eingefleischten Gewerkvereinler nicht die idealsten Kollegen. Wurde doch sogar von ihnen versucht, einen Funktionär unseres Verbandes außer Arbeit zu bringen. Wenn dies nicht gelang, so lag das gewiß nicht an ihnen. Trotzdem gibt es hier einige alte Kollegen, die lieber mit den Hirschen zusammen in gesperrten Lokalen bei Schnaps und Bier sitzen statt in unsere Versammlungen zu kommen. Wenn die Kollegen sich nur etwas mehr um das Verbandsleben kümmern wollten, könnte hier manches besser sein. Aber mit Gleichgültigkeit kommen wir nicht vorwärts.“

 Holzarbeiter-Zeitung, 11.03.1911, S. 77

 9. April

 Broschürenverteilung der SPD für Zossen, Nächst Neuendorf Glienick und Groß-Schulzendorf

 Vorwärts, 06.04.1911, S. 9

 9. April

 „Zossen. Am Sonntag, den 9. April, 9 ½ Uhr vormittags, tagte hier unsere Mitgliederversammlung, die sich mit folgender Tagesordnung beschäftigte: Aufnahmen neuer Mitglieder, Abrechnung, Kartellbericht, Stellungnahme zur Maifeier, Verbandsangelegenheiten, Verschiedenes. Zur Aufnahme hatte sich der Lehrling Erich Richter gemeldet. Er wurde willkommen geheißen und ermahnt, die Verbandsinteressen voll und ganz zu vertreten, um ein treuer Mitkämpfer für unsere gerechten Aufgaben zu werden. Die Abrechnung wurde geprüft und für richtig befunden und dem Kassierer Entlastung erteilt. Aus der Abrechnung ist zu ersehen, daß die Einnahme (inkl. Kassenbestand) 78,19 M. betrug, die Ausgaben 58,13 M. Die Mitgliederzahl betrug am 31. März 12. Der Kartellbericht, den Kollege Krause gab, wurde noch von den Kollegen Busack und Freiwaldt ergänzt. Besonders hervorzuheben, daß sich das Gewerkschaftskartell mit der Frage beschäftigt, einen Konsumverein ins Leben zu rufen. Das sei notwendig, denn die Lebensmittelpreise seien hier so enorm hoch, daß man es mit Freuden begrüßen würde, mit einem Arbeiterkonsumverein der Konkurrenz die Spitz bieten zu können. Bei Besprechung über die Maifeier erklärten sich alle Kollegen bereit, an diesem Tage die Arbeit ruhen zu lassen. Es wurde eine Kremserpartie beschlossen und eine Kommission dazu gewählt, die alles vorbereiten soll. Darauf wurde die Lohnerhöhung bei der Firma Otto Rackow bekannt gegeben. Diese Firma machte auf 8 Sorten einen Lohnzuschlag von 25 bis 75 Pf. pro Mille. Kollegen, unsere Aufgabe wird es sein müssen, auf allen Fabriken den Minimallohn von 9 M. zu erkämpfen! Dies wird um so eher gelingen, als wir hier sämtlich organisiert sind. Gehen wir also frisch an die Arbeit und der Sieg wird unser sein! Wir müssen noch die gleichgültigen Kollegen aufzuklären und mitzureißen suchen, auf daß sie in erster Linie zur Überzeugung kommen, daß die Versammlung dem Bett vorzuziehen ist; denn Gleichgültigkeit führt nie zum Ziel. So wurde auch das Nichterscheinen der Kollegen Rakow, Wederheid und Schulz auf das Schärfste gerügt. Nachdem noch der Schnapsboykott gelobt wurde, erfolgte Schluß der lebhaften Versammlung.“

 Der Tabak-Arbeiter, 23.04.1911, S. 5

„Zossen (Brandenburg). Die Firma O. Rakow erhöhte die Löhne bei 8 Sorten um 25 bis 75 Pf. pro Mille; unsere Kollegen 9in Zossen werden nichts unversucht lassen, um auch in den drei andern Betrieben, Th. Boße, F. Gaebert, C. Nürrenbach, Lohnerhöhungen durchzusetzen: Hoffentlich wird dies bald geschehen und erreicht werden, daß in Zossen für die Folge unter 9 M pro Mille keine Zigarren mehr angefertigt werden.“

Der Tabak-Arbeiter, 30.04.1911, S. 4

 7. Mai

 „Schöneiche bei Zossen. Zum ersten Male ist es der Sozialdemokratie gelungen, auch am hiesigen Orte in einer Volksversammlung mit der Einwohnerschaft Fühlung zu nehmen. Etwa 150 Personen hatten sich am Sonntag im Lokale von Ewald Morbeck eingefunden, um einem Referat des Genossen Störmer-Berlin über die Lasten der werktätigen Bevölkerung zuzuhören. Der Beifall, der dem Referenten gezollt wurde, bewies, daß er den Versammelten aus dem Herzen gesprochen hatte. In der Diskussion sprachen noch Irmschak-Mittenwalde, Ribbecke-Klein-Besten und Mischke-Zossen. Alle Redner übten an den politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen herbe Kritik.“

 Vorwärts, 11.05.1911, S. 14

 10. Juni

 „Bezirk Zossen. Eines recht guten Besuchs erfreute sich die am 10. Juni abgehaltene außerordentliche Mitgliederversammlung, in welcher nach Erledigung einiger interner Angelegenheiten Kollege Braun (Berlin) das Wort zur Berichterstattung über die Generalversammlung erhielt. In eindreiviertelstündigem Vortrag entrollte der Referent ein Bild über die Verhandlungen in Hannover und reicher Beifall belohnte den Redner am Schlusse seiner Ausführungen. Eine kurze Diskussion schloß sich dem Vortrag an. Weiter wurde beschlossen, das Johannisfest als Druckereisommerfest Mitte Juli zu feiern.“

 Korrespondent, 24.06.1911, S. 6

 11. Juni

 „Schöneiche bei Zossen. Endlich ist es auch hier gelungen, ein Versammlungslokal zu erhalten. Es konnte daher am letzten Sonntag eine imposante öffentliche Versammlung abgehalten werden. Da der Abgeordnete des Kreises, Gen. Zubeil, am Erscheinen verhindert war, übernahm es Gen. Gehrke-Steglitz, die Sünden der Reichsregierung und der Reichstagsmehrheit zu bezeichnen. Die von etwa 300 Personen besuchte Versammlung zollte dem Referenten am Schluß seiner Rede großen Beifall.
An der Diskussion beteiligten sich die Genossen Wendorf, Saupe, Walther, Greulich, Domke und ein Genosse in Groß-Besten. Der Vorsitzende gab bekannt, daß in nächster Zeit wieder eine Versammlung tage, in welcher Gen. Zubeil bestimmt erscheinen werde.
Vor und nach der Versammlung trugen die Arbeiter-Gesangvereine aus Mittenwalde und Zossen einige stimmungsvolle Lieder vor.

 Vorwärts, 16.06.1911, S. 10

 23. Juni

 Gautag des Odergaus des Verbandes der Buchdrucker und Schriftgießer Deutschlands. Vertreter von Zossen sind: Möller, Schulze
„Der Antrag: „Zossen vom Odergau abzutrennen“ wurde von Möller (Zossen) begründet. Der ganze Bezirk setze sich fast nur aus den Mitgliedern der Berliner buch- und Kunstdruckerei zusammen. Der frühere große Wechsel bestehe immer noch und viele Berliner sträubten sich gegen eine Annahme einer Kondition in Zossen, weil sie befürchteten, ihre Rechte in Berlin zu verlieren. Er glaube, daß die Mehrheit des Berliner Gauvorstandes der Einverleibung zustimmen werde.
Eifler (Gauvorstand.-- K.L.) meinte, Berlin liege gar nichts an Zossen und der Hauptvorstand sage entschieden nein zu der Abtrennung. Bei solchem Entgegenkommen sei keine Grenze abzusehen, wo die Berliner Einflußsphäre und die Einverleibungsgelüste der Provinz aufhören würden. Es würde dies leicht zum Verfalle des Odergaus führen können. Ein strengeres Vorgehen bei leichtfertigem Aufgeben der Kondition würde vielleicht die Verhältnisse in Zossen bessern und den Wechsel Beschränken. Unter Umständen lasse sich die Sache bei einer Neueinteilung der Gaue regeln. Er bitte, auf den Antrag zu verzichten.
Nachdem noch Möller und Schulze (Zossen) für den Antrag gesprochen hatten, wurde bei der Abstimmung der Antrag abgelehnt. Zossen bleibt also beim Odergau.“

 Korrespondent, 29.06.1911, S. 3

 „Zossen. In der letzten Gemeindevertretersitzung wurde nach dem Bericht über den Stand der Kämmerei-, Feld- und Armenkasse ein Antrag des Magistrats angenommen, nach welchem zur Ableitung der Regenwässer der Mittenwalder Chaussee, der Töpchinerstraße und der Weinberge eine Rohrleitung gelegt werden soll. In dieselbe sollen gleichzeitig die geklärten Abwässer des Kreiskrankenhauses geleitet und nach der Notte geführt werden. Der Kreis gibt dazu eine Beihilfe von 1000 Mark. Die städtischen Obstnutzungen wurden an den Meistbietenden vergeben. Nach Ansicht eines Gemeindevertreters sind die Angebote für das Obst als außergewöhnlich hoch zu betrachten. Es sei daher nicht zu verwundern, daß in Zossen das Pfund Kirschen viel teurer ist wie in Berlin. Für den Kreis Teltow errichtet in Zossen eine Obstverwertungsgesellschaft mbH Baulichkeiten. Der Bürgermeister ersucht die in Frage kommenden Produzenten, dieses Unternehmen zu unterstützen, damit es lebensfähig werde. Für Pflasterung der Töpchinerstraße vom Kreiskrankienhaus bis zur Mittenwalder Chaussee wurden 750 Mk. Bewilligt.“

 Vorwärts, 09.07.1911, S. 14

 6. Juli

 „Zossen. „Der Aufmarsch der Parteien zu den Reichstagswahlen“ war das Thema, über das Genosse Böske in der letzten Generalversammlung des Wahlkreises referierte. Nach dem Jahresbericht, den der Genosse Saupe gab, war die Vereinstätigkeit eine sehr rege. Es fanden in der Berichtszeit 18 Vereinsversammlungen und 7 Volksversammlungen statt. Mitglieder hatte der Verein am Schlusse 167, davon 28 weibliche. Trotzdem in der Berichtszeit 134 Mitglieder neu aufgenommen wurden, hat sich der Stand nur um 25 vermehrt, ein Zeichen der ungemein großen Fluktuation am Ort. In den Vorstand wurden folgende Genossen gewählt: 1. Vorsitzender Saupe; 2. Vorsitzender Hering; Kassierer Trebbin; als Beisitzerin Frau Kitzler. Zu Bezirksführern Seifert, Franz Müller, Stein, Trebbin und Mattuschek. Zur Stadtverordnetenkommission Rackow und Tschersich, zur Lokalkommission Max Becker. Als Revisoren Hechler und Spring. Die Wahl eines Schriftführers wurde zurückgestellt.
Die bei der letzten Stadtverordnetenwahl errungenen Mandate sind durch den Verzug der beiden Genossen wieder erledigt. Die Genossen müssen daher alle Kräfte einsetzen, die Mandate bei den diesen Herbst stattfindenden Ersatz- und Ergänzungswahlen wieder zu erringen. Bei der Aufstellung der Kandidaten entwickelte sich eine sehr lebhafte Diskussion. Wegen fortgeschrittener Zeit wurde die Aufstellung für eine außerordentliche Generalversammlung zurückgestellt. Vor Eintritt in die Tagesordnung meldeten sich 8 Genossen und 2 Genossinnen zur Aufnahme.“

 Vorwärts, 12.07.1911, S. 14

 20. Juli

 „Zossen. Die Fortsetzung der vor zwei Wochen vertagten Generalversammlung hatte folgendes Resultat: Zu den im November stattfindenden Stadtverordetenwahlen wurden als Ersatzmänner für die von hier verzogenen Genossen Ridzowski und Wißmann, welche 2 Mandate der 3. Abteilung innehatten, die Genossen Saupe und Tschersich, als Kandidaten zu den Ergänzungswahlen die Genossen Trebbin und Karl Lemke aufgestellt. Als Schriftführer wurde Genosse Wegener, als Delegierte zur Kreisgeneralversammlung die Genossen Franz Müller und Witt, für die Verbandsgeneralversammlung die Genossen Albrecht und Freiwaldt und in den Jugendausschuß die Genossen Albrecht und Trömel gewählt.
Genossen! Die Wählerlisten liegen diese Woche noch aus. Versäume keiner, sich zu überzeugen, ob er darin aufgeführt ist. Gesuche um Eintragung nehmen entgegen und führen aus die Genossen Saupe, Rackow und Tschersich.“

 Vorwärts, 26.07.1911, S. 10

 28. Juli

 „Zossen. Ein bedauernswerter Unglücksfall ereignete sich am Sonnabend Abend in der Schulzeschen Badeanstalt. Der 21jährige Tischler Johannes Bräuer wollte beim Baden ein Gerüst erklettern, rutschte dabei aus und fiel mit der linken Brustseite so unglücklich auf eine eiserne Zaunspitze, daß ihm dieselbe in den Körper eindrang und die Lunge durchbohrte. Nachdem ein schnell hinzugerufener Arzt einen Notverband angelegt hatte, wurde der Verletzte in bedenklichem Zustande ins hiesige Kreiskrankenhaus eingeliefert.
Bei dieser Gelegenheit muß bemerkt werden, daß sich hier am Orte wohl ein vom Kreise Teltow stationierter Krankentransportwagen befindet, daß aber ein Schwerverletzter nicht sachgemäß gebettet und verladen werden kann, da dem Wagen eine kundige Begleitung fehlt. Nur unter fürchterlichen Qualen wird der Verletzte auf den Wagen gebracht.
Auch die Badeverhältnisse am hiesigen Ort fordern zu einer Kritik heraus. So hat z. B. die Aufsicht bei dem städtischen Freibad ein alter invalider Asthmatiker, welcher nicht in der Lage ist, bei einem Unglücksfalle sachgemäß einzugreifen. Es ist denn auch fast als ein Wunder zu bezeichnen, daß vor längerer Zeit ein Zigarrenmacher von anderen Badenden vom Ertrinken gerettet werden konnte, nachdem vorher vergeblich versucht worden war, denselben mit einer Harke herauszuziehen, und voriges Jahr gelang es zufällig in der Nähe befindlichen Bootsleuten, ein Kind mit Bootshaken aus dem Wasser zu holen. Irgendwelche Rettungsmittel sind nicht vorhanden.
Die Schulzesche Badeanstalt befindet sich ebenfalls in einem ziemlich zerfallenem Zustande, und man muß sich fragen, ob denn die Polizei überhaupt eine Kontrolle ausübt. Aber dazu wird sie schwerlich Zeit haben, da jeder Handwerksbursche, welcher das Weichbild Zossens betritt, streng ins Auge genommen wird, damit er nur ja beim Fechten erwischt wird, und unser Stadtoberhaupt ist so mit allen möglichen Ämtern beladen, daß er sich unmöglich um alles kümmern kann. Er ist nämlich nicht bloß Bürgermeister von Zossen, sondern auch Amtsanwalt, Notteschaudirektor, Amtsvorsteher und Vorsitzender verschiedener Vereine.
Wegen einer ordnungsgemäßen Badeanstalt sind schon mehrfach Gesuche an die städtischen Körperschaften gerichtet worden, auch unsere früheren Genossen im Stadtparlament haben eifrig diese Sache verfochten. Da wurde aber von Seiten einzelner Bürgerlicher, welche wahrscheinlich eine Badeeinrichtung im Hause haben, erklärt, die Zossener Arbeiterschaft fühle ja gar kein Bedürfnis zum Baden. Wie tief die Arbeiter dabei eingeschätzt wurden, beweist die starke Inanspruchnahme der Schulzeschen Badeanstalt, seit sich der jetzige Pächter in anerkennungswerter Weise bereit erklärt hat, für Mitglieder der Krankenkasse „Äskulap“ und deren Angehörigen ermäßigte Preise zu gewähren.
Es liegt nun mit an der Zossener Arbeiterschaft, daß sie bei den nächsten Stadtverordnetenwahlen für sich einige Mandate erringt. Vielleicht wird es dann möglich, eine Reihe Mißstände in unserem Gemeindewesen zu beseitigen.

 Vorwärts, 01.08.1911, S. 10

 1. August

 Zossen. Erhängt. Mittwoch früh wurde der über 70 Jahre alte Rentenempfänger Otto in der Stubenrauchstraße an einer Telegraphenstange erhängt aufgefunden. Nahrungssorgen sollen den Mann in den Tod getrieben haben. Allgemeine Verwunderung erregte die Tatsache, daß der Tote den ganzen Vormittag bis ungefähr 1 Uhr bei der glühenden Sonnenhitze, das Gesicht nur mit einigen Baumzweigen bedeckt, bei der Unglücksstelle liegen mußte.“

 Vorwärts, 04.08.1911, S. 10

 24. August

 „Zossen. Die letzte Wahlvereinsversammlung nahm die Berichte von der Kreis- sowie der Verbandsgeneralversammlung entgegen. Aufgenommen wurden sechs neue Mitglieder. Gegen das Marokkoabenteuer wurde eine entsprechende Resolution angenommen.“

 Vorwärts, 26.08.1911

 29. August

 Vortrag bei Kurzner in Zossen: „Schutz den Kindern!“

 Vorwärts, 26.08.1911, S. 5

 Bürgerrechtsgeld
Im Vorwärts wurde eine Übersicht über die Erhebung des Bürgerrechtsgeldes von Zugezogenen, dessen Zahlung für die Erlangung des Bürgerrechts auch in Zossen notwendig war, veröffentlicht. An das Bürgerrecht wiederum war die Eintragung in Wahllisten gebunden. Zossen hatte damals 4800 Einwohner. Das Bürgergeld betrug 10 bis 25 M. und konnte, nach Übereinkunft, in Raten gezahlt werden. Zossen hatte 18 Stadtverordnete und 5 Magistratsmitglieder. Der kommunale Steuerhebesatz betrug 164 Prozent.

 Vorwärts, 05.09.1911, S. 10

 9. September

 „Die Tabakarbeiter, welche in den Betrieben von Nürrenbach und Gäbert zu Zossen beschäftigt sind, haben am Sonnabend wegen Lohndifferenzen die Arbeit niedergelegt, weil die geringfügige Lohnforderung von 25 Pf. pro Mille bei beiden Firmen, sowie Beseitigung verschiedener Nebenarbeiten und Lieferung besseren Materials bei der Firma Nürrenbach nicht zugestanden worden ist. Daß die Forderungen bewilligt werden können, beweist der Betrieb des Genossen Rackow, wo dieselben längst eingeführt sind. Verhandlungen mit dem Gauleiter haben bis jetzt zu keinem Resultat geführt. Die Parteigenossen werden aufgefordert, die Tabakarbeiter in ihrem Kampf zu unterstützen.“

 Vorwärts, 12.09.1911, S. 4

 „Zossen. Mit der Errichtung einer Badeanstalt hatte sich die letzte Gemeindevertretersitzung zu beschäftigen. Da der Magistrat jedoch eine geeignete Vorlage nicht hergestellt hatte, wurde ein Beschluß noch nicht herbeigeführt. In der Diskussion hierüber brachte Herr Weege zum Ausdruck, daß eine solche Anstalt auch Heißluft- elektrische und russisch-römische Bäder haben müsse. Am vorteilhaftesten für die Stadt sei es, wenn die Anstalt von privater Seite errichtet würde. Daß der Magistrat sowie die Stadtverordnetenversammlung dem Wunsche des Herrn Weege Rechnung tragen wird, ist nicht anzunehmen, da Zossen gerade mit Privatinstituten nicht die besten Erfahrungen gemacht hat. Von der Notwendigkeit einer Badeanstalt ist auch der Magistrat überzeugt.
Herr Weege verlangte des weiteren die Anlegung von Promenadenwegen. Hiervon nahm die Versammlung Abstand, da der Ausführung eines solchen Projektes noch mancherlei Schwierigkeiten entgegenstehen. Überdies will Herr Weege die Promenaden nur deshalb angelegt wissen, um wohlhabende Steuerzahler heranzuziehen. Der Antragsteller hätte nicht notwendig gehabt, neue Promenadenwege zu verlangen, sondern hätte fordern sollen, daß die bereits bestehenden z.B. an der Notte entlang, in einen besseren Zustand versetzt würden.
Auf dem Friedhof werden die Schadhaften Brunnen durch Wasserleitungen ersetzt, wodurch einem schon längst empfundenen Bedürfnis abgeholfen wird.“

 Vorwärts, 21.09.1911, S. 14

 8. Oktober

 „Zossen. Wir fordern die Parteigenossen auf, sich zu der am Sonntag früh 8 Uhr von Kurzner aus stattfindenden Broschüren- und Flugblattverbreitung zahlreich einzufinden.
Die Broschüren für die Landagitationstour werden am Sonnabendabend 7 Uhr bei Kurzner ausgegeben.

 Vorwärts, 06.10.1911, S. 13

 „Zossen. Ein eigenartiger Unfall ereignete sich hier in der „Internationalen Eisenbahn-Schlafwagen-Gesellschaft“. Ein eben fertig gewordener Schlafwagen sollte geliefert werden, und es wurde daher vorher die Gasbeleuchtung probiert. Aus bisher noch nicht aufgeklärter Ursache entstand eine starke Explosion, durch die der Wagen erheblich beschädigt und ein Tischler durch die entstandene Stichflamme am Arme und im Gesicht verbrannt wurde. Ein Stellmacher wurde aus dem Wagen herausgeschleudert, doch kam derselbe ohne Verletzung davon.“

 Vorwärts, 14.10.1911, S. 16

 „Der Reichstagswahlkampf wurde hier durch eine liberale Wählerversammlung eingeleitet. Professor Spiegel-Charlottenburg hatte sich der Aufgabe unterzogen, die Einwohner unserer Stadt über das Programm der fortschrittlichen Volkspartei aufzuklären. Daß für solche Ideen in Zossen kein Boden ist, bewies auch schon der Besuch der Versammlung. Auf der einen Seite einige Ackerbürger, Kriegervereinler und Handwerksmeister, auf der anderen Seite – der größten Hälfte – die Arbeiterschaft. Dem genossen Kubig-Pankow war es ein leichtes, die Ausführungen des Referenten zu widerlegen und die politische Unfähigkeit des Freisinns an Aussprüchen bedeutender Männer, und zwar Nichtsozialdemokraten, zu beweisen. Daß Genosse Kubig im Sinne der hiesigen Arbeiterschaft gesprochen hatte, bewies der kräftige Beifall am Schluß seiner Ausführungen. Leider war unserem Redner nur eine Redezeit von 15 Minuten bewilligt worden. Ohne irgend welche Proselyten gemacht zu haben, schlichen die drei Herren Entrepreneure zum Bahnhof. Bemerkt sei noch, daß sich der Referent auch einige Anwürfe gegen unseren Genossen Zubeil leistete.“

„Zossen. Als einen großen Erfolg der Fortschrittlichen Volkspartei bucht der Herausgeber und Redakteur des „Zossener Stadt- und Landboten“, Herr Otte, seinen Lesern die Versammlung, in welcher sich der Kandidat der Liberalen, Herr Prof. Dr. Spiegel-Charlottenburg, den Zossener Wählern vorstellte. Abgesehen davon, daß der Herausgeber des Blättchens die Sozialdemokratie in einer völlig weltfremden Art darzustellen sucht, behauptet er auch, daß der sozialdemokratische Redner von Prof. Dr. Spiegel in bestimmter Art abgeführt worden sei. Herr Otte wird nicht glauben wollen, daß seine Behauptungen von Besuchern der Versammlung ernst genommen werden, er kann mit seiner völlig unzutreffenden Darstellung doch nur den Zweck verfolgen, unter seinen politisch indifferenten Lesern Proselyten für den fortschrittlichen Kandidaten zu werben. Aber auch damit wird er wenig Glück haben. Die sozialdemokratische Arbeiterschaft wird ihr Teil dazu beitragen, daß die ihr bisher noch fernstehenden Schichten der werktätigen Bevölkerung von der sozialistischen Idee erfüllt werden.“

 Vorwärts, 14.10.1911, S. 16; Vorwärts, 18.10.1911, S. 14

 17. Oktober

 Protestversammlungen gegen die Teuerung
„In Zossen referierte vor 200 Personen die Genossin [Frida.-- K.L.] Wulff unter dem Beifall der Versammelten.“

 Vorwärts, 19.10.1911, S. 13

 22. Oktober

 Flugblattaktion zur Stadtverordnetenwahl

 Vorwärts, 21.10.1911, S. 13

22. Oktober

Klausdorf (Kreis Teltow). Der Streuhaufen als Rednertribüne! Welche Angst die Wirte vor Polizeischikanen haben, sollten unsere Genossen ganz unzweideutig am letzten Sonntag in Klausdorf bei Zossen erfahren. Zwei Wirte haben hier recht geräumige Säle, die sich sehr gut zu Versammlungen eignen. Den Sozialdemokraten stehen sie aber nicht zur Verfügung, denn die Wirte befürchten Polizeidrangsalierungen. Diese Furcht der Wirte ist auch durch die kürzlich im Reichstage stattgehabten Beratungen über die Mißbräuche des Reichsvereinsgesetztes nicht beseitigt, obwohl die Regierung das Versprechen abgegeben hat, daß eine Beeinflussung und Schikanierung der Wirte bei Hergabe ihrer Säle zu Versammlungszwecken von den Polizeiorganen unter keinen Umständen geschehen dürfe. Ja, die Angst der Wirte geht soweit, daß sie nicht einmal einen Tisch oder Stuhl zu einer Versammlung unter freiem Himmel hergeben. Trotz wiederholten Ersuchens weigerte sich der Wirt M. in Klausdorf, welcher keinen Saal besitzt und in nächster Nähe des Versammlungsplatzes wohnt, einen Stuhl oder Tisch unsern Genossen zu leihen oder zu vermieten. Und dabei verkehrten bei diesem Wirt fast nur Arbeiter! Selbstredend konnte diese Angstmeierei unsere Genossen nicht hindern, die Volksversammlung unter freiem Himmel abzuhalten. Und da ihnen weder Stuhl noch Tisch zur Verfügung stand, so wurde schnellstens ein Streuhaufen als Rednertribüner hergerichtet. Auch dieses Vorkommnis gab unserm Genossen Klüß-Rixdorf, welcher über „Die Taten des alten und die Aufgaben des neuen Reichstages“ sprach, vorzügliche Gelegenheit zur schärfsten Kritik darüber, wie die Sozialdemokratie behandelt wi9rd. Wie sehr unser Redner den Versammelten aus dem Herzen gesprochen hatte, bewies deren brausender Beifall am Schlusse des Vortrages. Obwohl Genosse Pagels die Gegner, die ziemlich zahlreich vertreten waren, wiederholt zur freien Aussprache aufforderte, nahm doch niemand das Wort. Die 400 Teilnehmer, worunter 80 Frauen, trennten sich in dem Bewußtsein, hier einmal ein freies und wahres Wort gehört zu haben. In Klausdorf hat früher noch nie eine Volksversammlung stattgefunden. Daß der Samen auf fruchtbaren Boden gefallen ist, dürfte schon aus dem vielseitigen Ersuchen ersichtlich sein, recht bald einen weitere Volksversammlung folgen zu lassen.“

Vorwärts, 27.10.1911, S. 14

 „Zossen. Bei den Stadtverordnetenwahlen sind unsere Genossen den bürgerlichen Kandidaten unterlegen. Noch nie war in Zossen eine so starke Wahlbeteiligungzu verzeichnen wie in diesem Jahre. Von einzelnen Betrieben wurden die Wähler kolonnenweise zur Wahlurne geführt. Arbeitgeber waren im Wahllokal anwesend, um aufzupassen, wen die bei ihnen Beschäftigten wählten; die Beamten der Post und Eisenbahn kamen truppweise anmarschiert. Sogar der christliche Volksverein hat jedes seiner Mitglieder zur Wahl dirigiert. Auf diese Weise gelang es leider nicht, unseren Kandidaten zum Siege zu verhelfen.“

 Vorwärts, 15.11.1911, S. 14

 10. Dezember

 „Schöneiche bei Zossen. Vor 120 Versammlungsteilnehmern sprach im Lokale des Herrn Storbeck am Sonntag Genosse Pieck-Steglitz. In seinen 1½ stündigen Ausführungen über die Bedeutung der Reichstagswahl ging er mit den Konservativen und Liberalen scharf ins Gericht. Reicher Beifall lohnte die treflichen Ausführungen des Referenten. Nach einem Appell der Genossen Schimanski-Schöneberg und Domke-Zossen, den 12. Januar zu einem Siegestag für die Sozialdemokratie zu gestalten, wurde die Versammlung mit einem Hoch auf die Sozialdemokratie geschlossen.“

 Vorwärts, 13.12.1911, S. 13

 Aus dem Jahresbericht des Gauvorstandes des Gaues 1 des Deutschen Buchbinderverbandes für 1911:
„In Zossen hatten sich zeitweise Verhältnisse unter den Mitgliedern herausgebildet, welche das Einschreiten des Gauvorstandes nötig machten und soll es bei dieser Gelegenheit nicht unterlassen werden, zu sagen, daß jede Uneinigkeit unter den Arbeitern nur den Arbeitgebern Nutzen bringen kann und diese die lachenden Dritten sind. Als ein übler Erfolg dieser Geschehnisse muß bezeichnet werden, daß gegenwärtig ein Unorganisierter im Betriebe arbeitete, was früher nie anzutreffen war.“

 Buchbinder-Zeitung, 13.04.1912, S. 123

Die „Arbeiter-Jugend“ hat in Zossen 18 Abonnenten. Die Zahl steigt 1913 auf 25.

Fricke, Dieter: Handbuch zur Geschichte der Deutschen Arbeiterbewegung, Band 1, S. 583

31. Dezember

Die Zahlstelle des Verbandes der Sattler hatte im 3. und 4. Quartal 1911 13 Mitglieder. Die Zahlstelle Zossen der Metallarbeiterverbandes hatte 50 Mitglieder. Der Zweigverein Zossen des Deutschen Bauarbeiterverbandes hatte 110 Mitglieder.
Das Ortskartell des ADGB umfaßte 1911 11 Mitgliedsorganisationen mit 429 Mitgliedern.

Sattler- und Portefeuiller-Zeitung, 16.02.1912, S. 47; Metallarbeiter-Zeitung, 30.03.1912, S. 106; Der Grundstein, 13.04.1912, S. 178; Statistische Beilage des Correspondenz-Blatt, Nr. 5, 8.Juni 1912, S. 155.

1912

6. Januar

 „Zossen. In überfüllter Versammlung sprach am Sonnabend Genosse [Emil. – K.L.] Unger über das Thema: „Die Volksausplünderer, ihre Helfershelfer und deren wohlberechnete Volksfreundlichkeit vor der Reichstagswahl“. In der Diskussion meldete sich ein Gegner zum Wort, welcher dem Referenten acht Fragen vorlegte. Jede Frage beantwortete Genosse Unger in längerer Ausführung, weshalb sich die imposante Versammlung bis Mitternacht hinzog. Die Stimmung der Versammlungsteilnehmer war eine gute und gibt zu den besten Hoffnungen Anlaß.“

 Vorwärts, 09.01.1912, S. 10

 „In einer von konservativer Seite nach Zossen einberufenen Wählerversammlung, die zum guten Teile von unseren Genossen besucht war, stellte sich der Kandidat des Kreises, Herr March, vor. In seinem Referate, das er von Anfang bis Ende ablas, bezeichnete er sich als ein unbeschriebenes politisches Blatt, verteidigte die Stellung der Konservativen bei der Finanzreform und zum Zentrum, verlangte Verstärkung von Heer und Flotte und bekannte sich als Feind des Reichstagswahlrechts sowie als Freund von Zöllen jeder Art und dem Mittelstand zu Liebe als Feind der Warenhäuser. Genosse Wuschick-Berlin zerpflückte die Rede, so weit dies bei der beschränkten Redezeit möglich war und Genosse Lies ergänzte die Ausführungen, wobei er mit der hiesigen Klerisei in Konflikt kam. Ein christlichsozialer „Arbeiter“ zog mit Terrorismusmärchen gegen die Sozialdemokratie zu Felde und erklärte sich mit dem Referenten vollständig einverstanden. Auch diesen Herren knöpfte sich Genosse Muschick noch einmal vor, und wies nach, daß alle Verdächtigungen der Sozialdemokratie bis jetzt einer Kritik nicht standgehalten hätten. Zur persönlichen Bemerkung erhielt unser Redner das Wort nicht mehr und wurde die Versammlung dann schnell geschlossen. Trotz der gegnerischen Provokationen ließen sich unsere Genossen nicht zu Unbesonnenheiten hinreißen und bewahrten eine ausgezeichnete Disziplin. Sie werden alles daransetzen, daß das „unbeschriebene politische Blatt“ die Sorgen eines Reichstagsmandats nicht auf sich zu nehmen braucht und es am Abend des 12. Januar heißt: Gewählt ist der langjährige bewährte Vertreter des Kreises Genosse Fritz Zubeil.“

 Vorwärts, 10.01.1912, S. 7

 12. Januar

 Reichstagswahlen
In Zossen erhalten in der Hauptwahl die Konservativen 248 Stimmen, die Antisemiten 23, die Freisinnigen 211, die Demokraten 23 und die SPD 382 Stimmen. Da Zubeil (SPD) bereits in der Hauptwahl die absolute Mehrheit der Stimmen erreicht ist eine Stichwahl nicht nötig.

 Robert Frank: Der Brandenburger als Reichstagswähler, Berlin 1934, S. 130 Fn. 3

Der Zossener Ortsverband der Sattler hat 13 Mitglieder.

Sattler- und Portefeuiller-Zeitung, 16.02.1912, S 47

 14. März

 Dabendorf. Die Sozialdemokraten Rudolf Lau (dritte Klasse) und August Schulze (zweite Klasse kommen in die Stichwahl der Gemeinderatswahlen. Dort gewinnt Rudolf Lau mit 35 gegen 26 Stimmen. August Schulze unterliegt mit 9 gegen 11 Stimmen.

 Vorwärts, 13.03.1912, S. 13; Vorwärts, 20.03.1912, S. 17

 17. April

"Todesanzeige:
Verband der Litographen, Steindrucker u. Verwandter Berufe...
Am 17. April verstarb unser Mitglied, der Lithograph
Max Günther
im Alter von 22 Jahren an der Lungenschwindsucht.
Ehre seinem Andenken!
Die Beerdigung findet am Sonntag, den 21. April, nachmittags 3 ½ Uhr, von der Leichenhalle des Friedhofes in Zossen aus statt.
Rege Beteiligung wird erwartet."

 Vorwärts, 20.04.1912, S. 12

 1. Mai

 „Allgemeines Aufsehen erregte bei der Zossener Bevölkerung der Demonstrationsspaziergang unserer Genossen, der sich vom Restaurant Flora aus durch die Stadt erstreckte. Die Zahl der Teilnehmer war eine derartig große, daß man fürchtete, der Saal des Festlokals in der Baruther Straße werde die Menge der Anmarschierenden nicht fassen. Zossen hat seine solche Demonstration noch nicht gesehen. Glücklicherweise gelang es, alle Erschienenen, wenn auch unter erschwerenden Umständen, unterzubringen. Für die Enge des Raumes entschädigte das wirklich hübsche Programm. Die Festrede hielt Genosse Paul John-Berlin.“

 Vorwärts, 03.05.1912, S. 7

 18. Mai

 „Zossen. Vor zirka 400 Personen sprach am Sonnabend Landtagsabgeordneter Adolf Hoffmann über „Kirche, Schule und Staat“. In treffenden Worten wies der Referent den Unterschied des Unterrichts in den Volksschulen und den höheren Schulen sowie die Tatsache nach, daß die Religion von den herrschenden Klassen und von der regierung nur benutzt wird, um die unteren Volksschichten in geistiger Knechtschaft zu erhalten. Der Tosende Beifall der Zuhörer bewies, daß sie mit dem Gehörten einverstanden waren. Einen Diskussionsredner vom hiesigen christlichen Jünglingsverein fertigte Genosse Hoffmann nach Gebühr ab; hoffentlich ist die hiesige Geistlichkeit das nächste Mal selbst zur Stelle, denn bis jetzt ist dieselbe unter allerlei Ausreden unseren Versammlungen ferngeblieben.
Zum zweiten Punkt sprach der Geschäftsführer der Berliner Freireligiösen Gemeine, Genosse Harndt, über „Zweck und Ziele der Freireligiösen Gemeinden“. Der Erfolg des Abends war, daß sich eine Anzahl Versammlungsteilnehmerzum Beitritt der hiesigen Ortsgruppe der Freireligiösen Gemeinde von Groß-Berlin meldeten. Auch ihren Austritt aus der Landeskirche beantragte eine Anzahl Männer und Frauen. Auskünfte über Kirchenaustritt erteilen jederzeit die Genossen Richard Seidel, Stubenrauchstr. 96, und Reinhold Tschersich, Bahnhofstr. 26, wo auch Formulare jeder Art zu haben sind.“

 Vorwärts, 21.05.1912, S. 18

 1. August

 „Generalversammlung des Wahlvereins. Nach erfolgter Aufnahme von drei Mitgliedern erstattete der Vorsitzende Saupe den Jahresbericht. Die Mitgliederzahl ist von 167 (28 weibl.) auf 193 (32 weibl.) gestiegen; hiervon entfallen auf die umliegenden Ortschaften: Klausdorf 11, Neuendorf 7, Schöneiche 2 Mitglieder. „Vorwärts“-Abonnenten sind 90, der „Brandenburger Zeitung“ 11, anderer Parteizeitungen 5 vorhanden. Bemängelt wurde von verschiedenen Genossen, daß die gelesenen Zeitungen wenige oder gar keine Informationen über örtliche Angelegenheiten enthalten; hierin solleine Änderung geschaffen werden. – 6 Volksversammlungen dienten der Agitation, außerdem 2 Flugblattverbreitungen. – Leider verloren wir bei den am Ende des Jahres 1911 stattgefundenen Stadtverordnetenwahlen 2 bvereits innegehabte Mandate. Die hiesigen Industriemagnaten haben durch unerhörten Terrorismus , das obligate Freibier usw., einen Teil der Arbeiterschaft zum Verrat zu bewegen gewußt. Diesen getreuen Schäfchen erden wohl auch noch die Augen aufgehen. – Für die Bibliothek wurden 30 M. zu Neuanschaffungen bewilligt. Die Entleihung von Bücher erfolgt jeden Mittwoch von 8 bis 9 Uhr abends. – Zwei Ausschlußanträge wurden abgelehnt. – Reges Interess fand der neueingerichtete Frauen-Leseabend. – Die Neuwahlen hatten folgendes Resultat: 1. Vorsitzender: Saupe, 2.: Hering; Kassierer: Trelbin; Schriftführer und Bibliothekar: Wegener; Beisitzerin: Frau Kitzler. – Sodann wurde der Vorstand beauftragt, eine petition für die Aufhebung des für hier noch immer bestehenden Bürgergeldes auszuarbeoiten. Eine möglichst große Anzahl Bürger soll zur Unterzeichnung gewonnen werden.“

Vorwärts, 04.08.1912, S. 14

 „Das Gewerkschaftskartell hatte eine Versammlung sämtlicher hiesiger Krankenkassenmitglieder (auch Arbeitgeber) einberufen. Als Referent war der Vorsitzende des Verbandes der Ortskrankenkassen Deutschlands, Landtagsabgeordneter Fräßdorf-Dresden gewonnen. In klarer, sachlicher Weise erläuterte er die wesentlichen Veränderungen, die mit der neuen Reichsversicherungsordnung eintreten. Die Erörterung der lokalen Krankenkassenverhältnisse führte zu dem Ergebnis, daß der Vorstand der Krankenkasse „Aeskulap“ (die bedeutendste am Orte) ersucht wurde, darauf hinzuwirken, daß zwei außerdem bestehende Kassen mit ersterer zusammengeschlossen werden. Bemerkt sei noch, daß von den Arbeitgebenr nicht ein einziger erschienen war.“

 Vorwärts, 04.08.1912, S. 14

 3. September

 „Die Protestversammlung gegen die Fleischteuerung wies einen starken Besuch auf. Der Referent, Genosse [Max. – K.L.] Groger-Neukölln, kritisierte scharf unsere heutige volksfeindliche Wirtschaftspolitik. Zum Schluß forderte Redner auf, mit reger Aufmerksamkeit den Vorgängen im politischen leben zu folgen; der wirksamste Protest des Einzelnen sei der Anschluß an die Sozialdemokratie, der einzigen für Besserung der Existenzverhältnisse der arbeitenden Klasse kämpfenden Partei.“

 Vorwärts, 07.09.1912, S. 14

 „Zossen. Eine Teuerungsdebatte gab es in der letzten Stadtverordnetenversammlung. Die kürzlich bei Kurzner tagende öffentliche Protestversammlung hatte die Absendung einer Petition an das Stadtverordnetenkollegium beschlossen, in welcher inhaltlich dieselben Maßnahmen gegen die Teuerung verlangt werden, wie in denjenigen, die bereits in Berlin und einer Reihe Kommunen Gegenstand eingehender Beratungen waren. In der Diskussion hierüber bemerkte Herr Malermeister Firk, Vertreter der dritten Klasse, daß eine Teuerung zwar bestehe, nur sei sie zu mildern, wenn die Frauen der Arbeiter mehr Interesse für die Landwirtschaft hätten. Herr Schneidermeister Stark, gleichfalls Vertreter der dritten Klasse, blies in das selbe Horn seines Vorredners, nur betonte er noch, daß sich die Arbeiter doch Vieh halten sollten, dann wäre jeder Notstand beseitigt. Sich an den Reichstag oder Bundesrat zu wenden, halte er nicht für angebracht. Herr Ackerbürger Präger, Vertreter der dritten Klasse, meinte, bei der Teuerung im vorigen Jahr sei er das Karnickel gewesen. Man habe ihm in einer öffentlichen Versammlung den Vorwurf gemacht, er gebe seinen Leuten Musstullen. Er kenne fleißige und strebsamme Arbeiter, deren Frauen bei sieben Kindern noch auf Arbeit gehen und ein Schwein füttern. Selbstverständlich müsse zur Linderung der Teuerung etwas getan werden. Herr Maurermeister Selz, Vertreter der zweiten Klasse, gab den Rat, man solle sich beim Verbrauch von Fleisch einschränken, wie er das bereits tut. Die Aufhebung des Lebensmittelzolles bedeute den Ruin unseres heutigen Wirtschaftslebens.. – Das Magistratsmitglied Schwitzke meinte, das teure Dienstpersonal in der Landwirtschaft sei viel schuld daran, daß die landwirtschaftlichen Produkte so in die Höhe gingen. – Nur Herr Schlosser Neumann, auch ein Vertreter der dritten klasse, der mit Unterstützung des christlichen Volksvereins in das Stadtparlament gewählt wurde, gab die volle Berechtigung der Petition zu; er glaubt noch eine Milderung des Notstandes darin zu erblicken, daß man eine Parzellierung städtischen Bodens vornehme und den minder bemittelten Schichten zur Bebauung abgebe. – Der Bürgermeister Dr. Wirth empfahl wiederum den Verkauf von Seefischen. – Damit war die Beratung über die Petition erledigt. Durch kräftiges Schlußrufen wurde sogar eine Abstimmung über die Petition verhindert. Bemerkt sei, daß diese Sitzung ausnahmsweise vormittags angesetzt war, wohl zu dem Zwecke, um die Arbeiterschaft vom Sitzungssaale fernzuhalten. Trotz alledem wird die Zossener Arbeiterschaft von dieser Komödie Kenntnis erhalten. Der ganze Verlauf der Verhandlung zeigt uns, daß bei den Vertretern der Stadt noch nicht das bescheidenste Maß sozialer Einsicht anzutreffen ist.“

 Vorwärts, 10.09.1912, S. 10

 „Achtung Töpfer, Werkstubenarbeiter! Die Firma Waldemar Lorenz in Zossen bei Berlin hat ihren sämtlichen Formern gekündigt mit der Motivierung, sie sei dazu durch die schlechten Brände in letzter Zeit gezwungen. Uns will jedoch scheinen, daß hier andere Gründe vorliegen. Lorenz betreibt seit einiger Zeit die Fabrikation von Chamottekachelzeug. Er hat aus allen Gegenden Former herangezogen. Da verschiedene Mißstände in der Fabrik bestanden, mußte vor einiger Zeit ein Verbandsvertreter zwecks Abstellung der Mißstände bei Lorenz vorstellig werden, worüber letzterer sehr ungehalten war. Um nun für die Zukunft verschiedenen Mißständen vorzubeugen und weil auch die bisher bezahlten Preise mit den jetzigen teueren Verhältnissen im allgemeinen und denen in Zossen im besonderen nicht in Einklang zu bringen sind, wurde Lorenz ein Lohntarif zwecks Anerkennung unterbreitet. Am Abend des Tages, an dem Lrenz den Tarif zugestellt erhielt, kündigte er seinen sämtlichen Formern. Wir müssen also annehmen, daß der Grund der Kündigung darin zu suchen ist, daß die Kollegen Forderungen gestellt haben. Lorenz wird nun mit allen Mitteln versuchen, andere Former heranzuziehen. Wir ersuchen alle Kollegen, Arbeitsangebote von Lorenz vorläufig nicht anzunehmen. Ebenso bitten wir die Arbeiterpresse um Abdruck dieser Notiz.
Filiale Groß-Berlin des Zentralverbandes der Töpfer Deutschlands.“

 Vorwärts, 14.09.1912, S. 4

 21. September

 „Zossen. Das vieraktige Drama „Zapfenstreich“ von Beyerlein1 gelangt am Sonnabend, den 21. September, aus Anlaß der von der Freien Turnerschaft veranstalteten Rekrutenabschiedsfeier im Lokale von Kuzner zur Aufführung. Da die Ausgestaltung der Feier sich zweifellos über das übliche Niveau erhebt und bedeutende Kosten und Mühen erfordert, wird die Zossener Arbeiterschaft um zahlreiche Beteiligung ersucht. Anfang 8 Uhr.“

 Vorwärts, 20.09.1912, S. 18

 „Zossen. Tödlich verunglückt ist der in der Internationalen Schlafwagenfabrik beschäftigt gewesene Arbeiter Hermann Fangk. Als derselbe auf dem Dache eines Schlafwagens mit Streichen beschäftigt war, glitt er plötzlich aus und stürzte rücklings so unglücklich herunter, daß er das Rückgrat brach. Kurz nach der Einlieferung in das Mittenwalder Krankenhaus verstarb der Verunglückte. Fangk hatte sich erst vor kurzem verheiratet.“

 Vorwärts, 14.11.1912, S. 15

 16. November

 „Am Sonnabend, den 16. November, feiert der Gesangverein „Freie Sänger“ im Lokal des Herrn Scherber (früher Kurzner) sein 10. Stiftungsfest. Außer Gesangsvorträgen wird der dreiaktige Schwank „Charleys Tante“, von Mitgliedern gespielt, gegeben. Die Zossener Arbeiterschaft wird ersucht, diese Festlichkeit zu besuchen.“

 Vorwärts, 14.11.1912, S. 15

 „Zossen. Die letzte Rettung. Vor etwa fünf Wochen wurde die hiesige Schützengilde von einem bösen Schicksal heimgesucht. Der Ökonom des Schützenhauses war bei Nacht und Nebel verschwunden. Die Einsamkeit in diesem Lokal schien ihm wohl zur Qual geworden zu sein, denn die Schützenbrüder frequentierten alle anderen Lokale, nur nicht ihr eigenes. Obwohl dieses Lokal für die organisierte Arbeiterschaft zum persönlichen Verkehr frei war, konnte man die Arbeiter nur ganz vereinzelt dort antreffen. Politische Versammlungen dürfen laut Statut der Gilde im Schützenhaus nicht stattfinden. Es kam nun überrascht, wie man erfuhr, der Schützenvorstand sei zu dem Entschluß gekommen, die Bewirtschaftung dem Pächter des sozialdemokratischen Parteilokals Herrn Paul Kurzner zu vergeben, der sofort einging und den Pachtvertrag mit dem Besitzer, seinem Schwiegervater, löste. Im „Zossener Landboten“ erschien nun eine Notiz: „Dem Restaurateur Paul Kurzner ist die Bewirtschaftung des „Schützenhauses „ übergeben worden; man hofft, daß man in diesem eine glückliche Wahl getroffen hat.“ Dann schließt sich ein Appell an die Schützenbrüder an: mehr als bisher den Wirt durch Besuch zu unterstützen. Wir würden diese Sache beiseite legen, wenn nicht hinter dieser die Spekulation auf Arbeiterbesuch beabsichtigt wäre. Zwei Tage nach seinem Antritt als Schützenhauswirt erklärte Herr Paul Kurzner seinen Austritt aus der Partei. Die Zossener Arbeiterschaft wird auch fürderhin nur solche Lokale frquentieren, die ihr zum Austausch einer freien Meinung öffentlich zur Verfügung stehen.“

 Vorwärts, 18.11.1912, S. 4

 29. November

 „Gau 1. Der mit der Firma Berliner Buch- und Kunstdruckerei in Zossen abgeschlossene Tarif verliert mit dem 31. Dezember seine Gültigkeit. Es galt daher in einer am 29. November stattgefundenen Versammlung über die Kündigung zu befinden, bzw. über die Gestaltung eines neuen Tarifs zu beraten. Kollege Lemser vom Gauvorstand hatte hierzu das Referat übernommen. Er erledigte sich seiner Aufgabe unter Zustimmung der Anwesenden. Beschlossen wurde, den Tarif zu kündigen und die Minimallöhne zu erhöhen, ebenso die Anerkennung der Akkordsätze des Dreistädtetarifs durchzusetzen. Mit der Durchführung dieser Forderungen wurde der Gauvorstand beauftragt, welcher in einer späteren Versammlung über die Ergebnisse der Verhandlungen Bericht erstatten soll.“

 Buchbinder-Zeitung, 21.12.1912, S. 411

 12. Dezember

 „Zossen. Am Donnerstag, den 12. Dezember, findet im Lokale des Herrn Scherler, Baruther Straße, gemeinschaftlicher Leseabend statt. Tagesordnung: Wie schützen wir unsere Kinder vor Ausbeutung? Referentin Frau Siedel-Neukölln.“

 Vorwärts, 12.12.1912, S. 7

 25. Dezember

 „Zossen. Der Jugendausschuss veranstaltet am ersten Weihnachtsfeiertag, abends 6 ½ Uhr, im Lokal des Herrn Scherler eine Weihnachtsfeier, bestehend aus Zitherkonzert des Zitherklubs „Edelweiß“ unter Leitung seines Dirigenten Herrn Stahlberg-Potsdam, Theater und Ball. Es wird auf regen Besuch dieser Veranstaltung gerechnet.“

 Vorwärts, 24.12.1912, S. 11

 „Zossen. Welche Früchte der Jungdeutschlandbund zeitigt, erhellt wieder einmal aus folgendem Vorfall. Der 12jährige Schüler F., der eifrig an den Kriegsspielen des Jungdeutschlandbundes teilnimmt, kaufte sich für einige Mark, die er für Semmelaustragen erhalten, ohne Wissen der Eltern eine Luftbüchse. Am zweiten Weihnachtsfeiertag unternahm nun der Knabe im Beisein anderer Kinder Schießübungen; hierbei traf er den vier Jahre alten Knaben des Arbeiters Splettstößer so unglücklich über dem Auge, daß sofort ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden mußte. Der Vorfall zeigt nur erneut, daß die Arbeiterklasse den sich jetzt breitmachenden Bestrebungen, bereits die Schulkinder mit einer gewissen Rauf- und Schießlust zu erfüllen, nicht eindringlich genug entgegentreten kann.“

 Vorwärts, 29.12.1912, S. 14

 28. Dezember

 „Die Kolleginnen und der Berliner Kunst- und Buchdruckerei in Zossen waren am 28. Dezember vollzählig versammelt, um den Bericht des Gauvorstandes über die Verhandlungen mit der Firma über den Abschluß eines neuen Tarifs entgegenzunehmen. Kollege Lemser schilderte eingehend den mit der Firma geführten Schriftwechsel und empfahl die Annahme des in seinem wesentlichsten Teile nachstehend aufgeführten Tarifes, der das Endergebnis der bisher geführten schriftlichen Verhandlungen sei. Alle Redner würdigten wohl das Entgegenkommen der Firma, glaubten aber dennoch, daß unter der jetzigen Gestaltung des Tarifes eine einjährige Gültigkeitsdauer wohl am Platze sei. Es soll daher versucht werden, dieserhalb mit der Firma nochmals in Verbindung zu treten. Kollege Lemser ermahnte die Anwesenden, stets treue und eifrige Mitglieder zu bleiben, denn nur dann sei es möglich, daß diesen Wünschen durch die Organisationsleitung Rechnung getragen werden könne.
Der Tarif besagt: Die Arbeitszeit ist die gleiche wie in der Druckereiabteilung. Der Minimallohn beträgt für Buchbinder (Tischarbeiter) 27 Mk., für Beschneider 29,50 Mk., für Arbeiterinnen unter 16 Jahre Anfangslohn 8 Mk., steigend pro Vierteljahr um 50 Pf. bis 15 Mk., für Arbeiterinnen über 16 Jahre Anfangslohn 8,50 Mk., steigend pro Vierteljahr um 50 Pf. bis 16 Mk. Akkordarbeiten werden nach den Bestimmungen des Dreistädtetarifs (Berliner Ausgabe) bezahlt. Für Überstunden wird folgender Aufschlag auf den üblichen Lohn gezahlt: Für Gehilfen die ersten beiden Stunden je 15 Pf., für jede weitere sowie Sonntagsarbeit je 25 Pf., für Arbeiterinnen die ersten beiden Stunden je 10 Pf., für jede weitere sowie Sonntagsarbeit je 15 Pf. Gesetzliche sowie vom Geschäft angeordnete Feiertage werden bezahlt, ebenso die Zeitversäumnis (bis zu 2 Stunden), welche durch Wahrnehmung staatlicher und kommunaler Pflichten entsteht. Der Tarif gilt vom 1. Januar 1913 bis 31. Dezember 1914.“

 Buchbinder-Zeitung, 05.01.1913, S. 14

 31. Dezember

 Der Zweigverein Zossen des Deutschen Metallarbeiterverbandes hat 49 Mitglieder. Der Maurerverband hat in Zossen 120 Mitglieder.

 Metallarbeiter-Zeitung, 05.04.1913, S. 114; Grundstein, 05.04.1913, S. 158

1913

25. Januar

 „Zossen. Eine öffentliche Jugendversammlung findet heute Sonntag, den 25. Januar, nachmittags 4 Uhr, im Lokale des Herrn Scherler, Baruther Str. 10, statt. Schriftsteller Emil Unger-Berlin spricht über das Thema: „Der Zweck und die Ziele der bürgerlichen und proletarischen Jugendbewegung“. - Der Jugendausschuß erwartet eine zahlreiche Beteiligung.“
Diese Versammlung wurde aufgelöst und am 1. Februar wiederholt.

 Vorwärts, 26.01.1913, S. 15

 28. Januar

 „Zossen. In der Monatsversammlung des Wahlvereins referierte Genosse Heinig-Berlin zunächst über: „Die Technik der preußischen Landtagswahlen“. Zwei weitere Abende sind hierfür vorgesehen; als nächster: Freitag, den 31. Januar, in Dabendorf im Lokal von Wiese. Als Wahlmänner für die Landtagswahl wurden aufgestellt: für den 1. Bezirk Genosse Domke, für den 3. Bezirk Genosse Saupe. – Die Abrechnung vom 2. Quartal weist einen Bestand von 48,14 M. auf. – Als zweiter Vorsitzender wurde Genosse Albrecht gewählt. Als Delegierte zur Kreisgeneralversammlung wurden die Genossen Witt und Schreiber gewählt. Das 10. Stiftungsfest soll am 1. März in Form eines Rezitations- und Liederabends gefeiert werden.“

 Vorwärts, 30.01.1913, S. 14

 „Über die Bedeutung der Konsumgenossenschaften unter Berücksichtigung der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage referierte Mirus in einer leider nur schwach besuchten, vom Gewerkschaftskartell einberufenen öffentlichen Versammlung. – Der Referent verstand es in überzeugender Weise die Zuhörer von der Notwendigkeit und der hohen Bedeutung der Konsumentenorganisation zu überzeugen. Es dürfte daher der Erfolg dieser Versammlung ein guter sein, wenn jeder Anwesende dem Appell, für die Ausbreitung und Festigung des Genossenschaftsgedankens zu wirken, Folge leistet.“

 Vorwärts, 30.01.1913, S. 14

 1. Februar

 „Zossen. Als bester Agitator hat sich wiedereinmal die Polizei erwiesen. Eine vor kurzem vom Jugendausschuß einberufene Jugendversammlung wurde aufgelöst, weil die Polizei in der Behandlung des Themas die Proletarische und bürgerliche Jugendbewegung eine politische Angelegenheit erblickt. Als Antwort hierauf fand am Sonntag abermals eine Versammlung statt, in welcher Genosse Düwell einen Vortrag über das Thema: „Der Kampf der Bauern gegen den König“ hielt. Zahlreicher als in der vorigen Versammlung hatten sich diesmal die Jugendlichen eingestellt. Die Versammlung nahm einen ungestörten Verlauf. Nach Schluß dieser fand im gleichen Lokal noch eine öffentliche Versammlung statt, in der Genosse Unger unter starkem Beifall Kritik an der preußischen Polizeiwillkür übte.“

 Vorwärts, 07.02.1913, S. 14

 Vom Vorstand des Tabakarbeiterverbandes ernannt für Zahlstelle Zossen: Fritz Freiwald als 1. Beauftragter, Gustav Reetz als 2. Beauftragter; Otto Kockert und E. Lange als Kontrolleure.

 Tabak-Arbeiter, 16.02.1913, S. 7

 2. März

 Zum dritten Mal führt die SPD deutschlandweit einen Frauentag durch. Thema ist der Kampf um das Frauenwahlrecht. Aus Zossen wird von einer Frauenversammlung gemeldet: „Vor ungefähr 60 Personen referierte Genossin L. Siedel-Neukölln. Am Schlusse ihrer einstündigen Rede erntete die Referentin reichen Beifall. Der leider schwache Besuch der Versammlung beweist, daß bei den Frauen sowohl als auch bei den Männern noch viel Arbeit geleistet werden muß. In der Versammlung wurden einige Aufnahmen für den Wahlverein gemacht.“

 Vorwärts, 04.03.1913, S. 9

 8. März

 „Am Sonnabend, den 8. März, abends 8 Uhr, veranstaltet der Wahlverein im Lokal des Herrn Scherler (früher Kurzner) aus Anlaß seines 10. Stiftungsfestes einen Kunstabend. Es ist alles aufgeboten worden, um den Parteigenossinnen und -Genossen einen genußreichen Abend zu bereiten.“

 Vorwärts, 06.03.1913, S. 13

 23. März

 Gautag des Gaues 1 des Buchbinderverbandes in Potsdam. Delegierter aus Zossen Schwoch

 Buchbinderzeitung, 06.04.1913, S. 115

 Aus dem Gaubericht Berlin für Oktober 1912 bis Dezember 1913:
„Einen wesentlichen und schnelleren Verlauf nahm die Lohnbewegung in Zossen. Wir haben dort einen Stamm von gegenwärtig 12 Mitgliedern, welche sämtlich in den Werkstätten der Internationalen Schlafwagengesellschaft beschäftigt sind. Am 2. April wurde in einer Betriebsversammlung die Bewegung eingeleitet und wurden die Vertreter der beteiligten Organisationen beauftragt, die aufgestellten Forderungen der Direktion zu unterbreiten. Nach zweimonatigem Verhandeln endete die Bewegung ohne Arbeitseinstellung mit dem Abschluß eines Tarifvertrages für 3 Jahre. Es gelang darin, die Arbeitszeit von 59 auf 54 Stunden pro Woche zu reduzieren und außer dem entsprechenden Lohnausgleich die Löhne sämtlicher Handwerker während der Dauer des Vertrages um 5 Pf. zu erhöhen, ferner wurden die Einstellungslöhne von 40 – 50 Pf. auf 58 bis 60 Pf. pro Stunde ebenfalls für sämtliche Handwerker erhöht.“

 Sattler- und Portefeuiller-Zeitung, 20. Februar 1914

5. April

 „Zossen. Unsre am 5. April stattgehabte Bezirksversammlung hatte sich eines recht guten Besuchs zu erfreuen. Auch die Kartelldelegierten und Vorstände der übrigen Gewerkschaften waren hierzu eingeladen und auch zahlreich erschienen. Kollege Rexhäuser (Leipzig) hielt einen sehr instruktiven Vortrag über Wirtschafts- und Organisationsfragen“ in Verbindung mit „Christliche und gelbe Gewerkschaften“. Redner gab in sehr klarer und verständlicher Weise ein Bild der früheren und jetzigen wirtschaftlichen Verhältnisse, dabei auf die sich für die Gewerkschaften und und besonders für unsre Organisation notwendig machenden Aufgaben hinweisend. Auch die Stellung und das Wirken der christlichen und gelben Gewerkschaften streifend, schloß Referent seinen mit großem Beifall aufgenommenen Vortrag. Kollege Möller dankte dem Referenten namens der Versammlung. Dem Gauvorstande wurden vier neuausgelernte Kollegen zur Aufnahme empfohlen. Nach Entgegennahme des Kartellberichts schloß der Vorsitzende die Versammlung mit einem Hoch auf die freien Gewerkschaften.“

 Korrespondent, 19.04.1913, S. 6

 13. April

 „Zossen. Aus Anlaß des 50jährigen Berufsjubiläum des Kollegen Mühlbach veranstaltet unser Ortsverein am 13. April einen Kommers.“

 Korrespondent, 12.04.1913, S. 6

 „Zossen. Ein Stelldichein für die bevorstehende Landtagswahl hatten sich dieser Tage im „Hotel zum goldenen Löwen“ die verbündeten Liberalen gegeben. Anwesend waren ungefähr 150 Personen, davon Dreiviertel unserer Parteigenossen. Nach Ansprachen der beiden Kandidaten beleuchtete Genosse Klüß besonders das Verhalten der Nationalliberalen. Treffend wies Redner den Vorwurf, die Sozialdemokratie wäre schuld daran, daß bei der Ersatzwahl in unserem Kreis ein konservativer Abgeordneter gewählt wurde, zurück. Berechtigte Entrüstung riefen noch die Ausführungen eines nationalliberalen Herrn Dr. Fuchs hervor, der wohl mehr mit seiner Stellung als mit seinen politischen Kenntnissen prahlen wollte.“

 Vorwärts, 23.04.1913, S. 14

 29. April

 „Zossen. Über die Aufhebung des Bürgerrechtsgeldes wurde in der letzten Stadtverordnetenversammlung beraten. Der Magistrat machte den Vorschlag, das Bürgergeld ab 1. April nicht mehr zu erheben. Dagegen wandten sich verschiedene Stadtverordnete; sie hielten es an der Zeit, dasselbe sofort aufzuheben. Beschlossen wurde, für das nächste Etatjahr das Bürgergeld nicht mehr zu erheben. Recht rückständige Ansichten vertrat hierbei der Stadtv. Präger der sagte, er hätte es bezahlen müssen, dann könnten es die andern auch bezahlen. – Zum Ratsmann wurde bis 1. April 1917 Stadtv. Guericke gewählt. Als Schiedsmann fungiert auf 6 Jahre Kaufmann Weege, als Stellvertreter Böttchermeister Wuthe. Der Bericht des Schularztes lautete im allgemeinen günstig, sowohl für die neu eingeschulten, als auch für die älteren Kinder.“

 Vorwärts, 01.05.1913, S. 22

 1. Mai

 „Zossen. Am Frühausflug nach Dabendorf beteiligten sich 150 Personen. Im Haackerschen Lokal hatten sich die Dabendorfer Genossen eingefunden, um ein angesetztes Referat über die Bedeutung des Tages zu hören: leider blieb der Referent aus. Am Nachmittagsumzug durch die Stadt sowie an der Abendfeier beteiligten sich 400 Personen, ein Beweis dafür, daß auch der Maigedanke in unserem Städtchen immer tiefere Wurzeln schlägt!"

 Vorwärts, 03.05.1913, S. 6

 Landtagswählerversammlungen:
„In Zossen behandelten gleichfalls die beiden Kandidaten des Kreises, die Gen. Hofer und Groger, die preußischen Verhältnisse. Letzterer konnte noch darauf hinweisen, wie Reichsgesetze durch preußische Verwaltungsbeamte in ganz reaktionärer Weise ausgelegt würden. So habe der Amtsvorsteher von Motzen, Herr Dr. Wirth in Zossen, das Reichsvereinsgesetz mißbraucht; durch alle Instanzen habe er eines Besseren belehrt werden müssen.“

 Vorwärts, 04.05.1913, S. 22

 18. Mai

 Zentralverband der Töpfer führt Bezirksversammlung in Zossen durch. Themen: Stellungnahme zur Tarifvorlage und Vorbereitung der Verbandskonferenz

 Vorwärts, 15.05.1913, S. 8

 31. Mai

 „Bezirk Zossen. (Vierteljahresbericht.) In der Versammlung am 31. Mai wurden zwei Kollegen aufgenommen. Nach Entgegennahme des Kassenberichts wurden noch verschiedene örtliche Angelegenheiten geregelt. Zu dem vom hiesigen Kartell arrangierten Kursus zur Reichsversicherungsordnung hatten unsre Kollegen reges Interesse bekundet. - In der am 16. Juni stattgehabten Versammlung wurden die vom Bezirke Zossen gestellten Anträge zum diesjährigen Gautage besprochen und die Delegierten aufgestellt. Eine längere Debatte entspann sich über den Kartellbeschluß betreffs des Boykotts von hiesigen Lokalen. – Die Versammlung am 8. Juli nahm den Bericht unsres Gauvorstehers Hannack über die Generalversammlung in Danzig entgegen. Ohne besondere Diskussion erklärte sich die Versammlung mit den gefaßten Beschlüssen einverstanden und dem Referenten wurde für seine vortrefflichen Ausführungen reicher Beifall zuteil.“

 Korrespondent, 29.07.1913, S. 7

 1. Juni

 „In Zossen, Zahlstelle von Berlin, wurde zwischen der Internationalen Schlafwagen-Gesellschaft und den in Frage kommenden Organisationen, u.a. auch mit unserm Verbande, auf gütlichem Verhandlungswege ein Vertrag abgeschlossen, der am 1. Juni 1913 in Kraft getreten ist und bis zum 1. Juni 1917 Gültigkeit hat. Die wöchentliche Arbeitszeit wurde von 59 auf 54 Stunden herabgesetzt, also um fünf Stunden pro Woche verkürzt unter Fortzahlung des bisherigen Wochenlohnes. Außer dem Ausgleich von durchschnittlich 7 Pf. pro Stunde tritt noch auf alle bestehenden Löhne eine Lohnerhöhung ein und zwar am 1. April 1914 um 2 Pf., am 1. Oktober 1915 ebenfalls um 2 Pf. und am 1. Oktober 1916 nochmals 1 Pf. mehr. Auch die Einstellungslöhne bezw. Mindestlöhne wurden festgelegt und zwar für Lackierer und Maler auf 57 Pf. pro Stunde. Der Durchschnittslohn unsrer Mitglieder beträgt zurzeit 66 Pf. Berücksichtigt man die Arbeitszeitverkürzung um fünf Stunden pro Woche und die Steigerung des Wochenlohnes um etwa 3 Mk. während der Vetragsdauer, so kann hier wirklich von einem schönen Erfolge geredet werden, der auf dem Verhandlungswege erreicht wurde.“

 Vereins-Anzeiger, Organ des Verbandes der Maler, Lackierer, Anstreicher, Tüncher und Weißbinder, 21. Juni 1913, S. 196

 Die sozialdemokratische Partei geht unter die Agrarier.

Das ist ein schönes Geschäft, dachte der Gemeindevorsteher von Fern-Neuendorf, wenn ich für einen halben Morgen Sand und Heide 275 M. bekomme, der mich selbst bloß 50 M. gekostet hat. Der Herr verkaufte ein bei Sperenberg gelegenes Stück Land an eine Kommission, die sich nachher als die sozialdemokratische Partei im Kreise entpuppte und die auch gleich Anstalten traf, hier in dieser friedlichen und abgelegenen Ecke des Kreises die Minierarbeit zu betreiben. So war am letzten Sonntag der Genosse Zubeil erschienen, um über das Thema „Der Kampf gegen die Reaktion in Preußen“ zu sprechen. Wohl versuchten die Ortsgewaltigen von Sperenberg und Fern-Neuendorf durch Veranstalten von Festlichkeiten die Arbeiterschaft vom Besuch abzuhalten; dennoch waren über 100 Personen erschienen, die in atemloser Stille, zum Teil das erste Mal in ihrem Leben den Worten eines Sozialdemokraten lauschten. Zahlreich waren die Anmeldungen für den Wahlverein nach Schluß der Versammlung, ein Beweis dafür, daß es auch in der schwärzesten Ecke im Kreise Teltow anfängt zu dämmern. Zur Erheiterung der Besucher hatte sich auch der frühere Besitzer, unser liebenswürdiger Nachbar, eingefunden, der die Versammlung dadurch stören wollte, indem er in barschem Tone einige auf seinem Grundstück stehende Besucher heruntertrieb, aber durch die Glossierung des Genossen Zubeil bald verschwand. – Jetzt werden die Herren unsere Genossen nicht mehr los werden, bis jetzt hatten sie durch Verweigerung der Säle verhindert, daß auch sozialistische Ideen propagiert wurden; umso energischer wird nunmehr die Aufklärungsarbeit einsetzen, zum Ärger der Bauern und Spießbürger.“

 „In der Notiz: „Die sozialdemokratische Partei geht unter die Agrarier“ ist dem Verfasser derselben ein Irrtum unterlaufen insofern, als es statt Gemeindevorsteher von Fern-Neuendorf heißen muß Gastwirt Präger, Sperenberg, Vorsitzender des Kriegervereins.“

 Vorwärts, 24.06.1913

 26./27. Juli

 Gautag des Odergaus des Verbandes der deutschen Buchdrucker und Schriftgießer in Eberswalde. Als Delegierter aus Zossen tritt Möller in der Diskussion zum Geschäftsbericht und durch einen Antrag zur Änderung des Delegiertenschlüssels in Erscheinung.

 Korrespondent, 07.08.1913, S. 3f.

 31. August

 „Zossen. Am Sonntag, 31. August, tagte im Verbandslokal unsere Zahlstellenversammlung. Dieselbe befaßte sich mit dem Ergebnis der Tarifbewegung am Orte. Hierzu gab Kamerad Hinrichsen-Berlin eine eingehende Erläuterung der einzelnen Positionen und stellte es den Kameraden anheim, ob sie dem Tarifvertrage ihre Zustimmung geben wollen oder nicht. In der Diskussion wurde das Für und gegen der Annahme des Tarifvertrages unter Würdigung aller einschlägigen Verhältnisse, die für das Zossener Vertragsgebiet in Betracht kommen, gebührend hervorgehoben. Die Abstimmung hierüber ergab einstimmige Annahme des Vertrages. Hierauf wurde die Wahl der Schlichtungskommission vorgenommen. Gewählt wurden die Kameraden Knape, Henkel und Städtefeldt. Im zweiten Punkt der Tagesordnung berichtete Kamerad Knape von der letzten öffentlichen Zimmererversammlung, die seitens der lokalorganisierten Zimmerer einberufen worden war. Redner resümierte am Schlusse seiner Ausführungen, daß er durch diese Versammlung in seiner bisherigen Wahrnehmung darin bestärkt worden sei, daß die Vereinsmitglieder bei jeder sich bietenden Gelegenheit den Mund immer recht voll nehmen, sonst aber, wenn es sich darum handelt, die beruflich-materiellen Interessen der Kameraden wahrzunehmen, auch nicht einen Finger rühren. Im Gegenteil. So sei im ersten Punkt ja festgestellt, daß die nachteiligen Bestimmungen im Vertrage auf das geradezu kindische Verhalten der beiden Lokalisten zurückzuführen sei, die der Verhandlung zwecks Abschlusses des Vertrages beigewohnt haben. Redner appellierte an die Anwesenden, sich durch die nichtssagenden Phrasen der Lokalisten nicht beirren zu lassen, sondern unentwegt für die Verbandsinteressen zu agitieren und organisieren.“

 Der Zimmerer, 20.09.1913, S. 6

 „Ein Betriebsunfall ereignete sich in der Dampfwäscherei der Internationalen Schlafwagengesellschaft. Die dort tätige Ehefrau des Arbeiters L. Kam mit der linken Hand den Walzen zu nahe, sie wurde von denselben erfaßt und vollständig abgequetscht. Wie man uns mitteilt, soll in jenem Betriebe das Überstundenunwesen sehr in Blüte stehen, auch wird behauptet, daß der jugendliche Aufsichtsbeamte die in dem Betriebe beschäftigten Frauen oft zu Mehrleistungen anspornt. Solche Umstände seien geeignet, die Unfallgefahren zu erhöhen.“

 Vorwärts, 03.10.1913, S. 10

 „Ein Unglücksfall ereignete sich in der Stubenrauchstraße. Dort fiel dere fünfjährige Sohn des Buchdruckers R. In den diese Straße begrenzenden, über 2 Meter tiefen Graben, wobei er sich erhebliche Kopfverletzungen zuzog, so daß ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden mußte. Das Unglück konnte vermieden werden, wenn die zuständige Behörde den Graben genügend geschützt hätte. Jetzt ist der Graben bloß durch eine Eisenschiene abgegrenzt, durch die Kinder von 6 Jahren noch bequem hindurch können. Bei dieser Gelegenheit möchten wir die städtischen Behörden ersuchen, einen Spielplatz für die Kinder einzurichten, wozu das städtische Gelände am Bahnhof sehr gut geeignet wäre. Es ist tatsächlich ein Wunder, daß bei dem starken Autoverkehr nicht mehr Unfälle passieren. An der hiesigen Arbeiterschaft wird es liegen, bei der bevorstehenden Stadtverordnetenwahl die Kandidaten der Sozialdemokratie zu unterstützen, damit dieselben an zuständiger Stelle auf die kommunalen Angelegenheiten einen Einfluß erlangen.“

 Vorwärts, 10.10.1913, S. 10

 15. Oktober (?)

 Stadtverordnetensitzung. Nach Erledigung einiger kleiner Vorlagen wurde beschlossen, eine Petition an den Kreisausschuß zu senden, das Kanalprojekt Leipzig-Berlin über Zossen-Königswusterhausen zu fördern. Eine lebhafte Debatte entspann sich über den Antrag Sels und Genossen: Übernahme von Resthypotheken der Rentenhäuser durch die Stadt. Nachdem der hiesige Christliche Volksverein durch das Bauen von Eigenheimen sich in eine Sackgasse verrannt hat, soll die Stadt kommen und helfen. Unseres Erachtens nach hätte die Stadt schon längst aus eigener Initiative heraus den Bau von Kleinwohnungen fördern sollen. Befremden erregten die Ausführungen des Stadtv. Stark, der sagte, dadurch, daß den Arbeitern Gelegenheit gegeben würde, sich eine eigene Scholle zu gründen, würden sie zufriedener gemacht, denn jetzt sei ihre Devise: „Wir leben und genießen“. Sogar die 10jährigen schulkinder würden schon aufstützig und drohten, wenn sie in der Schule bestraft werden sollen, die Sache in die Öffentlichkeit zu bringen. Nach längerem Hin und Her wurde die Sache an eine Kommission verwiesen. Unter Verschiedenem teilte der Bürgermeister mit, daß Zossen keine Garnison erhalte.“

 Vorwärts, 16.10.1913, S. 10

 16. Oktober

 Abends, 8 ½ Uhr, außerordentliche Mitgliederversammlung des Ortswahlvereins der SPD. Tagesordnung: Die bevorstehende Stadtverordnetenwahl.

 Vorwärts, 14.10.1913, S. 9

 18. Oktober

 Abends 8 ½ Uhr Öffentliche Versammlung. Thema 1. Weshalb wählen wir Sozialdemokraten in das Stadtparlament? 2. Aufstellung der Kandidaten zur Stadtverordnetenwahl.

 Vorwärts, 14.10.1913, S. 9

 19. Oktober

 Morgens 8 Uhr Broschüren- und Kalenderverteilung in Zossen und dem Agitationsbezirk. 

 Vorwärts, 14.10.1913, S. 9

 3. November

 Am Montag, den 3. November, von vormittags 10 Uhr bis 2 Uhr nachmittags, findet die Stadtverordnetenwahl der 3. Abteilung statt. Die Kandidaten der Sozialdemokratie sind der Tischler Otto Dorn und der Schriftsetzer Friedrich Saupe. Das Wahllokal befindet sich im Rathaus.
Wir ersuchen die Berliner Genossen, soweit solche mit Zossener Wählern zusammenarbeiten, diese an ihre Wahlpflicht erinnern. Bei einiger Kraftanstrengung muß der Sieg unser sein.“

„Bei der am Montag stattgefundenen Stadtverordnetenwahl war es leider nicht möglich, unseren Kandidaten der dritten Klasse zum Siege zu verhelfen. Gewählt wurden: Rentier Spiegel und Zimmermeister Miethge. Ein großer Teil der Arbeiter war nicht wahlberechtigt, weil sie kein Bürgergeld bezahlt hatten.“

 Vorwärts, 01.11.1913, S. 10; Vorwärts, 07.11.1913, S. 11

 „Die Arbeiter der Treppengeländerbranche beschäftigten sich am Montag mit den letzten Vorkommnissen in der Branche. In Zeiten der Krise, wie sie besonders jetzt im Baufach besteht, denken manche Unternehmer, daß für sie der Vertrag keine Gültigkeit hat und sie nach Belieben schalten und walten können. In dieser Hinsicht tut sich Herr Geisler besonders hervor. Mehrere Treppengeländerarbeiter hatten eine Arbeit beim Kasernenbau in Wünsdorf bei Zossen auszuführen. Der Tarif besagt: „Bei Bezug von Nachtquartier sind täglich 8,50 M. zu zahlen“. Herr Geisler verlangte nun, die Arbeiter sollten frühmorgens um 6 Uhr vom Anhalter Bahnhof und abends um 6 Uhr von Wünsdorf zurückfahren. Dadurch entstand für die Beteiligten eine Arbeits- und Fahrzeit von 13 bis 15 Stunden, statt der üblichen Arbeitszeit von täglich 8 ½ Stunden. Die Arbeiter verlangten die Fahr- und Wartezeit bezahlt, während Herr Geisler glaubte, sie mit einer Stunde abspeisen zu können. Die Schlichtungskommission erkannte die Forderung der Arbeiter an. Der Unternehmer mußte sich aber erst vom Innungsschiedsgericht dazu zwingen lassen, die berechtigten Forderungen der Arbeiter zu erfüllen. Die Sache schwebte noch, da suchte Herr Geisler schon wieder Vorteile für sich auf Kosten der Arbeiter herauszuschlagen. Er übergab zwei Leuten eine Arbeit in Akkord und sagte: Sie sollten sich nur ranhalten, sie könnten auch etwas dabei verdienen. Nach Fertigstellung der Arbeit wollte dieselbe jedoch nur in Lohn zahlen. Die Arbeiter hatten dadurch einen Minderverdienst von 33 M. Sie protestierten dagegen und wurden darauf entlassen. Bei der Verhandlung gab Herr Geisler glänzende Proben von Unternehmerbildung zum besten. Auch in diesem Falle sind die davon betroffenen Organisationsvertreter entschlossen ihr gutes Recht zu wahren. Die Erbitterung der Treppengeländerarbeiter ist diesem Unternehmer gegenüber besonders groß, weil er infolge der Anerkennung des Vertrags die Arbeiten im Verbandshaus der Holzarbeiter übertragen erhielt. Den Gewinn daraus steckte er in seine Tasche und nun behandelt er die Arbeiter derselben Organisation in der geschilderten Weise.“

 Vorwärts, 21.11.1913, S. 6

 „Zossen. Die Stadtverordnetenwahlen für die dritte Abteilung wurden in der letzten Stadtverordnetensitzung nach Erledigung einiger unwesentlicher Punkte für ungültig erklärt. Gewählt waren zwei Mieter, es mußten jedoch je ein Vertreter der Mieter und Hausbesitzer gewählt werden. Beide Kandidaten hatten gleiche Stimmenzahl“.

 Vorwärts, 21.11.1913, S. 10

„Die Wahlvereinsversammlung am Donnerstag den 27., fällt wegen der Volksversammlung mit dem Thema „Der Massenstreik gegen die Staatskirche“ aus. Die Mitgliederversammlung findet am Montag, den 1. Dezember, abends 8 ½ Uhr, bei Scherler statt.“

„Zossen. Die vor einigen Tagen vom Komitee Konfessionslos einberufene öffentliche Versammlung, in welcher Frau Regina Ruben referierte, hatte zum Resultat, daß 31 Anwesende ihren Austritt aus der Landeskirche anmeldeten“.

Vorwärts, 26.11.1913, S. 9; Vorwärts, 30.11.1913, S. 10

 1. Dezember

 „Zossen. Über unsere nächsten Aufgaben referierte in der am Montag stattgefundenen Wahlvereinsversammlung Genosse Aysch-Berlin. Seine Ausführungen klangen in die Mahnung, durch rege und tiefgründige Agitation den kleinen Verlust des Vorjahres durch einen starken Mitgliederzuwachs wieder wett zu machen.
Als Kandidat für die am Montag, den 8. Dezember, stattfindende Stadtverordnetenwahl wurde Genosse Saupe aufgestellt; die Genossen wurden ersucht, recht rege bei der Wahlarbeit zu helfen – Am Sonntag nachmittag findet bei Scherler im langen Zimmer eine Bücherausstellung für den Weihnachtstisch statt.-- In den nächsten Tagen werden Sammellisten zur Weihnachtsbescherung der Kinder der Arbeitslosen ausgegeben, die organisierten Arbeiter werden ersucht, recht rege Gebrauch zu machen.“

 Vorwärts, 05.12.1913, S. 10

 „Zossen. Am 1. Weihnachtsfeiertag veranstaltet der Wahlverein im Lokale des Herrn Scherler eine Weihnachtsfeier. Diese beginnt nachmittags 4 Uhr mit einem Lichtbildervortrag von Gen. Ingenieur Otto Roth-Berlin. Um 8 Uhr abends: Auftreten des Humoristen Herrn W. Holz-Berlin und der Vortragskünstlerin Frl. Anna Rau-Berlin.“ 

 Vorwärts, 23.12.1913, S. 9

 Die „Arbeiter-Jugend“ hatte 1911 in Zossen 18 Abonnenten. Die Zahl steigt 1913 auf 25.

 Fricke, Diter: Handbuch zur Geschichte der Deutschen Arbeiterbewegung, Band 1, S. 583

 31. Dezember

 Der Ortsverein Zossen der SPD zählt 176 Mitglieder

 Die sozialen und politischen Verhältnisse in der Provinz Brandenburg von 1871-1917, Beiheft, S. 28

 31. Dezember

 Im Jahre 1913 hatte der Ortsverein des Verbandes der Zimmerer Deutschlands in Zossen 18 Mitglieder.
Das Ortskartell der Gewerkschaften umfaßte 1913 12 Gewerkschaften mit 393 Mitgliedern.
Der Metallarbeiterverband hatte 1913 in Zossen 51 Mitglieder. Der Maurerverband hatte in Zossen 1913 85 Mitglieder.

 Der Zimmerer, 28.03.1914, S. 22; Statistische Beilage des Correspondenz-Blatt, Nr. 5, 18.Juli 1914, S. 150.; Metallarbeiter-Zeitung, 02.05.1914, S. 146; Der Grundstein, 04.04.1914, S. 174

1914

17. Januar

„Bezirk Zossen. (Vierteljahresbericht.) In der am 17. Januar stattgehabten Generalversammlung wurde nach Erledigung der geschäftlichen Mitteilungen der Jahresbericht des Kollegen Möller mit allgemeiner Befriedigung entgegengenommen. Kollege Robert Schulze erstattete hierauf einen recht ausführlichen Kassenbericht. Einstimmig wurde ihm für die ordnungsgemäße Kassenführung Entlastung erteilt. Der alte Vorstand wurde einstimmig wiedergewählt. Die Vorstandsgeschäfte werden jedoch ab 1. April auf ein halbes Jahr vom zweiten Vorsitzenden Grobe erledigt, damit der erste Vorsitzende, der eigentlich aus gesundheitlichen Rücksichten eine Wiederwahl ablehnte, sich den Sommer über erholen kann. Für die Bibliothek wurden 50 Mk., für die Graphische Vereinigung der bisher gewährte Zuschuß von 60 Mk. bewilligt. – In der Versammlung am 21. Februar streifte der Vorsitzende den Streik der österreichischen Kollegen. Die Versammlung ehrte das Andenken des durch feigen Meuchelmord ums Leben gekommenen Kollegen Solinger und genehmigte für dessen Witwe eine Unterstützung. Ein Aufnahmegesuch wurde befürwortet. Beschlossen wurde, den am Orte konditionslos liegenden Kollegen, welche mindestens 13 Beiträge im Bezirke geleistet haben, auf die Dauer von 10 Wochen die Krankenkassenbeiträge aus der Bezirkskasse zu zahlen. Nachdem uns eine Statistik mit den Verhältnissen unsres Bezirks vertraut gemacht, wurde mit regem Interesse die Gründung einer Gesangsabteilung zur bessern Hebung der Kollegialität beschlossen. – Die Märzversammlung beschäftigte sich in der Hauptsache mit örtlichen Angelegenheiten. Verschiedene Vorkommnisse veranlaßten den Vorsitzenden, die Kollegen zu ermahnen, die An- und Abmeldung beim Arbeitsnachweise nicht zu versäumen. Zum Besuche der Buchgewerbeausstellung in Leipzig wurden verschiedene Anregungen gegeben. Aus den Kartellberichten des Kollegen Rüger war zu ersehen, daß sich im verflossenen Vierteljahr infolge Auflösung unsrer Krankenkasse „Äskulap“ eine rege Tätigkeit entfaltete. Die Wahlen zur Allgemeinen Ortskrankenkasse, der wir einverleibt wurden, sind leider bis heute noch nicht vollzogen. Da diese aber bevorstehen, wurden die Kollegen aufgefordert, recht rege für diese Wahlen zu agitieren. Die vor etwa zwei Jahren vom Konsumvereine „Vorwärts“ in Luckenwalde errichtete Filiale erfreut sich guter Frequenz. Den Schluß bildete die Besprechung der Broschüre Kohl-Rexhäuser.“
„Die Versammlung in Zossen verurteilte das Verhalten des Kollegen Kohl, da er durch die Herausgabe der Broschüre unsrer Organisation einen schlechten Dienst erwies.“

Quelle: Korrespondent für die Buchdrucker Deutschlands, 09.04.1914, S. 6f.; Korrespondent für die Buchdrucker Deutschlands, 09.04.1914, S. 4
 

21. Januar

Wahlvereinsversammlung

Quelle: Vorwärts, 20.01.1914, S. 9
 

22. Januar

Freies Koalitionsrecht und die Hetze der Scharfmacher
„Zossen. In einer Protestversammlung rief Genosse Pätzel-Berlin in einem 1 ½ stündigen Referat die Arbeiter zu energischer Gegenwehr auf. Die vorliegende Resolution fand einstimmige Annahme. Ferner wurde beschlossen, eine Petition zur Milderung der Arbeitslosennot an den hiesigen Magistrat zu senden. Es wurden zwei arbeitslose Genossen beauftragt, dem Bürgermeister die Petition persönlich zu übergeben.“

Quelle: Vorwärts, 17.01.1914, S. 5; Vorwärts, 25.01.1914, S. 10
 

25. Januar

„Arbeiter-Radfahrerbund Solidarität, Gau 9, 2. Bezirk, Kreis Teltow, II. (2.) Unterbezirk: Sonntag, den 25. Januar, nachm. 1 ½ Uhr, findet in Dabendorf bei Zossen, im Wald- und Seeschloß, Inh. A. Büttner, die Vorbesprechung zum Bezirkstag statt. Verpflichtet zum pünktlichen Erscheinen sind die Mitgliedschaften in Dabendorf, Dahlewitz, Glienicke, Mittenwalde, Motzen, Kallinchen, Schöneiche, Schünow, Töpchin, Zossen.“

Quelle: Vorwärts, 23.01.1914, S. 10
 

Februar

Ortslöhne/Tagelohn für Zossen
Arbeiter über 21 Jahre: 3 M.
Arbeiter von 16 bis 21 Jahre: 2,50 M.
jüngere Arbeiter: 1,50 M.
Arbeiterinnen über 21 Jahre: 2,00 M.
Arbeiterinnen von 16 bis 21 Jahre: 1,50 M.
jüngere Arbeiterinnen: 1,20 M.

Quelle: Vorwärts, 04.02.1914, S. 6
 

Februar

„Zossen. Stadtverordnetenversammlung. Nach dem Verwaltungsbericht hatte Zossen am 1. Januar 1914 4749 Einwohner. Der Etat schließt in Einnahme und Ausgabe mit 185000 M. ab. Für Schulen sind 2186 M., für Armenunterstützung 463 M. ausgegeben. Als Gemeindesteuern werden wieder wie im Vorjahr 160 Proz. festgesetzt. Die Petition der hiesigen Arbeiter, die Not der Arbeitslosen zu mildern, war in wohlwollender Weise vom Bürgermeister behandelt worden. Auf die erlassene Bekanntmachung hatten sich 64 Arbeitslose gemeldet, davon 36 Verheiratete mit Familie, 12 Verheiratete ohne Familie und 16 ledige Personen. Etwas Positives zur Abhilfe der teils schon 3 bis 4 Monate arbeitslosen Einwohner wurde nicht beschlossen, sondern dem Magistrat die Vollmacht erteilt, umgehend Notstandsarbeiten irgend welcher Art in Angriff nehmen zu lassen. Stadtv. Neumann sprach sich dahin aus, daß es Pflicht des Staates wäre, eine Arbeitslosenversicherung einzuführen. Hoffentlich brauchen die Arbeitslosen nicht so lange auf die Entschlüsse des Magistrats zu warten.“

Quelle: Vorwärts, 05.02.1914, S. 5
 

19. Februar

Wahlvereinsversammlung. Tagesordnung: 1. Vortrag von Groger-Berlin; 2. Neuwahl des ersten Vorsitzenden und des Kassierers. 3. Bericht von der Kreisgeneralversammlung.

Quelle: Vorwärts, 18.02.1914, S. 5
 

März

Anzeige
„Gesanglehrer für Arbeiter-Gesangverein zum 1. April nach Zossen gesucht. Reflektanten wollen ihre Adresse mit Honorarangabe richten an Willi Matuschek, Zossen (Mark), Marktstraße 5. Die Gesangstunden finden jeden Mittwoch abends von 9-11 Uhr statt.“

Quelle: Vorwärts, 12.03.1914, S. 14
 

12. März

„Zossen. Ein gutes Ergebnis für die Organisation brachte die am Donnerstag hier stattgefundene Frauenversammlung. Am Schlusse derselben meldeten eine Anzahl Besucherinnen ihren Beitritt zum Wahlverein.“

Quelle: Vorwärts, 14.03.1914, S. 19
 

März

Im Rahmen der ROTEN WOCHE in Groß-Berlin gelingt es der SPD in Zossen 45 neue Mitglieder zu gewinnen.
„Zossen. Trotz aller Schikanierung brachte uns die „Rote Woche“ einen Zuwachs von 45 neuen Parteimitgliedern. Für die Parteipresse wurden 15 neue Abonnenten gewonnen. Man ersieht hieraus, daß bei einiger Rührigkeit der Genossen auch hier Erfolge erzielt werden können.“

Quelle: Vorwärts, 19.03.1914, S. 1; Vorwärts, 19.03.1914, S. 10
 

19. März

„Deutscher Arbeitersängerbund, Gau Berlin. In der am letzten Sonntag stattgefundenen Ausschußsitzung wurden zunächst drei Vereine, und zwar aus Zossen, Beelitz und Treuenbritzen, die längere Zeit pausiert hatten, wieder aufgenommen und da dieselben ihren Verpflichtungen bis zum Schluß nachgekommen waren, in ihre alten Rechte eingesetzt.“

Quelle: Vorwärts, 22.04.1914, S. 10
 

9. Mai

„Bezirk Zossen. (Vierteljahresbericht.) In diesem Quartale fanden die Geschäfte in zwei Versammlungen ihre Erledigung. Die Versammlung am 9. Mai wurde durch die neugegründete Gesangsabteilung mit zwei exakt vorgetragenen Liedern eingeleitet. Eine Neuaufnahme wurde vollzogen, ein Mitglied mußte ausgeschlossen werden. Dem Antrage, den Besuchern der „Bugra“ eine Beihilfe von 5 Mk. aus der Bezirkskasse zu gewähren, stimmte die Versammlung zu. Für den ausführlichen Kassenbericht wurde dem Kassierer Entlastung erteilt. Nach Entgegennahme des Kartellberichtes und der Wahl eines Revisors wurde noch beschlossen, das Johannisfest am 27. und 28. Juni zu begehen. – Die Tagesordnungspunkte der Juniversammlung dürften die Allgemeinheit weniger interessieren, jedoch soll nicht unerwähnt bleiben, daß die Graphische Vereinigung zu dieser Versammlung die Erzeugnisse eines abgehaltenen Skizzierkurses ausgestellt hatte. Die verschiedenartigen Entwürfe waren größtenteils recht gute und fanden im allgemeinen volle Anerkennung. Ein Beweis, daß auch hier die Kollegen bestrebt sind, ihre berufliche Fortbildung zu fördern.“

Quelle: Korrespondent für die Buchdrucker Deutschlands, 04.07.1914, S. 3
 

Juni

Der Ortsverein Zossen der SPD hat 205 Mitglieder.

Quelle: Die sozialen und politischen Verhältnisse in der Provinz Brandenburg von 1871-1917, Beiheft, S. 28
 

2. August

„Zossen. Das diesjährige Gewerkschaftsfest findet am Sonntag, dem 2. August statt. Da ein reichhaltiges Programm vorgesehen ist, wird um zahlreichen Besuch des Festes ersucht. Abmarsch zum Umzug 2 ½ Uhr von Scherler.“

Quelle: Vorwärts, 01.08.1914, S. 11
 

November

Aus dem Bericht des Gaues 1:
Die Lage hat sich nachdem alle Betriebe zu Beginn des Krieges geschlossen wurden, wieder gebessert. „… und in Zossen, wo wir in einem Betrieb 18 Mitarbeiter hatten, werden nur 3 beschäftigt. Zu erwähnen ist noch, daß von 16 Orten nur 6 an Arbeitslose Unterstützung durch die Kommunen gegeben wird, in 4 Orten werden Notstandsarbeiten in Angriff genommen.“

Quelle: Buchbinder-Zeitung, 22.11.1914, S. 319
 

November

„Gesangverein „Freie Sänger“ Zossen (Mitgl. d. A-S-B).
Auf dem westlichen Kriegsschauplatz fiel unser treuer Sangesbruder Artur Miethe. Wir werden ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren. Der Vorstand.“

Quelle: Vorwärts, 24.11.1914, S. 6
 

November

Die Zeitungsausgabe- und Inseratenstelle für den „Vorwärts“ befindet sich bei Matuschek, Marktstraße 5.“

Quelle: Vorwärts, 30.11.1914, S. 4
 

Dezember

Das Zossener Warenhaus Cohen wirbt über mehrere Tage im „Vorwärts“.

Quelle: Vorwärts, 06.12.1914, S. 14; Vorwärts, 12.12.1914, S. 4; Vorwärts, 16.12.1914, S. 4; Vorwärts, 23.12.1914, S. 8
 

Dezember

„Ein Ortsverein in Feindesland.
Dem „Korrespondent für Deutschlands Buchdrucker“ ging aus Brüssel ein eigenartiges „Kriegsdokument“ zu, und zwar in der Form einer geschmackvoll in vier Farben gezeichneten Widmung des technischen Personals der Druckerei der deutschen Kommandantur in Brüssel. Der Inhalt dieses auf imitiert und kräftig ausgefranztem Büttenpapier hergestellten Gedenkblattes lautet folgendermaßen:
„Brüssel, im November 1914.
Werte „Korrespondent“-Redaktion! Hiermit erlauben wir uns die Gründung eines neuen Ortsvereins in Feindesland anzuzeigen. Er ist zwar noch klein, nicht daseinsberechtigt, aber es geht. Alles feuererprobte Kollegen, die das feindliche Blei bisher verschont hat. Beschäftigt sind alle in der Druckerei der deutschen Kommandantur in Brüssel. Eine Gesamtaufnahme der hiesigen Mitgliedschaft fügen wir bei. Aus diesem Bildchen werden sie ersehen, daß wir den Sinn für Humor und Kollegialität noch nicht verloren haben. Freuen würde es uns sehr, den „Korr.“ regelmäßig zu erhalten. Ein herzliches „Gott grüß’ die Kunst!“ allen Kollegen. Auf Wiedersehen!“
Die dem Schreiben beiliegende photographische Aufnahme zeigt acht Verbandsmitglieder aus Aschersleben, Berlin, Burg bei Magdeburg, Geestemünde. München und Zossen in militärisch-buchdruckerlichen Arbeitsgewändern.“

Quelle: Vorwärts, 16.12.1914, S. 6
 

Dezember

Aus dem Jahresbericht des Gau 5 des Verbandes der Zimmerer Deutschlands für 1914:
„Durch die verschiedenen Barackenbauten im Gau und auch in anderen Landesteilen entstand sogar zeitweise eine Nachfrage nach Zimmerleuten. Die Gefangenenlager in Brandenburg, Crossen a.d.O, Groß-Breesen bei Guben, Halbe, Havelberg, Döberitz, Wünsdorf und Zossen haben viel Arbeit für Zimmerer gebracht. Ferner wurden nach Bekanntgabe der Reichsregierung nicht nur die bereits angefangenen Bauten fortgeführt, sondern es sollen auch die im Etat bewilligten zur Ausführung gelangen.
Mit der kommunalen Bautätigkeit ist es beim alten geblieben... Es sind eben nur wenige Gemeinden, die zur Belebung der Bautätigkeit beitrugen.“

Quelle: Der Zimmerer, 27.03.1915, S. 84
 

31. Dezember

Ende 1914 hatte der Maurerverband Deutschlands in Zossen 86 Mitglieder. Der Metallarbeiterverband hatte in seiner Zahlstelle in Zossen 32 Mitglieder organisiert.Im Ortskartell der Gewerkschaften waren am 31. Juli 1914 413 Mitglieder vereinigt, am 31. Dezember waren 187 Gewerkschafter Mitglied des Ortskartells, 132 waren eingezogen. Unter dem Dach des Ortskartells wirkten 12 Gewerkschaften.

Quelle: Der Grundstein, 03.04.1915, S. 112; Der Metallarbeiter, 01.05.1915, S. 75; Statistische Beilage des Correspondenz-Blatt, Nr. 5, 4. Dezember 1915, S. 134

1915

1. Januar

Das Warenhaus Cohen schaltet eine Anzeige im „Vorwärts“.

Quelle: Vorwärts, 01.01.1915, S. 8
 

1. Januar

Matuschek, Marktstraße 5, ist Spediteur des „Vorwärts“ in Zossen.

Quelle: Vorwärts, 01.01.1915, S. 10
 

Januar

„Baracken für kriegsgefangene Mohammedaner. In Wünsdorf bei Zossen, wo sich der große Truppenübungsplatz befindet, auf dem zurzeit Kriegsgefangene aller feindlichen Völker untergebracht sind, werden jetzt neue Baracken erbaut, die zum Aufenthalt von Gefangenen mohammedanischen Bekenntnisses dienen sollen. Sobald die Baracken fertig sind, sollen die Mohammedaner aus anderen Lagern nach Wünsdorf gebracht und hier vereinigt werden.“

Quelle: Vorwärts, 05.01.1915, S. 5
 

Januar

Die Kunst- und Reklamedruckerei Robert Schulze in Storkow wird in das Verzeichnis der tariftreuen Druckereien aufgenommen. Robert Schulze, SPD-Mitglied, war bevor er die Storkower Druckerei erwarb in der Berliner Buch- und Kunstdruckerei in Zossen beschäftigt.

Quelle: Korrespondent für Deutschlands Buchdrucker und Schriftgießer, 12.01.1915, S. 4
 

24. Januar

„Bezirk Zossen. (Vierteljahresbericht.) In der am 24. Januar abgehaltenen Generalversammlung gedachte der Vorsitzende K. Grobe zunächst der auf den Schlachtfeldern gefallenen Kollegen Richter und May. Kollege Möller erstattete den Kassenbericht; es wurde ihm für die musterhafte Kassenführung einstimmig Entlastung erteilt. Aus dem Jahresberichte des Vorsitzenden und des Kassierers sei besonders aus den Kriegsmonaten einiges erwähnt: Bis Ende Dezember standen 32 Kollegen des Bezirks unter den Fahnen, davon haben leider schon vier den Tod auf den Schlachtfeldern im Osten und Westen erlitten. Der Mitgliederstand des Bezirks ist von 118 am Schlusse des zweiten Quartals 1914 auf 49 Ende des vierten Quartals gesunken. Die Arbeitslosenziffer hatte im Monat November mit 57 Konditionslosen den höchsten Stand erreicht. Daß der seit Anfang des Krieges an die Frauen der Kriegsteilnehmer geleistete Mietzuschuß von monatlich 6 Mk. heute noch gewährt werden kann, ist der Opferwilligkeit der Kollegen durch Leistung eines besonders hohen Bezirksbeitrags zu danken. Auch der Vorstand verzichtete auf einen erheblichen Teil der Remineration, und die sämtlichen Sitzungsgebühren wurden vollständig aufgehoben. In besonderen Notfällen hat auch der Gauvorstand helfend eingegriffen. Da schon im Laufe des Kriegshalbjahres ein Wechsel im Vorstande vorgenommen werden mußte, wurde der gegenwärtig amtierende Vorstand durch Zuruf und ein Beisitzer neu hinzugewählt. Vom Gewerkschaftskartelle wurde durch Sammellisten ein ganz ansehnlicher Betrag für eine Weihnachtskinderbescherung aufgebracht. Nachdem noch für gesandte Liebesgaben die eingegangenen Feldpostkarten verlesen waren, schloß der Vorsitzende mit einem Hoch auf den Verband und mit dem Wunsch, auch unsre „Feldgrauen“ bald wieder in unsrer Mitte begrüßen zu können, die Versammlung. - Die Februarversammlung fiel aus. - Die Märzversammlung hatte sich außer örtlichen Angelegenheiten in der Hauptsache mit der Regelung der Mietsunterstützung und des Extrabeitrags zu befassen. Nach dem Berichte des Kassierers erforderte der Mietszuschuß für die Frauen bis einschließlich Februar die Summe von 950 Mk., der Zuschuß für Konditionslose 590 Mk., so daß unser Kassenbestand trotz des hohen Extrabeitrags von 1288 Mk. am 1. August auf 230 Mk. Ende Februar zurückging. Infolge immer weiterer Einberufungen läßt sich leider die Gewährung des Zuschusses nicht mehr aufrechterhalten, und so beschloß die Versammlung, daß die laufende Unterstützung mit dem Bezuge des siebenten Monats erlischt. Es können nur noch besondere Notfälle berücksichtigt werden. Der Beitrag für die Bezirkskasse wurde auf 75 Pf. erniedrigt. Auch für den Bezug des Konditionslosenzuschusses wurde eine Karenz festgesetzt."

Quelle: Korrespondent für Deutschlands Buchdrucker und Schriftgießer, 10.04.1915, S. 2f.
 

Februar

„Im Zossener Gefangenenlager.

Das Zossener Gefangenenlager hat in der Stockholmer Zeitung „Aftonbladet“ eine ebenso unbefangene, wie anschaulich und anziehende Schilderung gefunden, die auch deutschen Lesern mancherlei neue und interessante Züge bringt. Der Erzähler berichtet zunächst über seinen Besuch in den Baracken der Franzosen. Hier ist die deutsche Ordnung und Disziplin durch den französischen Geschmack ergänzt worden, und man hat den Franzosen keinerlei Hindernisse in den Weg gelegt, um sich ihren Zustand durch allerlei Einrichtungen zu erleichtern, die darauf abzielen, das Leben behaglicher und angenehmer zu gestalten. Obgleich es Winter war, konnte man deutliche Spuren künstlerischer Gartenanlagen wahrnehmen, die unter der Leitung eines französischen Gartenkünstlers hergestellt waren. Wie bekannt, dienen die französischen Geistlichen als Gemeine im Heere, und auch unter den Gefangenen in Zossen befinden sich sechs oder sieben französische Priester. Diese liegen nun im Lager der Seelsorge ob und finden auch dankbare Zuhörer. Der Schwede sah eine französische Kapelle, wo gerade mehrere Andächtige versammelt waren. Ein hübscher Altar ist dort aufgebaut und reich ausgeschmückt worden, und schon ist ein zweiter Altar im Entstehen, so daß zwei Priester gleichzeitig die Messe werden lesen können. Die Gottesdienste sind zahlreich besucht; besonders war dies während der Weihnachtszeit der Fall. Es scheint, als ob der Krieg auch bei den Franzosen das religiöse Gefühl neu belebt hat. „Aber die meisten Franzosen sind wohl keine gläubigen Katholiken?“ fragte der Besucher den ihn begleitenden Hauptmann. „Jedenfalls gehen sie fast alle zu Kirche,“ war die Antwort.
Im Zossener Lager hat auch ein französischer Bildhauer seine Werkstatt aufgeschlagen. Es ist kein gewöhnlicher Handwerker, sondern ein wirklicher Künstler, der den Rompreis davongetragen und bereits Ruf gewonnen hat. Die aus seiner Hand hervorgegangenen Werke waren sehr stimmungsvoll; zumeist waren es Soldatengestalten von einem ernsten, um nicht zu sagen düsteren Gepräge. Einige seiner Schöpfungen waren auf den Gräbern in Zossen gestorbener Krieger aufgestellt. Eine andere Kunst, die im Zossener Lager fleißige Pflege findet, ist die des Gesangs. Der schwedische Besucher wurde zu seiner Überraschung Zeuge eines ergreifenden Konzertes in einem der Säle. Es war ein französischer Kapellmeister, der da einen Chor von etwa 70 Personen leitete, unter dem ein prächtiger Tenor, der auch Solo-Vorträge leistete, besonders auffiel. Zur Aufführung gelangte eine ergreifende Tonschöpfung des Leiters, die sich „Sonnenaufgang“ nannte. Vom Konzertsaal ging der Weg zur Küche, wo das Essen gekostet wurde. Die Tagesmahlzeit bestand aus vortrefflich schmeckendem Reis. 5 Tage in der Woche gibt es Fleisch, und an den zwei Tagen, wo die Fleischkost ausfällt, wird ein besonderer Zuschuß an Brot gewährt. Das regelmäßige Brotmaß beträgt auf den Kopf und Tag ein halbes Kilo. Alle Gefangenen sahen wohlgenährt aus, und die frische Luft sowie die schöne Umgebung trugen dazu bei, ihnen den Druck des Gefangenenlebens zu erleichtern.
Ein sehr schwieriges Problem bildet die Arbeitsgelegenheit für diese 15000 Gefangenen. Vorläufig kann man am Tage durchschnittlich nur etwa 3000 von ihnen zur Arbeit anstellen; kommt aber erst die warme Jahreszeit, so wird sich in Wald und Feld mehr Arbeitsgelegenheit für sie finden. Die Winterbaracken haben die Gefangenen sich größtenteils selbst erbaut. Verschiedene Werkstätten, zum Beispiel eine Tischlerwerkstatt mit einer ganzen Anzahl Hobelbänken, sind im Betriebe. Im allgemeinen ist man mit dem Fleiß und dem Betragen der französischen Gefangenen deutscherseits sehr zufrieden. Sie stehen unter dem Befehl ihrer eigenen Unteroffiziere, sind in Kompagnien von 300 Mann eingeteilt und strenge militärische Disziplin wird unter deutscher Leitung beobachtet.
Ganz anders ist das Verhalten der Halbwilden, die in Zossen gefangen sind. Es stellte sich die Unmöglichkeit heraus, sie zusammen mit anderen Gefangenen zu halten, und man mußte sie daher in einer eigenen Abteilung unterbringen, die von einem hohen Holzzaun umschlossen und besonders streng bewacht ist. Die verbündeten Feinde der Deutschen haben, wie der Schwede bemerkt, von ihren exotischen Bundesgenossen wenig Ehre. Oft geraten sie miteinander in Streit, und dann spielen die Tischmesser eine Rolle. Die Deutschen nehmen auf die Verschiedenheit der Sitten und Religionen dieser Halbwilden soviel Rücksicht wie möglich. Die Indier z.B. essen kein Schweinefleisch, die Brahmanen auch kein Rindfleisch und so erhalten diese Hammel- und Ziegenfleisch, das sie sich nach ihrem eigenen Ritus allein schlachten. Von den indischen Soldaten zeigen viele Mongolentypus; andere dagegen gehören zur reinen Rasse und unter ihnen finden sich wahre Prachtexemplare von Schönheit. Es geht aus den Erzählungen der indischen Soldaten mit Bestimmtheit hervor, daß sie nicht wußten, wohin oder gar wofür sie in den Krieg ziehen sollten. Erst hieß es, sie sollten nur nach Kalkutta, und auch nach ihrer Ankunft in Europa erfuhren sie nicht, gegen welchen Feind sie kämpfen sollten. Die französischen exotischen Truppen sind schlechter diszipliniert als die englischen und besonders sind die nordafrikanischen Mohammedaner durch Wildheit ausgezeichnet. Mohammedanische Geistliche haben Zutritt zu diesen Gefangenen erhalten, um sie nach der Lehre des Propheten zu erbauen und um sie über die Lage der Dinge aufzuklären. Die französischen Hilfstruppen zeigen außerordentlich verschiedene Typen bis zur reinen Negerrasse. Man kann noch sehen, daß ihre Uniformen sehr glänzend gewesen sein müssen, und die Neger in ihren roten Turbanen und blaugelben Uniformen mögen einmal gar prächtig ausgesehen haben. „Wenn man diese Halbwilden sieht und die Berichte von ihren „Heldentaten“ hört, so muß man doch sagen, es ist ein Weltskandal erster Ordnung, daß diese Horden auf Europa losgelassen werden, um gegen Christenvölker zu kämpfen. Aber vielleicht bestätigt sich wieder einmal das Wort: Welkrieg ist Weltgericht“. Mit diesem Hinweis beschließt der Berichterstatter von „Aftonbladet“ seine fesselnde Schilderung des Zossener Lagers.“

Quelle: Vorwärts, 14.02.1915, S. 11
 

 März

Die Zossener Druckerei Paul Koch wird in das Verzeichnis der tariftreuen Druckereien aufgenommen.

Quelle: Korrespondent für Deutschlands Drucker und Schriftgießer, 18.03.1915, S. 6
 

18. April

„Bezirk Zossen. Sein 50jähriges Berufsjubiläum beging am 18. April bei bester Gesundheit der in der hiesigen Berliner Buch- und Kunstdruckerei beschäftigte Kollege Karl Eichorn. Der Jubilar lernte in Mühlhausen (Thüringen) und war Mitbegründer des am 1. Juni 1890 ins Leben gerufenen dortigen Ortsvereins. Er dürfte daher noch vielen Kollegen in guter Erinnerung sein.“

Quelle: Korrespondent für Deutschlands Buchdrucker und Schriftgießer, 24.04.1915, S. 3
 

24. Mai (Pfingstmontag)

„Wünsdorf.

Das kleine, hinter Zossen belegene Örtchen Wünsdorf ist in neuerer Zeit zu einer ungeahnten Bedeutung gelangt. Zu dieser Bedeutung hat ihm die Militärverwaltung verholfen. Sie hat vor einigen Jahren als Ersatz für das Tempelhofer Feld zwischen Zossen und Wünsdorf große Flächen angekauft, was seinerzeit in der Öffentlichkeit lebhaft besprochen wurde. Seit mehr denn Jahresfrist ist das Gelände seinen Zwecken zugeführt. Bei Wünsdorf reiht sich Baracke an Baracke und eine Reihe Regimenter haben hier ihre Unterkunft gefunden und weitere werden sie noch finden. Große Übungsplätze ermöglichen die Ausbildung der Truppen. Nach Zossen hin sind die Gefangenenlager sichtbar, in denen zum Teil Russen und Franzosen untergebracht sind. Die in den Baracken liegenden Soldaten übersteigen die Einwohnerzahl von Wünsdorf um das Mehrfache.
Tagtäglich ziehen die Truppen in langen Kolonnen durch den Ort nach dem Exerzierplatz, mächtige Staubwolken um sich her aufwirbelnd. An den Sonntagen ist Wünsdorf das Ziel Tausender von Zivilpersonen. Eine große Zahl der in den Baracken liegenden Soldaten haben in Berlin Angehörige. Wer nicht auf Urlaub fahren kann, erwartet Besuch. Von dieser Besuchserlaubnis wird in der jetzigen Zeit besonders reichlich Gebrauch gemacht. Das ist auch ganz verständlich; ist es doch nur eine Frage der Zeit, wann dieser oder jener Truppenteil seinem Stammregiment zugeführt und somit ein Wiedersehen erschwert wird.
Auch wir lösten uns am zweiten Feiertage am Potsdamer Ringbahnhof ein Billett 3. Klasse für 95 Pf. nach Wünsdorf. Der Zug war knüppeldick voll. In Zossen, einer Station vor Wünsdorf, stieg eine große Zahl Mitfahrender aus, um den in der Hitze besonders unangenehmen Weg von über einer Stunde nach Wünsdorf zu Fuß zurückzulegen. Eine große Zahl der Fahrgäste zieht die Bahnfahrt bis ans Ziel einer anstrengenden Fußwanderung vor. Am Bahnhof Wünsdorf großer Empfang. Da standen sie rechts und links, Spalier bildend, alle die Besuch erhofften, und musterten erwartungsvoll die Ankommenden. Groß war die Freude, wenn der Sohn den Vater, die Mutter oder die Braut, oder Frau und Kind den Mann und Vater erblickten. Kaum ein Besucher kam, der nicht wenigstens ein kleines Paketchen mitgebracht hätte, um den Angehörigen im bunten Rock die Lage etwas erleichtern zu helfen. Viele machen einen ersten Besuch in den Baracken und mehr als einer mag Vergleiche ziehen zwischen seinem weichen Bett zu Hause und der Lagerstatt des Soldaten. Dann geht’s wieder zurück in den einen guten Eindruck machenden, mit prächtigen Bäumen geschmückten Ort Wünsdorf.
Bald sind die Restaurationen so stark besetzt, daß es schwer fällt, ein Unterkommen zu finden, aber schließlich findet sich dann noch irgendwo ein Fleckchen; man wird ja so bescheiden, wenns sein muß. Da gibt es so viel zu erzählen, Familienfragen und die Erlebnisse der letzten Zeit werden besprochen, manches Wort wird gewechselt über die Zukunft. Und dann beginnt eine kleine Wanderung durch den Ort und in dessen Umgebung, auf Schritt und Tritt Soldaten begegnend. Immer näher rückt die Scheidestunde. Der Rekrut, der erst kürzlich eingetreten ist, muß ½ 10 Uhr in seiner „Kaserne“ sein. Da gilt es wieder Abschied zu nehmen und die Besucher sind auf sich allein gestellt, denn die Rückfahrt von Wünsdorf nach Berlin ist eine recht ungenügende. Entweder muß man ½ 7 Uhr abends zurückkehren oder wenn man das nicht will, muß man bis nach 11 Uhr abends warten. Um ½ 7 Uhr ist es vielen zur Rückfahrt noch zu früh und nach 11 Uhr ist es reichlich spät. Und so ist man auf die Kneipe angewiesen und muß dort die Zeit abwarten. Dann aber nach ½ 11 Uhr sammeln sich am Bahnhof die Menschenmassen, vorzugsweise weibliche Personen, zur Rückfahrt. Das Drängen und Stoßen vor dem Eingang, durch den die ankommenden Urlauber aus Berlin, fast jeder mit einem Paket von Muttern bepackt, zurückkehren, ist wenig erfreulich. Hat man sich glücklich durch die Sperre durchgezwungen, beginnt der Sturm auf den ankommenden Zug, um einen Platz zu ergattern. Schließlich muß man froh sein, einen Stehplatz erwischt zu haben, auch wenn man auf Grund der Fahrkarte auf einen Sitzplatz Anspruch hätte. Obendrein darf man für die Rückfahrt mit dem Fernzuge in dritter Klasse noch 30 Pf. mehr bezahlen als für die Hinfahrt.
Eine bessere Verkehrsmöglichkeit in den Abendstunden zu schaffen, ist der einmütige Wunsch aller Besucher von Wünsdorf.“

Quelle: Vorwärts, 28.05.1915, S. 9
 

Juni

„Die Kreiskonferenz des Wahlkreise Teltow-Beeskow-Charlottenburg nahm nach einem Referate des Genossen Molkenbuhr und einem Korreferat des Genossen Ströbel Stellung zu den Friedensbemühungen des Parteivorstandes. Nach Erledigung der sehr ausgedehnten Debatte wurde eine Resolution angenommen, worin die Bestrebungen des Parteivorstandes zur Kenntnis genommen und die auf das gleiche Ziel gerichteten Wünsche ausländischer Bruderparteien begrüßt wurden. Parteivorstand und Fraktion werden aufgefordert, diese Bestrebungen energisch zu unterstützen, dagegen Absichten bürgerlicher Annektionspolitiker energisch zu bekämpfen. Dieselben Körperschaften sollen sich auch gegen die das politische Leben einengenden Bestimmungen und die Lebensmittelteuerung wenden.
Eine von [Ortsverein.- K.L.] Friedenau eingebrachte Resolution, wonach sich die Versammlung einverstanden erklären sollte mit der von vielen Parteigenossen an den Parteivorstand gerichteten Kundgebung, wurde durch die Annahme der ersten Resolution als erledigt betrachtet.
Sodann entwickelte sich eine umfangreiche Debatte über die Sonderbestrebungen in der Partei. Das Referat hatte der Kreisvorsitzende, Genosse Thurow, das Korreferat Genosse Dr. Duncker übernommen. Mit großer Mehrheit wurde folgender Beschluß gefaßt:
„Die Kreiskonferenz des Wahlkreises Teltow-Beeskow usw. kann das Verhalten derjenigen Parteimitglieder, die in besonderen Zusammenkünften außerhalb des gegebenen Organisationsrahmens in parteitaktischen und Organisationsfragen auf eigene Faust Aktionen unternehmen, nicht billigen. Diese Zusammenkünfte bergen die Gefahr in sich, die Einheit der Partei zu untergraben. Wie auch immer die Genossen in der Beurteilung von Parteifragen stehen mögen, so kann und darf nicht geduldet werden, daß Mitglieder Bestrebungen fördern, die geeignet sind, das gegenseitige Verstehen der Parteigenossen untereinander zu erschweren. Die Kreiskonferenz gibt zu, daß der aus dem Kriegszwang sich ergebende unbefriedigte Betätigungsdrang der Genossen erklärlich ist. Sie richtet darum an Parteivorstand und Reichstagfraktion von neuem das Ersuchen, keine Gelegenheit vorübergehen zu lassen, ohne den Wünschen der Volksteile Rechnung zu tragen, die …....... und mit der Lebensmittelteuerung unzufrieden sind, sowie eine freiere Gestaltung der politischen Zustände im Innern fordern. Die Kreiskonferenz fordert die Parteimitglieder des Kreises auf, ohne Unterlaß für die Entfaltung eines möglichst regen Vereinslebens Sorge zu tragen, damit allen Genossen die Gelegenheit gegeben ist, im Rahmen der Parteiorganisationen ihre Anschauungen zu vertreten. (Reger Besuch der Zahlabende, lebhafter Meinungsaustausch, Agitation für die Partei usw.) Die Kreiskonferenz verurteilt die Benutzung des Namens der Arbeiterbildungsschule oder anderer Parteiinstitutionen für Zusammenkünfte, die außerhalb der Organisation veranstaltet werden.““

Quelle: Vorwärts, 23.06.1915, S. 7
 

Juli

Zugunsten erblindeter Krieger. Das Gardesturmbataillon Zossen plant die Errichtung eines sogenannten Eisernen Kreuzes, das seine Aufstellung in den Anlagen des Zossener Truppenübungsplatzes finden soll. Eine Reihe Gemeinden sind auf diesem Gebiete schon vorangegangen. Das Eiserne Kreuz ist zunächst ein einfaches Holzkreuz, in das Nägel eingeschlagen werden. Jeder Nagel kostet einen bestimmten Preis. Der Erlös wird wohltätigen Zwecken zugewendet, im vorliegenden Falle erblindeten Kriegern. In Zossen kostet der Nagel 10 Pf. Einweihung und Anfang der Nagelung findet am Sonnabend, den 10. Juli, nachmittags 5 Uhr, statt.“

Quelle: Vorwärts, 08.07.1915, S. 8
 

August

„Indische Gefangene in Deutschland. Die in englischen Zeitungen erscheinenden Berichte über die durch neutrale Vermittler geprüften Zustände in den deutschen Gefangenenlagern sind in ihrer knappen Tatsächlichkeit die beste Antwort gegen unsere Barbarei. Der letzte dieser Berichte enthält die Schilderung eines Angehörigen der amerikanischen Botschaft in Berlin, der das Konzentrationslager in Wünsdorf bei Zossen besuchte, in dem indische Kriegsgefangene untergebracht sind: „Gegenwärtig sind 400 indische Soldaten und 4 Offiziere im Lager von Wünsdorf interniert. Ich sprach mit jedem der Offiziere, und sie sagten, daß sie freiwillig bei ihren Mannschaften blieben und keinerlei Anlaß hätten, ihre Überführung in ein Offizierslager zu beantragen. Jeder Offizier erhält monatlich 60 M. Die Inder werden zu keinerlei Arbeit außerhalb des Lagers verwendet. Sie befinden sich unter dem Kommando ihrer eigenen Offiziere und spielen täglich Fußball. Die gut angelegten Bäder in dem benachbarten mohammedanischen Lager stehen zu ihrer Verfügung. Die Moschee in dem genannten Lager wird bald fertiggestellt sein und soll auch den Indern als Bethaus dienen. Die deutschen Wachmannschaften nehmen jede Rücksicht auf die religiösen Empfindungen der Inder; sie betreten weder die indische Küche noch die Orte religiöser Übungen. Der deutsche Offizier, in dessen Händen das Kommando liegt, war lange in Ostafrika; er scheint durchaus das persönliche Vertrauen der ihm unterstellten Gefangenen zu genießen.““

Quelle: Vorwärts, 12.08.1915, Beilage S.1
 

Oktober

Ewald Wiedemann ist Kontaktperson und Vorsitzender des Bezirksvereins Zossen des Vereins der Buchdrucker und Schriftgießer Deutschlands, Gau Oder.

Quelle: Korrespondent für Deutschlands Buchdrucker und Schriftgießer, 02.10.11915, S. 5
 

Oktober

In der Firma Internationale Schlafwagengesellschaft in Zossen wird der Stundenlohn um 2 Pfennig erhöht.

Quelle: Holzarbeiter-Zeitung, 08.10.1915, S. 162
 

31. Dezember

Im Bericht des Gaues Brandenburg des Deutschen Zimmererverbandes für das Jahr 1915 wird festgestellt: „Größere Aufträge von transportablen Baracken gelangten in Berlin, aber auch in verschiedenen Provinzorten zur Ausführung. Ferner kamen die Erweiterungsbauten der Gefangenenlager hinzu. Auch sind zu den im vorigen Bericht aufgeführten acht Gefangenenlagern noch weitere zwei hinzugekommen... Vor allem brachten aber die großen Fabrikanlagen bei Plaue an der Havel, Döberitz bei Pritzerbe und Premnitz gute Beschäftigungsgelegenheit. Es konnten nicht nur die arbeitslosen Kameraden aus der Provinz, sondern auch aus andern Landesteilen, besonders aus Sachsen, dort untergebracht werden. In Plaue sind allein, als der Betrieb vollauf im Gange war, gegen 5000 Arbeiter, ohne die Gefangenen, beschäftigt gewesen. … Mit Ausnahme der einzelnen Garnisonstädte war für die übergroße Zahl der Provinzorte die Arbeitsgelegenheit nicht günstig. … Waren die Preise für Lebensmittel schon vor Ausbruch des Krieges fortgesetzt gestiegen, so verlief keine Versammlung, in welcher nicht Klagen über die verteuerten Lebensbedürfnisse laut wurden. … Zu Anfang des Berichtsjahres trat eine starke Gleichgültigkeit dem Organisationsleben gegenüber zutage. Nicht nur in unserem Verband, sondern auch bei den übrigen Gewerkschaften. Es wurden daraufhin gemeinsame Versammlungen arrangiert, die für uns und auch für die übrigen Verbände nicht von Nachteil waren. Unsere Kameraden haben in 42 Orten an diesen Versammlungen teilgenommen. … Besondere Schwierigkeiten bereitete es, Kameraden zu finden, die die Kassierergeschäfte zu übernehmen hatten. Dankbar müssen wir hierbei erwähnen und anerkennen, daß in sechs Zahlstellen die Frauen der eingezogenen Kassierer die Geschäfte übernahmen und zu unserer Zufriedenheit weiterführen.“

Quelle: Der Zimmerer, 01.04.1916, S. 4f.
 

31. Dezember

Ende 1915 hatte der Ortsverband der Metallarbeiter in Zossen 32 Mitglieder. Die Zahl der im Ortsgewerkschaftskartell organisierten Gewerkschaften sank von 12 auf 8, die der Mitglieder von 187 auf 133 (Vergleich 31. Dezember 1914/31. Dezember 1915).

Quelle: Metallarbeiter-Zeitung, 15.04.1916, S. 67; Statistische Beilage des Correspondenz-Blatt, Nr. 2, 5. August 1916, S. 43.

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